Kapitel 25

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Die nächsten Wochen ohne ihn waren vergleichsweise schwer. Es war komisch, dass abends niemand mehr neben mir im Bett lag, zumindest niemanden den ich sehen konnte, und niemanden zu haben, mit dem ich über alles reden konnte. Ich war mir zwar sicher, dass er immer noch bei mir war, aber ich wollte ohne ihn leben. Ohne ihn sehen zu müssen.

Katy ging ich aus dem Weg, so gut ich konnte. Sie machte öfters einige Anspielungen, wo Louis denn hin sei, aber die ignorierte ich gekonnt. Bald wäre der Umzug ihrer Familie fertig und ich wäre sie los, wenigstens Zuhause. Immerhin ging sie jetzt seit zwei Wochen auf dieselbe Schule wie ich, in die zwölfte Klasse. Aber auch dort würde sie nächstes Jahr ihr Abitur machen, wenn sie das bei ihrer Dummheit überhaupt schaffte. Daher hoffte ich, dass sie doch nicht so dumm war, wie ich vermutete, denn sonst müsste sie wiederholen und ich hätte sie noch länger an der Backe.

Liv und ich haben das mit unserer Freundschaft wieder einigermaßen in den Griff bekommen und sie würde heute Abend eine Pyjamaparty veranstalten, zu der ich und ein paar andere eingeladen waren. Ich war nicht mehr nachtragend, was die Sache mit Noah anging, denn auch das hatte sich wieder geklärt. Jedoch überlegte ich jetzt vorher genau, was ich Liv anvertrauen würde und was nicht.

Noah hatte sich bei mir für sein Verhalten entschuldigt, was wohl mit daran lag, dass Louis bei ihm Zuhause ausgezogen war. Ich hatte Noah gesagt, dass das mit Louis und mir vorbei war, worüber er sichtlich erleichtert schien, wodurch ich mich ein wenig bestätigt fühlte, indem was ich getan hatte.

Wahrscheinlich wäre es doch einfacher gewesen, diese Ehe mit Lukas im Kindergarten einzugehen, als die Sache mit Louis anzufangen.

„Da ist ja die dumme Kuh", sagte Liv und deutete auf Katy. „Sie sieht immer noch so hässlich aus, wie auf der Party neulich."

Ich nickte zustimmend. „Das wird sich in zehn Jahren auch noch nicht geändert haben."

Liv rümpfte ihre Nase als stinkende Ella und Butter Nancy an uns vorbeispazierten. „Also ich kann echt nie wieder Fischstäbchen essen."

Auf meinem Gesicht breitete sich ein Grinsen aus und ich zog sie von der Bushaltestelle weg, Richtung Schuleingang. Die Bushaltestelle war morgens immer überfüllt, da man dort, nicht so wie auf dem Schulgelände, sein Handy benutzen durfte, was die ganzen Fünftklässler noch ausnutzten.

Auf dem Weg zu unseren Klassenräumen gabelten wir dann Noah auf.

„Was geht ab?", fragte er und lächelte Liv an. Er schien immer noch in sie verknallt zu sein. Das Liv und Finn nichts mehr miteinander hatten, schien ihm gut in den Kram zu passen.

„Ach, ich bin ganz schön kaputt", murmelte Liv.

„Und bei dir so, Annabell?", fragte Noah nun mich.

Ich musste nachdenken. Ich glaube, meine ehrliche Antwort wäre gewesen, dass es mir nicht gut ging. Nachts schlief ich schlecht und seit Louis weg war, litt ich unter Bauschmerzen, was ich mir ganz bestimmt nicht einbildete. Ich habe im Internet gelesen, dass dies Symptome von psychischem Stress sind, die ich aber ganz und gar nicht in meinem Leben haben wollte. Allerdings hatte Louis einen Fehler gemacht und ich war noch nicht bereit, ihm diesen zu verzeihen, egal wie sehr ich ihn wieder bei mir haben wollte.

„Alles gut", log ich.

„Ich habe gleich Englisch mit der ollen Schmitz", beschwerte sich Liv. „Ich kann die bald nicht mehr ertragen. Sie ist sowas von langweilig."

„Da stimme ich dir zu." Auch wenn Noah das nicht so gesehen hätte, hätte er es wahrscheinlich gesagt, um Liv zu gefallen.

Wir stapften gemeinsam die Treppen hinauf und ich umarmte Liv noch einmal, bevor diese in ihren Klassenraum ging.

„Komm", sagte Noah und ging vor.

Ich betrat den Raum, der wie immer von grellem Licht erfüllt war. Noah ging mit strahlendem Gesicht zu seinem Platz. In letzter Zeit war er total motiviert in der Schule und ich fragte mich, ob das war, weil die Zeugnisse bald anstanden.

