Kapitel 34

45 13 1
                                    

Begeistert breitete ich meine Arme aus, als ich Liv auf mich zukommen sah.

Sie schlang ihre Arme um meinen Körper und aus dem Augenwinkel konnte ich erkennen, wie ihr Koffer neben uns umkippte, was sie aber nicht störte. „Endlich sehe ich dich wieder", freute sie sich. „Auch wenn der Anlass nicht der Beste ist."

„Hallo? Ich heirate!", sagte ich eingeschnappt, als sie mich wieder losließ.

„Ja, einen reichen Typen. Wir wissen beide, dass du das nur machst, um nicht alleine zu enden." Ich konnte an ihrem Gesichtsausdruck erkennen, dass das alles nur Spaß war. Wäre es anders gewesen, hätte sie auch gleich wieder in den Zug steigen können.

„Ich bin ja froh, dass du noch keinen bayrischen Akzent hast", lachte ich und griff nach ihrem Koffer. Ich machte einen Schritt vorwärts und Liv folgte mir zum Ausgang des Bahnhofs, wo mein Auto parkte.

„Ich auch. Also wenn ich manche da so reden höre, frage ich mich echt, ob es die richtige Entscheidung war, nach Süddeutschland zu gehen. Das geht einem ja mal so richtig auf die Nerven", beschwerte sie sich, als wir uns durch die Menschenmengen quetschten.

„Glaub ich dir." Nicht, dass ich etwas gegen Menschen aus Bayern hätte, aber Akzente störten mich im Allgemeinen. Sie waren manchmal nicht so mein Ding. Nicht auf Dauer.

„Und, hast du schon eine Vorstellung von einem Kleid?"

Ich schüttelte meinen Kopf. „Ich muss sie anhaben, um zu sehen, ob sie mir gefallen."

Liv und ich standen nun vor meinem, beziehungsweise Louis, Auto. Aber da wir ja bald verheiratet waren, sah ich es schon mit als meines an.

„Bitte sag mir, du fährst nicht immer noch sie mies, wie damals als du deinen Führerschein gemacht hast", jammerte sie, als sie ihren Koffer im Kofferraum verstaute.

Ich war echt nicht super gefahren, als ich meinen Führerschein gemacht hatte. Es war ein Wunder gewesen, dass ich meinen Führerschein überhaupt bekommen hatte, aber bei der Prüfung lief alles wie von Zauberhand.

„Annabell? Liv?", hörte ich plötzlich eine männliche Stimme hinter uns.

Liv drehte sich ruckartig um und sah dem dunkelhaarigen Typen direkt in die Augen. Die dunklen Haare passten immer noch nicht zu seinem Namen. „Finn?!" Liv schien schockiert zu sein.

„Lange nicht mehr gesehen", grinste er sie an, dann kam er zu mir. „Annabell, du hast dich nicht mehr gemeldet, nach dem Essen", sagte Finn ziemlich enttäuscht.

„Ich war sehr beschäftigt."

„Das sehe ich", antwortete Finn und deutete auf meinen Finger, an dem ich meinen Verlobungsring trug. Aus seinem Blick konnte man deuten, dass er irgendein Problem damit hatte. Wieso auch immer.

„Hochzeitsvorbereitungen sind echt anstrengend", laberte Liv, die keinen Plan davon hatte. Wahrscheinlich wollte sie mich einfach aus dieser unangenehmen Situation retten. „Was machst du hier am Bahnhof? Willst du wegfahren?", lenkte sie nun vom Thema ab.

Finn sprang sofort auf den Themenwechsel an. „Nein, ich habe nur jemanden gesucht, aber die Person ist wohl nicht hier", murmelte er geheimnisvoll.

Sofort stieg Neugierde in mir auf und ich wollte wissen, wen er gesucht hatte, aber er würde es wohl kaum sagen. Irgendetwas an ihm kam mir immer noch komisch vor und ich würde früher oder später herausfinden was.

„Wann ist denn der schöne Tag?", wollte er wissen und deutete wieder auf den Ring, der unter dem Licht der Sonne funkelte.

Liv war aufgefallen, dass sie vergessen hatte, den Kofferraum wieder zu schließen, was sie sofort nachholte.

„Bald", antwortete ich, in der Hoffnung, dass er nicht glaubte, dass er eingeladen wird. „Wir haben noch keinen genauen Termin."

„Damit will sie sagen, sie hat noch nicht einmal ein Kleid. Aber das werden wir ja bald nachholen. Oder nicht, Schätzchen?", laberte Liv weiter.

