Kapitel 35

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„Wo wart ihr so lange?", fragte Louis, als Liv und ich zur Tür hereingestolpert kamen. „Das Essen ist schon fast wieder kalt."

„Ich hoffe ja mal, dass ihr so etwas wie eine Mikrowelle habt", schnauzte Liv. „Danke, für die freundlich Begrüßung."

„Gerne doch", motzte Louis zurück.

Was war denn hier schon wieder los?

„Hey Schatz", begrüßte ich ihn und gab ihm im Vorbeigehen ein Küsschen auf die Wange. Ich zog Livs Koffer immer noch hinter mir her, den ich dann im Wohnzimmer abstellte.

Ich bedeutete Liv, in die Küche zu gehen, in der es schon herrlich nach Pizza roch.

Louis hatte es tatsächlich geschafft, drei Tiefkühlpizzen in unseren kleinen Ofen zu schieben.

„Das riecht ja gut", sagte Liv und ließ sich auf einen Stuhl fallen. „Hast du die gemacht?"

Louis verdrehte genervt seine Augen.

„Also, Annabell, ich an deiner Stelle würde niemanden heiraten, der nicht kochen kann", gab sie mir zu verstehen.

„Ich glaube, ich kann das besser als du. Du verbrennst dir am Ofen eh die Finger", zischte Louis.

„Was streitet ihr denn jetzt so?", fragte ich ziemlich genervt und ließ mich auf den Stuhl neben Liv fallen.

„Ach, heute ist alles komisch", murmelte Liv angestrengt.

„Was genau meinst du?" Louis schien jetzt doch interessiert an Liv zu sein.

Ich schüttelte meinen Kopf, weil ich genau wusste, was sie jetzt sagen würde und genau das tat sie auch. „Wir haben Finn, diesen Idioten getroffen. Der ist immer noch so ein Arsch."

Ich war kurz davor, mir meine Hand gegen die Stirn zu klatschen. Liv war echt nicht die hellste, was so etwas anging.

„Welchen Finn?"

„Der, mit dem ich mal zusammen war", verdrehte Liv die Augen, als wenn es eine Biografie über sie gäbe, die Louis in und auswendig kennen müsste.

Louis sah schockiert aus, fing sich aber schnell wieder. „Was wollte er denn?"

„Nerven, was sonst?", versuchte ich ihn abzuwimmeln, bevor Liv noch mehr ausplaudern konnte.

„Und wo habt ihr ihn gesehen?"

„Am Bahnhof. Er hat da auf irgendwen gewartet", plauderte Liv munter weiter und ich begann meine Schläfen zu massieren, bevor mein Kopf gleich explodierte.

Bitte erzähl nichts von unserem Essen, betete ich in meinem Kopf und sah die Beiden abwechselnd an.

„Und auf wen?"

„Was interessiert dich das denn so?", fragte ich, bevor Liv irgendetwas sagen konnte.

Langsam kam es mir so vor, als wenn Finn und Louis etwas miteinander zutun hätten. Also so richtig. Oder dachte er, dass ich etwas von Finn wollen würde? Ich hatte keine Ahnung, welche Theorie wahrscheinlicher war.

Liv nahm ein Stück von ihrer Pizza in die Hand und biss hinein, während sie genauso auf Louis Antwort wartete, wie ich es tat.

„Ich mochte ihn halt noch nie." Das war alles? Jetzt ernsthaft?

„Was willst du hier?", fragte ich ihn.

Es war komisch. Er stand einfach so vor meiner Wohnungstür, ohne zu sagen, was los war. Er tat so, als wäre es das Normalste der Welt, aber das war es keinesfalls.

„Ich dachte, ich besuche dich mal."

„Du kannst mich nicht einfach besuchen. Was willst du hier?" Ich wurde wütender und ich sah ihm an, dass ihn meine unhöfliche Art störte.

Aber was sollte ich tun? Ihn hereinbitten, als wären wir Freunde? Ich hatte Angst vor ihm. Ich spürte diese Angst in jedem Organ und jeder Faser meines Körpers. Mit ihm stimmte etwas nicht.

„Ich möchte dich sehen", sagte Finn und griff nach einer Strähne meines Haares, die mir ins Gesicht gefallen war.

