Mein Herz machte noch einen schmerzhaften weiteren Aussetzer. Was meinte er mit Bruder? Louis hatte einen Bruder? Also war dieser Elian auch ein Engel?

„Annabell, beruhig dich", sagte nun Louis, der meine Aussetzer auch zu spüren schien. „Sie kann uns hören, oder?"

„Können wir ja ganz leicht ausprobieren. Annabell, wusstest du, dass dein Freund ein Mörder ist?", fragte Elian nun offensichtlich an mich gewandt.

Wieder ein stechender Schmerz in meiner Brust.

„Vielleicht solltest du anfangen zu reanimieren", schlug Elian in einer gleichgültigen Stimme vor. „Bis dann", waren seine letzten Worte, bevor er ging.

Mit jedem Schritt, den er machte, tat mein Herz ein bisschen weniger weh und desto lauter wurde dann auch Louis Stimme in meinem Kopf.

„Wach auf", flüsterte er in mir. Es schien jedoch nicht laut genug zu sein.

Als nächstes schoben sich seine starken Hände unter meinen Körper und hoben mich hoch.

Ich konnte nicht anders, als mich immer weiter zu stressen. Mir schossen tausende Fragen durch den Kopf. Wer war Elian gewesen und was hatte er gemacht? War er wirklich Louis Bruder? Und hatte er etwas mit meinem Autounfall und dem von Louis Adoptiveltern zu tun?

Langsam, mit zunehmendem Bewusstsein, spürte ich, wie mich jemand auf etwas weiches, vermutlich ein Bett legte. Dann legte jemand seine Hand auf meine Stirn und an der Wärme, die dann durch meinen gesamten Körper schoss, erkannte ich, dass es Louis sein musste.

„Fieber hast du auch nicht. Ich verstehe nicht, was er mit dir gemacht hat. So etwas ist noch nie passiert", murmelte er vor sich hin, da er wohl dachte, ich könnte ihn nicht hören.

Wo hatte er mich hingebracht?

„Wach auf!", hörte ich ihn mittlerweile alle zwei Sekunden in meinem Kopf rufen.

Ich kann nicht, wollte ich ihm antworten, doch es funktionierte nicht.

Ich spürte, wie mich jemand zudeckte.

„Ich weiß, ich habe dir versprochen, dir alle deine Fragen zu beantworten, aber es ist zu früh, Annabell. Wahrscheinlich wird es einfach nie den richtigen Zeitpunkt dafür geben, denn er würde dich umbringen und das versucht er so schon. Wenn ich dich retten könnte, dadurch das ich gehe, dann würde ich es sofort tun, aber es würde einfach nichts bringen. Es tut mir so leid, dass ich dich in all das hier mit reingezogen habe", sagte Louis in einem verzweifelten Tonfall. „Er hasst mich, obwohl ich für alles, was ihm widerfahren ist, nichts kann. Wäre auch nur zu schön, wenn er darüber mit mir reden würde. Aber reden bedeutet ihm nichts. Er will mich in der Hölle sehen und das wird er, wenn er dich tötet."

Ich würde gerne sagen, dass sich langsam alle Puzzleteile fügten, doch sie glitten für mich immer weiter auseinander, mit jedem Wort was er sagte. Mir fehlten die wichtigen Teile, die ich brauchte, um alles zusammenzusetzen und ich schwöre, wenn ich aufwachen würde, würde ich sie finden, auch wenn Louis strikt dagegen war.

Ich würde ihn und mich aus all dem hier befreien, damit wir eine normale Beziehung führen konnten.

Nun überkam es mich und Louis schrie wieder durch meinen Kopf. „Wach auf!" Das Adrenalin fuhr von meinem Herzen aus in meine Arme, Beine und dann auch endlich in meinen Kopf. Erschrocken öffnete ich meine Augen und japste nach Luft.

„Annabell", schrie Louis erleichtert auf. Er strich mir sanft meine Haare aus dem Gesicht und versuchte mich zu beruhigen. „Alles ist gut."

„Du bist ein Mörder?", kam es nur so aus mir hervor. Und obwohl ich diese Frage noch nicht direkt stellen wollte, war es schon zu spät.

„Beruhig dich doch erst einmal", versuchte er mich abzuwimmeln.

„Sag es mir", flehte ich und begann wieder nach Luft zu japsen. Das atmen schien ich in der Zeit, wie lang sie auch gewesen war, wohl ein wenig verlernt zu haben.

„Ich sage dir im Moment gar nichts. Ich muss nämlich auf dich aufpassen und dann funktioniert das nicht mehr."

„Du passt gerade nur auf dich auf", meckerte ich.

„Ich habe gesagt, du sollst dich beruhigen, Annabell", meckerte nun auch er und seine Augen begannen sich schon rot zu färben.

Eingeschnappt folgte ich dem, was er sagte und blieb lieber still.

„Ich passe auf uns beide auf", erklärte Louis mir nun.

Nach und nach war ich bereit dazu mich aufzusetzen und sah mich in dem kleinen Zimmer um und ignorierte Louis dabei völlig. Ich saß auf einem kleinen Himmelbett, das mit lilaner Bettwäsche bezogen war. Die Wände hatten eine weiße Tapete und an der Wand standen auch ein paar moderne Möbel aus Holz, wie zum Beispiel ein Kleiderschrank.

Ich kannte das Zimmer nicht, was mit umso mehr verwirrte. „Wo bin ich hier?", fragte ich nun.

„Weit weg, wo dich keiner findet."

Schlagartig kam mir wieder Louis Spaß von vorhin in den Kopf von wegen, dass er mich nicht entführen wolle. Hatte er sich alles nur ausgedacht und jetzt war ich hier und er würde mich gleich vergewaltigen?

„Du Idiot", schrie ich ihn an, was die Situation nicht unbedingt besser machte.

„Was ist denn jetzt los?" Louis sah mich total verwirrt an, mit seinem Das-Ist-Zu-Deinem-Besten-Blick.

„Ich will zu meiner Mama", fing ich an zu jaulen, wie ein kleines Kind.

„Deine Mama wird dich nicht vermissen. Ich rufe sie gleich an."

„Ach so. Und was sagst du ihr dann bitte? Das ich bei dir sitze, obwohl du ein Mörder bist und ich von deinem Bruder mal wieder fast umgebracht wurde, von dem ich nicht mal wusste, dass es ihn gibt, aber der mich offenbar zu hassen scheint?!"


Der Himmel in seinen AugenWhere stories live. Discover now