Tatsächlich war es nicht mehr viel Zeit bis zu den Sommerferien.

Liv stand im Pyjama an ihrer Haustür und nahm mich begeistert in den Arm. „Endlich bist du da!"

„Ja", sagte ich nur halb so begeistert.

Ihr Pyjama bestand einfach nur aus einem pinken Top und einer pinken Shorts, da es heute extrem warm war und sich das über die Nacht hin wohl auch nicht ändern würde.

Ich hingegen hatte noch meine normalen Klamotten an, die ich auch zur Schule getragen hatte, da ich nichts davon hielt, auf ihrer Auffahrt ins Schlafzeug zu stehen. Was würden nur die Nachbarn denken, hätte meine Mutter dann gesagt.

Katy hatte mich sowieso komisch angesehen, als ich vollgepackt das Haus verlassen hatte. Auf Livs Wunsch hatte ich nämlich alles dabei, was man irgendwann irgendwie gebrauchen könnte und da gab es vieles.

„Komm rein", bat sie mich und trat ein Stückchen zur Seite, sodass ich mich an ihr vorbeischlängeln konnte.

Liv lebte in einer kleinen Stadtvilla (sowie man es vom Baustil her halt nennt), die von innen hell erleuchtet war.

Sie ging vor, in das große Wohnzimmer, und dort waren auch schon all die anderen. Ich stellte meine Tasche ab und schon wurde ich freudig in den Arm genommen. Die Mädchen waren überwiegend aus Livs Klasse und ich kannte sie kaum. Es war nur eine dabei, die ich sehr sehr gut kannte, auch wenn ich nie mit ihr geredet hatte. Das Mädchen sah mir ziemlich ähnlich und als sie mich zu mir umdrehte, erkannte ich Lesley.

Mein Herz schmerzte, als alles mit Louis wieder hochkam. Jedoch wollte ich mir nicht den Abend davon versauen lassen.

„Hey, ich bin Lesley", stellte sie sich dann vor, nachdem mich alle fertig umarmt hatten.

Ich weiß, zischte die Stimme in meinem Kopf.

„Ich bin Annabell", lächelte ich schief.

„Ja, ich weiß", antwortete sie nur stumpf. „Die neue Freundin von Louis, oder?"

Ich schüttelte meinen Kopf. Wieso dachte sie ich wäre seine Freundin? Sie hatte uns nie zusammen gesehen, außer auf der Party im Wandschrank und auf der Party neulich, aber das hieß noch lange nicht, dass wir ein Paar waren. Oder hatte er ihr gesagt, wir wären eins?

Wieder tat mein Herz weh. Das würde dann nämlich heißen, dass er sie getroffen haben musste.

Die einfachste Erklärung war, dass sie entweder die Gerüchte gehört hatte, oder dass sie uns gesehen hatte und sich daraufhin selbst etwas zusammengesponnen hat.

„Nein, nicht mehr", fügte ich zu meinem Kopfschütteln hinzu.

„Oh, tut mir leid."

Mit Sicherheit tat es das nicht.

Ich fragte mich, ob Louis gerade hier war und die Unterhaltung mit anhörte und genauso fragte ich mich, ob Elian das vielleicht auch tat und meine Freunde bei dieser Pyjamaparty terrorisieren würde.

Meine Angst vor Elian war allmählich verschwunden. Immerhin hatte er mir nichts getan, seitdem ich Louis abgewiesen hatte. Vielleicht hatte er dies mitbekommen und dachte sich, dass Louis sowieso schon genug Scheiße macht, um sich selbst in die Pfanne zu hauen. Wäre ich Elian, würde ich das viel besser finden. Aber ich wusste nun einmal nicht, wer Elian war und wie er dachte, was die Situation doch ein wenig verkomplizierte.

„Brauch es nicht", gab ich mit einem falschen Lächeln zurück und dachte daran, wie er sie auf der Party angesehen hatte und dann mit mir geschlafen hatte, nur damit ich danach dann auch noch rausfinde, dass er mal etwas mit Katy hatte und es mir verschwiegen hatte.

Ich machte mich auf den Weg ins Bad, um mir meinen Pyjama anzuziehen, denn Liv wollte so langsam anfangen, die Filme zu schauen, die sie anscheinend mit großer Begeisterung ausgesucht hatte.

Schnell streifte ich mir mein weißes Top und meine rot karierte Schlafanzughose über und stolperte aus dem Bad. Dabei lief ich fast gegen Lesley, die auf mich zu warten schien.


Der Himmel in seinen AugenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt