Chapter 44

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Ich wollte nur noch schlafen, aber unglücklicherweise wollte mir das einfach nicht gelingen. Es war eine Sache, vor den Urvampiren davonzulaufen, aber eine ganz andere, einem zu begegnen. Sobald ich meine Augen schloss, sah ich wieder Elijah vor mir, wie er auf mich herabsah, während ich ihm hilflos ausgeliefert auf dem Boden lag.

Kat hatte mir erzählt, dass er im Vergleich zu Klaus noch das kleinere Übel war. Sie hatte sogar mal etwas mit den beiden gehabt, als sie noch ein Mensch war. Ihr Männergeschmack war wohl eines der wenigen Dinge, die ich nie verstehen würde. Wie konnte man nur einen Mann wie Elijah lieben, der nicht nur drohte und mordete, sondern sich dabei auch noch jede einzelne Sekunde im Recht sah? Nein, das konnte ich einfach nicht nachvollziehen. Wobei es mich eigentlich auch immer störte, wenn ich an Kats alte Männergeschichten dachte.

Ich wusste nicht, wann ich das letzte Mal so eine Angst gehabt hatte wie heute Abend. Vermutlich noch nie. Ich war darauf vorbereitet gewesen, dass ich früher oder später auf einen Urvampir treffen würde, aber ich hatte nicht geahnt, dass mich das so mitnehmen würde. Ich wünschte, ich könnte mit Kat darüber sprechen, aber in diesem Zustand traute ich mich nicht aus dem Haus.

Mehrere Stunden lag ich wach und starrte nur ins Leere, bis mich irgendwann gegen Morgen doch die Erschöpfung überrannte. Ich hatte dank der Werwölfe viel Blut verloren, ich musste mich ausruhen. Wenn ich jedoch gewusst hätte, was mich aufwecken würde, hätte ich mir das noch einmal überlegt. Denn als ich am frühen Abend wieder aufwachte, hörte ich als erstes die Stimme von Elijah, der unten meinen Zwillingsbruder begrüßte.

"Ich möchte Sie nur noch einmal daran erinnern, dass Sie - falls Sie irgendwelche unehrenhaften Absichten haben - das noch einmal überdenken sollten. Denn wenn Sie mich auch nur im Geringsten kränken sollten, werde ich den Deal mit Elena ignorieren und jeden einzelnen in diesem Haus töten. Angefangen mit Ihrer Schwester. Habe ich mich deutlich ausgedrückt?"

Sofort schlug mir das Herz bis zum Hals und ich verfluchte Elijahs Vampirgehör dafür, dass er das vermutlich hören konnte. Ich wollte nicht, dass er wusste, wie panisch ich nur bei seiner Stimme wurde.

"Mehr als deutlich. Aber keine Sorge, ich habe nichts vor. Ich finde nur, wir sollten uns kennenlernen." Damon war immer ein guter Lügner gewesen, aber selbst oben konnte ich mir denken, dass er alles andere als gute Absichten hatte. Ich wusste, dass er und Stefan einen der Dolche hatte, mit denen man einen Urvampir außer Gefecht setzen konnte. Katherine hatte mir erzählt, dass sie dafür gesorgt hatte, dass meine Brüder ohne jeden Zweifel an seine Wirkung glaubten. Und sobald Elijah erst mal vorübergehend tot war, wäre seine Manipulation aufgehoben und Kat wäre wieder frei. Nicht erzählt hatte sie meinen Brüdern aber, dass jeder Vampir, der den Dolch benutzte, daran sterben würde. Das hatte eigentlich ich übernehmen wollen. Nur war mir nicht klar gewesen, dass Damon es so eilig hatte, Elijah umzubringen. Ich hatte gedacht, ich würde mehr Zeit haben.

"Isst Ihre Schwester nicht mit uns, Damon?", fragte Elijah unten und ich unterdrückte ein Stöhnen. Ich hatte gehofft, Damon die Sache mit dem Dolch irgendwie mitteilen zu können und mich dann oben zu verstecken, bis alles vorbei war. Daraus wurde jetzt wohl nichts.

"Sie schläft, sie hatte eine anstrengende Zeit." Damons Antwort zauberte mir ein Lächeln auf die Lippen, aber ich wusste, dass Elijah nicht nachgeben würde. Was er auch nicht tat.

"Oh, ich bin mir sicher, sie gerade oben gehört zu haben. Wir wollen sie doch nicht ausschließen, schließlich findet diese nette Dinnerparty auch in ihrem Haus statt."

"Schon gut, ich bin gleich unten", meinte ich in das leere Zimmer hinein, in dem Wissen, dass die beiden mich unten bestens verstehen würden.

Schnell stand ich auf und machte mich fertig, atmete einige Male tief durch. Ich würde das schon überstehen, für Kat und für meine Brüder. Ich musste nur Damon davon abhalten, den Dolch selbst zu benutzen und hoffen, dass irgendeiner der Menschen unten das tun würde. Vielleicht ja Alaric, oder Damons neue Freundin. Am besten John Gilbert, den konnte ich eh nicht leiden. Wenn dann etwas schief gehen sollte, würde ich um ihn nicht trauern. Jenna schloss ich mal lieber aus, sie wusste ja nicht mal, dass es Vampire gab. Wieso war die überhaupt hier?

Mit einem letzten Blick in den Spiegel setzte ich ein Lächeln auf und ging dann nach unten ins Esszimmer. "Hallo zusammen. Schön, Sie alle mal persönlich kennenzulernen."

Besorgt sah Damon mich an, aber ich schüttelte nur kaum merklich mit dem Kopf. Wir konnten später in Ruhe reden, jetzt war weder die passende Zeit noch der passende Ort.

Während des Essens hörte ich den Gesprächen am Tisch kaum zu. Elijah redete über irgendein altes Hexenmassaker, aber meine Gedanken waren nur bei der Frage, wie ich Damon unauffällig erzählen konnte, dass nicht er den Dolch verwenden sollte, ohne dass Elijah darauf aufmerksam wurde.

Als die Männer sich jedoch in ein anderes Zimmer zurückziehen wollten, wurde mir klar, dass ich keine Zeit mehr hatte. Ich musste etwas tun, wenn ich nicht wollte, dass mein Bruder sich umbrachte. Also folgte ich Damon und Elijah stur, als sie in ein Nebenzimmer gingen und lächelte die beiden so freundlich wie möglich an. "Entschuldigt die Störung, aber deine Freundin hat nach dir gefragt, Damon."

"Es ist gerade ungünstig", antwortete er mir mit einem falschen Lächeln und hatte den Nerv, mir hinter Elijahs Rücken den Dolch zu zeigen.

"Es ist aber wichtig, Damon. Elijah kann sicher ein paar Minuten auf deine Anwesenheit verzichten. Wahrscheinlich nervst du ihn eh nur, also komm."

Elijah bedeutete uns nur mit einer Handbewegung, dass wir ruhig gehen sollten. Das erleichterte mich ungemein, ansonsten wäre das noch schwieriger geworden. Während ich Damon mit zu Andie zog, weil wir ja jetzt so tun mussten, als ob sie wirklich etwas wollte, tippte ich eine Nachricht für ihn in mein Handy ein.

Der Dolch würde dich umbringen. Nur ein Mensch kann ihn benutzen.

Schockiert sah Damon mich an und ich machte nur mein Du-hättest-mich-eher-fragen-sollen-Gesicht, bevor ich ihn mit seiner Freundin allein ließ. Das war knapp gewesen. Wieso musste sich Damon auch immer in alles einmischen?

Mysteries - The Story of Emily SalvatoreWhere stories live. Discover now