Chapter 76

534 30 6
                                    

Wir waren mittlerweile in einer kleinen Wohnung angekommen und ich hatte es mir mit Kat auf einem der Betten gemütlich gemacht, während Nadia mit Silas telefonierte.

"Erzähl mir, was er sagt", flüsterte Kat leise in mein Ohr und ich grinste leicht. Dass sie auch immer so neugierig sein musste.

"Er ist ziemlich wütend, dass wir ihm entkommen sind. Und er verlangt, dass Nadia uns sofort ausliefern soll. Was sie aber glücklicherweise nicht vorhat."

"Okay, jetzt reicht es mir." Bevor ich sie aufhalten konnte, stand Kat auf und griff nach Nadias Handy, um selbst mit Silas zu sprechen. "Was wollen Sie von mir?"

Aufmerksam richtete ich mich auf, während ich ihrem Gespräch zuhörte. Das war äußerst interessant. Kats Blut sollte jetzt das Heilmittel gegen Vampirismus sein? Das würde so einiges schwieriger machen...

Zum Glück riss Nadia meiner Freundin das Handy aus der Hand, bevor die noch etwas Unüberlegtes sagen konnte. "Was soll das? Wenn Silas nur mein Blut braucht, dann bitte. Soll er es doch haben. Ich treffe mich mit ihm, gebe ihm ein paar Tropfen von meinem Blut, und kann dann wieder frei leben."

"So wird das nicht funktionieren, Katherine. Dein Blut ist das Heilmittel, aber ein paar Tropfen werden dafür nicht genügen. Um wieder menschlich zu werden, muss Silas dein ganzes Blut trinken. Du würdest sterben."

Seufzend ließ ich mich zurück aufs Bett fallen. Natürlich, wieso sollte es auch mal einfach sein? Genervt schloss ich meine Augen und hörte dem Gespräch neben mir nur noch am Rande zu.

"Wieso interessiert es dich überhaupt, ob Silas mich tötet oder nicht? Was willst du von mir, wenn du nicht das Heilmittel willst?"

"Das ist weder der richtige Ort noch der passende Zeitpunkt, um darüber zu sprechen, Katherine. Du solltest deine Klappe halten."

"Na ja, so wie es aussieht, werden wir in nächster Zeit nirgendwo hingehen. Also können wir uns genauso gut jetzt unterhalten, oder etwa nicht?"

Vorsichtig öffnete ich meine Augen wieder. Wenn Kat diese Nadia noch ein wenig weiter provozieren würde, hätten wir bald schon größere Probleme als Silas. Seit Kat ein Mensch geworden war, überschätzte sie ihre Kräfte andauernd und brachte sich mit ihrer Art immer wieder in Gefahr. Doch zu meinem Überraschen gab Nadia nach und setzte sich seufzend Kat gegenüber.

"Ich habe dich schon mein ganzes Leben lang gesucht", fing sie leise an. "Ich habe mich sogar in einen Vampir verwandeln lassen, nur um dich jagen zu können. Deshalb will ich nicht, dass Silas dich in die Hände bekommt. Ich wollte dich mein ganzes Leben lang finden, das wird Silas mir nicht wegnehmen."

"Okay, du bist also ein Feind aus meiner Vergangenheit. Wie poetisch. Aber wer bist du? Normalerweise kann ich mich daran erinnern, wenn ich mir irgendwo Feinde mache. Was habe ich dir getan?"

"Es war 1645 in Paris. Du hast meine Mutter umgebracht. Einige Männer von Klaus waren auf der Suche nach dir und du hast ihnen erzählt, meine Mutter sei die gefährliche Katerina Petrova, nach der sie suchen. Du bist entkommen, aber meine Mutter wurde umgebracht. Ich will nichts weiter als meine Rache."

Skeptisch zog ich eine Augenbraue hoch und richtete mich langsam auf. Das klang tatsächlich nach etwas, was Kat tun würde, um zu fliehen, aber irgendetwas störte mich an dieser Geschichte.

Bevor ich aber auch nur irgendeinen meiner Gedanken äußern konnte, griff Kat nach einem Stuhl und rammte ein Holzbein mit aller Kraft in Nadias Brustkorb. Nicht meine bevorzugte Wahl, aber was soll's. "Komm, verschwinden wir hier", meinte ich, aber Kat bewegte sich nicht von der Stelle.

"Warte. Ich will zuerst die Wahrheit wissen." Sie drehte sich wieder zu Nadia um und mir blieb nichts anderes übrig, als mich nervös an die Tür zu stellen, um sicher zu gehen, dass niemand uns gehört hatte. Kat konzentrierte sich währenddessen ganz auf den Vampir vor sich. "Also gut, lassen wir die Spielchen. Deine kleine Geschichte war ja ganz nett, aber sie ist vollkommen erfunden, nicht wahr? Es klingt nach etwas, das ich tun würde, ohne auch nur darüber nachzudenken, aber deine Geschichte hat einen Haken. Klaus hat mich zu diesem Zeitpunkt schon seit mehr als einem Jahrhundert gesucht. Niemand seiner Männer wäre noch so dumm gewesen, eine andere Frau für mich zu halten. Jetzt sag mir, was wirklich passiert ist. Was willst du von mir?"

"Du... Du hast meine Mutter tatsächlich umgebracht", flüsterte Nadia, die offensichtlich Schwierigkeiten hatte, mit dem Holz in ihrer Brust zu atmen. "Aber es war nicht in Paris und es war auch nicht 1645. Es war der 6. April 1492, und es war in einem kleinen Dorf in Bulgarien."

Bei diesem Datum spannte sich alles in mir an. Kat hatte mir nur ein einziges Mal von diesem Tag erzählt, und doch hatte ich das Datum nie vergessen. Das war unmöglich, Nadia musste lügen. Aber sie klang völlig aufrichtig, als sie meiner Freundin in die Augen sah und weiterredete. "Du hast einen Strick genommen, ihn um deinen Hals gewickelt und dich umgebracht. Nur dass du Vampirblut im Körper hattest und deshalb zurückgekommen bist. Mein Name ist Nadia Petrova. Und du bist meine Mutter."

Fassungslos starrte ich die Frau vor mir an und erst jetzt bemerkte ich die Ähnlichkeit. Die Nase, die Augen... Es war so unwahrscheinlich, dass Kats Tochter überlebt haben sollte. Und doch saß diese Frau jetzt hier und wusste Dinge, die nur die wenigsten je über Kat in Erfahrung bringen konnten. "Wenn das wahr ist... Dann habe ich nur eine einzige Frage", flüsterte Kat leise. "Wo warst du 1498?"

"Ich... keine Ahnung. Da war ich gerade erst acht Jahre alt, ich weiß nicht mehr, wo ich da war. Wieso?"

Ich unterdrückte ein leises Seufzen. Wenn sie nur vorspielen würde, Kats Tochter zu sein, hätte sie gelogen und sich irgendeine Antwort ausgedacht. Aber so eine ehrliche Antwort konnte nur eines bedeuten. Es war tatsächlich wahr.

"Weil ich in diesem Jahr zurückgekehrt bin. Ich habe jedes einzelne Dorf nach dir abgesucht, aber ich konnte dich nirgendwo finden. Ich war mir sicher, dich für immer verloren zu haben. Ich war mir sicher, dass du tot warst."

"Du... Du bist zurückgekommen? Für mich?"

"Selbstverständlich bin ich das. Man kann vieles über mich sagen, aber ich habe dich geliebt. Es freut mich, dich jetzt kennenlernen zu dürfen, Nadia."

Mysteries - The Story of Emily SalvatoreWo Geschichten leben. Entdecke jetzt