„Denkst du, ich merke nicht, wie dein Puls höher geht, wenn ich da bin? Ein Arzt würde sagen, ich wäre nicht gut für dich, aber das wäre dir egal."

„Wäre es nicht."

Jetzt musste ich überlegen, ob Louis wirklich gut für mich war. Ja, ich fühlte mich bei ihm Geborgen, aber es gab so viele Aspekte die dagegensprachen, wie zum Beispiel unsere Flucht. Denn wenn er nicht wäre, würde sein Bruder mich nicht versuchen zu töten.

Nie hätte ich gedacht, dass mein Leben mal so kompliziert werden würde. Da war die Geschichte mit Lukas, im Kindergarten, vor dem Traualtar ja noch vergleichsweise einfach gewesen.

Anfangs hatte ich in Louis Augen gesehen, dass er mir das Herz brechen würde und ich fragte mich mittlerweile, wieso ich nicht auf diese Warnung gehört hatte. Vielleicht war es sogar eine Warnung Gottes gewesen? Ich würde es nie erfahren, aber ich war mir sicher, dass das eintreffen würde. Louis würde mein Herz irgendwann in tausend Teile zerschmettern, spätestens, wenn er gehen muss.

„Wieso wäre es dir nicht egal?", fragte er nun.

„Soll ich die Wahrheit sagen?"

„Ja, ich bitte darum."

Ich bekam Herzklopfen und überlegte, ob ich das jetzt wirklich tun sollte.

„Du bist der Grund, weswegen mein Leben so kompliziert gewesen ist. Nicht nur, dass ich mit dir gerade auf der Flucht bin, in irgendeiner Stadt, von der du mir nicht einmal den Namen verrätst, sondern auch, dass ich dein Verhalten absolut nicht deuten kann."

„Was meinst du mit letzterem?" Geplättet sah Louis mich an.

„Mal küsst du mich und mal weißt du mich komplett ab."

Louis schaute jetzt ein wenig frustriert und er schien zu überlegen, was er sagen sollte. „Das mit dem Abweisen könnte daran liegen, dass du immer weiter deine ganzen Fragen stellst. Ich möchte aber vielleicht auch einfach nicht über meinen scheiß Bruder reden. Für mich ist er doch schon lange gestorben", sagte Louis ein wenig angepisst.

„Für mich aber nicht und im Moment sieht es so aus, als wäre ich die, die sterben wird und nicht dein Bruder."

„Du wirst nicht sterben, verdammt!"

Ich verschränkte meine Arme vor meiner Brust. „Weil du so ein perfekter Aufpasser bist? Wenn du so gut auf mich aufpassen würdest, dann wäre ich nicht hier sondern Zuhause."

„Gut. Du willst nach Hause? Dann fahre ich dich morgen nach Hause. Wenn er dir was tut, bist aber du schuld."

Wie egal es mir gerade war, was er sagte, konnte man gar nicht beschreiben. Es ging in ein Ohr rein und es kam aus dem anderen wieder heraus.

Außerdem war, wenn er Schuld, wenn mir etwas passierte und nicht ich, da er ja angeblich jemanden ermordet hatte und so seinen Bruder wütend gemacht hatte. Ich war hier nur das Mittel zum Zweck. Für Elian um seinen Bruder etwas heimzuzahlen und für Louis um seine Prüfung zu bestehen und um nicht in die Hölle zu kommen.

Das Wasser rannte über meine Haut und endlich konnte ich mich mal wieder richtig entspannen. Das Problem war nur, dass man unter der Dusche auch begann, nachzudenken und zwar über alles. Der Streit mit Louis hatte mich ziemlich hart getroffen. Es erschien mir nicht so, als wenn er auf irgendeine Art Gefühle oder sonstiges für mich hätte. Ich war, wie schon gesagt, ein Mittel zum Zweck für ihn und deswegen war es mir egal, was er darüber dachte, dass ich wieder nach Hause wollte. Ich würde morgen fahren, ob mit oder ohne ihn. Folglich würde ich versuchen, die Sache mit Liv und Noah wieder gerade zu biegen. Liv hatte es zwar überhaupt nicht verdient, noch meine Freundin zu sein, doch eine Beste Freundin war wichtig und vielleicht hatte auch das schon etwas mit Elian zu tun. Nur war ich mit ihrer Beziehung zu Finn immer noch nicht glücklich und war mir sicher, dass er einen schlechten Einfluss auf sie hatte. Noah war mir so ans Herz gewachsen, ich wusste nicht mal genau warum. Es war hart für mich, als er mich neulich nicht mehr beachtet hatte. Er war zu einem normalen, aber dennoch wichtigen, Teil meines Lebens geworden, den ich nicht verlieren wollte und dafür würde ich auch Louis aufgeben, was ich wahrscheinlich sowieso müsste.

In Folge all dieser Gedanken rutschte ich an der Duschwand herunter, saß einfach nur dort unter dem laufenden Wasser und begann zu weinen. Ich spürte keine Tränen auf meinem Gesicht, da sie sich mit dem Wasser vermischten, aber ich wusste, dass sie dort waren. Es mussten viele gewesen sein und ich war mir auch sicher, dass Louis mein lautes Schluchzen hören konnte, jedoch war es mir egal. Er würde eh nicht kommen und wenn doch, nur damit ich auch ganz sicher keinen Selbstmord begehe. Aber er hatte mir erzählt, dass er es spürte, wenn etwas mit mir nicht stimmte, also würde er es wohl auch spüren, wenn es so weit war, dass ich mir die Pulsader aufschlitzte.

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Kurze Zwischenfrage:

Wie gefällt euch die Geschichte bis jetzt?

Der Himmel in seinen AugenWhere stories live. Discover now