Draußen, vor der Eingangstür, stand ein etwas dickerer Mann, der zu Louis Verwandtschaft gehörte. Er war gerade dabei, eine Zigarette zu rauchen. In seiner Hand hielt er eine Schachtel von Marlboro, was mich an Louis Streit und seine Erklärung erinnerte.

Da mir der Mann den Rauch förmlich ins Gesicht pustete, beschloss ich, ein paar Meter spazieren zu gehen.

Die Musik konnte ich auch, nach gefühlten Kilometern, noch hören. Ich hielt den Rock meines Brautkleides hoch, damit es nicht durch den Dreck schleifte. Tatsächlich hatte es noch keinen Alkohol oder etwas ähnliches abbekommen.

Meine Füße schmerzten durch die hohen Schuhe, die ich mir zugelegt hatte, damit Dianne das Brautkleid nicht noch hätte kürzen müssen.

Fast knickte ich auf diesen hohen Dingern um, als ich wieder die schwarze Gestalt vor mir langhuschen sah. Sie war blitzschnell und ich nahm sie nur für einen kurzen Augenblick wahr.

Erschrocken drehte ich mich um und blickte zu dem kleinen Schlosshotel. Der Mann, der eben noch geraucht hatte, war verschwunden.

Wieder fuhr ich herum, als ich auf einmal, eine mittlerweile vertraute, Stimme hörte.

„Hallo Annabell", sagte Finn mit einem komischen Unterton.

Ich scannte ihn ganz genau ab. Er trug einen schwarzen Anzug, weswegen ich ihn wahrscheinlich eben als die dunkle Gestalt wahrgenommen hatte, von der ich mich verfolgt fühlte.

Mein Puls schnellte trotzdem in die Höhe, als er auf mich zu kam. Was wollte er? Er war doch gar nicht eingeladen. Oder war er jetzt etwa wirklich deswegen sauer?

Als ich kein Wort herausbekam, redete er einfach weiter. „Hübsches Kleid hast du an", lächelte er.

„Was-", fing ich an, doch er redete wieder einfach weiter.

„Was ich hier tue? Das könnte ich genauso gut dich fragen", sagte er.

Ich schwieg. Was meinte er? Ich hatte geheiratet und das wusste er seit Wochen, wenn nicht sogar Monaten. Ich hatte die Zeit mit ihm aus dem Überblick verloren, da es mir eigentlich ziemlich egal war.

„Du heiratest einen Idioten."

„Ich habe schon geheiratet", korrigierte ich ihn, als ich meine Worte wiederfand.

Ich verstand nicht, was er von mir wollte. Wenn er sich in mich verknallt hatte, war er ein wenig spät dran. Mal abgesehen davon hatte ich ihm doch neulich erklärt, dass Louis die Liebe meines Lebens war. Ich würde ihn für nichts und niemanden auf der Welt verlassen, vor allem nicht für einen Typen, der mich förmlich verfolgte.

Als ich das dachte, wurde mir alles klar. Es passte zwar nicht mit Louis Aussage zusammen, dass mein Stalker James hieß, aber wirklich alles andere passte.

Finn war in den letzten Wochen immer dort gewesen, wo ich war. Er hatte heute schwarze Kleidung an, wie auch die Person, die ich am Fenster gesehen hatte. Er war der Stalker.

Mein Puls ging immer weiter in die Höhe und ich begann zu zittern, was nicht an der kühlen Luft lag.

„Klar ist er ein Idiot. Ein Mörder. Du weißt es nur nicht."

Bei diesem Worten wurden meine Augen größer. Ich schien ein Déjà-vu zu haben, was mich noch mehr verängstigte. Hatte ich das die ganze Zeit gewusst?

„Wieso sollte ich das nicht wissen?", zitterte ich und sah auf den Boden. Ich wollte Finn nicht ansehen. Es war irgendwie zu gruselig.

Meine Hände hielten immer noch den Rock meines Kleides, und ich hatte auch nicht vor, es loszulassen. Es war das einzige, woran ich mich gerade vor Angst klammern konnte.

Mir schossen tausende Gedanken durch den Kopf, während die Nacht total still war. Es war niemand in Sicht, den ich hätte um Hilfe bitten können.

Louis konnte kein Mörder sein. Hätte er in all den Jahren etwas getan, hätte ich es doch mitbekommen. Die einzigen Tode, mit denen er in Verbindung stand, waren seine Eltern und das würde er sich nicht trauen. Louis würde allgemein niemanden vorsätzlich etwas tun. Dazu war er zu gutmütig.

„Schon einmal den Namen Ava gehört?", wollte Finn wissen und kam dabei einen Schritt näher.

Ich nickte kurz. Natürlich hatte ich den Namen gehört, vor nicht allzu langer Zeit. Sie war Louis Freundin gewesen, die verstorben war. Allerdings schoss mir bei diesem Namen auch England 1970 in den Kopf, was ich in dem Moment gar nicht in Verbindung mit all dem bringen konnte.

„Du meinst Louis frühere Freundin?", fragte ich behutsam, da ich verstehen wollte, was hier vor sich ging.

Normale Menschen wären schon längst davongerannt, aber ich war mir sicher, dass er mich einholen würde. Immerhin hatte ich keine Sportschuhe an.

„SIE WAR NICHT SEINE FREUNDIN!", schrie er mich verzweifelt an, wobei ein Feuer in seinen Augen aufleuchtete.

Doch bevor es in meinen Augen anfangen konnte zu brennen, spürte ich einen dumpfen Schlag auf meinem Kopf und ging schmerzerfüllt zu Boden.

Der Himmel in seinen AugenWhere stories live. Discover now