Bei seiner Berührung erschauderte ich.

„Geh", bat ich ihn und sah mich nach hinten um. Louis war nicht dort.

„Was habe ich dir getan?", fragte er, jedoch mit einem wissenden Unterton.

Er schien besser zu wissen, als ich, wieso ich solch eine Angst vor ihm hatte. Wieso ich seine Art so komisch fand. Er schien alles zu wissen.

„Ich habe gesagt, geh", motzte ich nun. Ich war kurz davor, ihm die Tür vor der Nase zuzuknallen. Er konnte nicht einfach hier auftauchen und so tun als wäre alles normal. Woher wusste er überhaupt, wo ich wohne?

„Du willst nicht wirklich, dass ich gehe", zischte er.

Mein Körper erschauderte, als seine Augen wieder zu glühen begannen und er einen Fuß in die Tür stellte, damit ich sie ja nicht zumachen konnte.

„Doch, genau das möchte ich!", schrie ich mutig, weil ich keine andere Chance mehr sah, um ihn loszuwerden. Vielleicht hörte mich irgendwer im Treppenhaus und würde mir zur Hilfe eilen, doch es kam niemand.

In seinen Augen brannte jetzt ein Feuer und als ich ihn genau ansah, um auszumachen was es wirklich war, brannten meine Augen. Schützend hielt ich mir eine Hand davor und begann schmerzerfüllt zu stöhnen, als seine Hand meinen Arm packte.

Schweißgebadet schreckte ich hoch. Neben mir lag Louis und schlief friedlich. Livs Schnarchen aus dem Wohnzimmer konnte ich bis hier hören.

Ich beschloss, aufzustehen und mir einen Tee zu machen, damit ich wieder einschlafen konnte.

Normalerweise vergaß ich meine Träume immer sofort wieder, aber dieser ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Kaum zu glauben, dass Finns komische Art mich jetzt auch noch bis in den Schlaf verfolgte.

Ich schlürfte leise meinen Früchtetee. Dabei kam mir immer wieder das Bild von Finns roten Augen in den Kopf. Sowohl das vom Bahnhof, wie auch das aus meinem Traum. War Liv das wirklich nicht aufgefallen? Vielleicht bildete ich mir auch nur etwas ein, dass sich jetzt in meinem Kopf verankert hatte. Ich hasste so etwas. Jetzt konnte ich nicht mal mehr Fiktion und Realität unterscheiden.

Leise schlich ich wieder in mein Bett und kuschelte mich neben Louis. Ich musste noch wieder ein paar Schafe zählen, bis meine Augen von alleine zu fielen.

Im nächsten Moment fand ich mich auch schon in einem Wandschrank wieder und ich erinnerte mich, dass es der auf Lesleys Party war, die sie damals bei sich Zuhause veranstaltet hatte.

Louis stand vor mir und sah mich mit seinen leuchtenden blauen Augen an und ich spürte Erleichterung, als ich ihn wahrnahm und nicht Finn.

„Was ich hier tue? Die Frage ist wohl eher was du hier tust. Ich war gerade dabei, dieses Spiel zu spielen und du mischt dich einfach ein.", motze ich ihn automatisch an. An dieses Gespräch erinnerte ich mich noch. Er hatte mich retten wollen, davor mit diesem komischen Typen in den Schrank zu gehen, um sieben Minuten im Himmel zu spielen, oder wie das heißt

„Einmischen? Ich habe dich vor einem perversen gerettet."

Ich öffnete meine Augen und sah ihn an. „Ach so ist das. Du bist aber kein Perverser oder?"

„Nein." Er sah mir wütend in die Augen und ich erschrak, als auch in seinen Augen ein roter Schimmer war, der sich zu einem Feuer ausbreitete. Es war schlimmer, als bei Finn gewesen. Es war extrem.

Ich hatte einen fetten Schweißtropfen auf der Stirn, als ich meine Augen wieder öffnete.

Ich war mir absolut sicher. Das war kein Traum gewesen, sondern etwas aus meinem Unterbewusstsein. Eine verdrängte Erinnerung.

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Glaubt ihr, sie wird sich an alles erinnern?

Der Himmel in seinen AugenOpowieści tętniące życiem. Odkryj je teraz