„Ja", gab ich nur zur Antwort. „Und, wie läuft dein Studium?", fragte ich Finn, um auch einen Themenwechsel zu machen.

„Mittlerweile auch ganz schön stressig", sagte er und lächelte dabei gespielt freundlich.

„Ich habe dir immer gesagt, dass studieren nichts für dich ist", kam Liv auf ihre frühere Beziehung zurück. Jetzt konnte es ja mal peinlich werden.

„Und ich treffe meine eigenen Entscheidungen", zischte Finn. „Außerdem hat mich deine Meinung nie wirklich interessiert."

Autsch. Ich konnte hören, wie ein Teil von Livs Herzen brach. Natürlich lag diese Beziehung schon eine halbe Ewigkeit in der Vergangenheit, aber Liv war jemand, der an Menschen hing, auch wenn man das manchmal nicht sonderlich merkte.

„Mich deine auch nicht", versuchte sie abzuwehren.

„Wir müssen dann auch langsam los", lächelte ich zu Finn herüber, bevor das hier noch ausartete.

„Stimmt", bestätigte Liv. „Ich freue mich ja schon so auf deinen fast Ehemann", lachte sie und warf Finn noch einen letzten bösen Blick zu, bevor sie auf der Beifahrerseite einstieg und die Autotür zuknallte.

„Was hat sie denn?", fragte Finn, als wenn er keine Ahnung hatte, was falsch gelaufen war.

Ich zuckte mit meinen Schultern, obwohl ich genau wusste, was los war. Diese Unterhaltung sollte sich nur nicht noch weiter in die Länge ziehen. „Man sieht sich", wollte ich mich verabschieden.

Für Finn schien das Gespräch aber noch nicht beendet gewesen zu sein. „Sehen wir uns denn wirklich noch mal wieder?"

Ich nickte. „Bestimmt. Aber ich muss jetzt echt los. Louis hat Essen gemacht. Das wird sonst kalt", entschuldigte ich mich.

Finn nickte mir noch einmal zu, bevor er sich von mir abwandte, wobei ich ein rotes Glühen in seinen Augen wahrnahm, was mich erschaudern ließ.

Ich sah auf die Straße und wartete, bis kein Auto mehr kam, um die Fahrertür aufzumachen und mich herein setzte.

„Irgendetwas stimmt mit dem nicht", sagte Liv.

„Schön, dass nicht nur ich das so sehe", sagte ich dankend, während ich mich anschnallte.

„Wie kann man nur so egoistisch sein. Einfach meine Gefühle verletzen", murrte sie. Liv schien also nicht dasselbe gemerkt und gesehen zu haben wie ich und ich wusste nicht, ob mich das beunruhigen sollte oder nicht.

„Ich verstehe es auch nicht", murmelte ich, um mir nicht anmerken zu lassen, dass ich ein ganz anderes komisches Gefühl bei ihm hatte. Ich fragte mich, ob Louis genau dasselbe Gefühl hatte, wie ich. Denn immerhin konnte er ihn nicht leiden. Aber ich konnte auch nicht einfach fragen, da ich mein Treffen mit ihm verschwiegen hatte.

„Sowas tut weh", sagte Liv.

Ich blickte nach hinten, um auszuparken.

„Ich meine, wir waren damals schon einen Monat oder so zusammen. Ich hatte Gefühle für ihn", führte sie ihr Selbstmitleid fort.

„Guck, du weißt nicht einmal mehr, wie lange ihr wirklich zusammen wart. Er kann dir egal sein. Das was er zu dir sagt, kann dir egal sein. Du musst ihn doch nie wiedersehen", gab ich ihr zu verstehen, als ich auf der Straße angekommen war.

„Glaubst du, er hat auf seine Freundin gewartet?", fragte Liv mich jetzt und sah mich mit einem traurigen Hundeblick an.

„Ich weiß es nicht", murmelte ich und fragte mich nun auch wieder, auf wen er gewartet hatte. „Aber das kann dir doch egal sein. Ihr habt euch jetzt drei Jahre oder so nicht mehr gesehen. Er ist Vergangenheit." Mir wäre es lieber gewesen, wenn Livs innerliche Schutzmauer nicht zum Einsturz gekommen wäre. Damit durfte ich mich jetzt die nächste Woche herumschlagen.

Finns Art und diese glühenden Augen gingen mir nicht mehr aus dem Kopf. Mit ihm stimmte etwas absolut nicht und ich wollte einfach nur, dass er sich von mir fernhielt. Da muss man ja Angst bekommen.

Der Himmel in seinen AugenOnde as histórias ganham vida. Descobre agora