Chapter 63

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Zwei Tage. Zwei Tage verbrachten Kat und ich jetzt schon auf diesem Friedhof und versuchten vergeblich, Mikael wiederzuerwecken. Anna hatte ihr Wort gehalten und uns durch Jeremy zu dem vampirjagenden Vampir gebracht. Er lag in einem Sarg, mit schweren Eisenketten gefesselt und vollkommen ausgetrocknet. Eigentlich sollte es leicht sein, einen ausgetrockneten Vampir wiederzuerwecken. Ein paar Liter Blut sollten genügen, damit er aufwacht. Aber aus irgendeinem Grund reichte es bei diesem besonderen Vampir nicht. Wir hatten schon alles probiert: Trauernde Friedhofsbesucher, Vögel, sogar Ratten. Es war wirklich nicht schön, Ratten fangen zu müssen, und zeitweise fragte ich mich, ob Mikael diesen Aufwand wirklich wert war. Wie machte Stef das nur immer? Er ernährte sich schließlich nur von Tierblut und das war nicht leicht zu bekommen. Ich würde spätestens nach ein paar Tagen mit seiner Tierblutdiät aufhören und das nur, weil ich keine Lust darauf hatte, hinter irgendwelchen Viechern herzurennen.

Kat war gerade dabei, mal wieder zu versuchen, Mikael mit einer Ratte zu füttern, als mein Zwillingsbruder anrief.

"Was braucht ihr so lange? Seid ihr schon mit Mikael abgehauen und habt uns allein gelassen?"

Genervt verdrehte ich die Augen. Damon hatte wirklich überhaupt kein Vertrauen. Obwohl ich das irgendwie sogar verstehen konnte. "Nein, wir versuchen immer noch, ihn zu wecken. Aber er will einfach kein Blut trinken."

"Dann müsst ihr euch etwas einfallen lassen. Er ist ein Vampir, der seit wer weiß wie vielen Jahren ausgetrocknet in einem Sarg liegt. Er wird Hunger haben. Bringt ihn einfach dazu zu essen."

"Wenn es so einfach ist, kannst du ja gerne herkommen und es selber probieren. Ach, ich hab vergessen, dass es wichtiger ist, dass du Tag und Nacht bei Elena bist", antwortete ich zickig. Ich war genervt, dass wir seit Tagen auf einem Friedhof schlafen mussten, während mein Bruder sein schönes Leben in Mystic Falls genoss. Er sollte mit uns hier sein. Trotzdem merkte ich selbst, dass ich nicht ganz fair war. Ich an Damons Stelle hätte mich nicht anders verhalten. Nur weil ich die letzten zwei Nächte auf dem Steinboden einer Gruft geschlafen hatte, musste ich das ja nicht gleich an meinem Bruder auslassen. Also seufzte ich leise auf und atmete tief durch. "Okay, wir versuchen es weiter. Irgendwann wird Mikael ja trinken müssen. Ich melde mich, wenn er aufwacht."

Damon antwortete nichts mehr und ich legte auf, während Kat nach draußen ging, um den nächsten Menschen hier reinzubringen.

"Glaubst du wirklich, dass das funktionieren wird? Wir haben schon so viele Menschen über ihm fast ausbluten lassen und er hat bisher nicht einmal gezuckt", meinte ich zweifelnd, biss dem Mann aber ins Handgelenk, um es Mikael auf den Mund zu drücken.

"Es muss funktionieren", antwortete Kat. "Wenn er nicht aufwacht, ist er nutzlos für uns. Und ich bin nicht bereit, einfach zu akzeptieren, dass diese Spur ins Nichts führt."

Ich wollte gerade etwas erwidern, als Mikael plötzlich seine Augen öffnete. "Nimm das weg", flüsterte er leise und ich tauschte einen erleichterten Blick mit Kat. Das ist mehr als wir bisher geschafft hatten. Auch wenn er immer noch nichts trinken wollte, war er wenigstens schon mal wach.

"Sie müssen etwas trinken", versuchte ich ihn zu überzeugen, zog aber den Menschen wieder vom Sarg weg. Mikaels nächste Worte erleichterten mich noch mehr als sein plötzliches Erwachen.

"Ich kann Niklaus töten. Ich habe eine Waffe. Sie müssen mich nur befreien."

Kat und ich tauschten einen kurzen Blick und sie zuckte leicht mit den Schultern. Wir hatten nichts zu verlieren. Also griff ich nach den Ketten, die Mikael festhielten und befreite ihn von ihnen.

"Okay, aber Sie müssen trotzdem etwas trinken", wiederholte Kat meine Worte.

Mikael flüsterte irgendetwas, aber ich konnte ihn selbst mit Vampirgehör nicht verstehen. Kein Wunder, seine Stimmbänder waren vermutlich noch halb vertrocknet. Wenn er sich weiter weigerte, Blut zu sich zu nehmen, würde er es nicht mal mit Klaus' schwächsten Helfern aufnehmen können, geschweige denn mit dem Urhybriden selbst.

Meine Freundin beugte sich über ihn, um ihn besser verstehen zu können. "Kat, bist du sicher, dass es eine gute Idee ist, so nah an ihn ranzugehen?", fragte ich leise, aber noch bevor ich meine Worte ganz ausgesprochen hatte, hatte Mikael bereits nach Kats Kopf gegriffen und sie näher zu sich herangezogen, um seine Zähne in ihren Hals zu bohren. Er trank also Blut von anderen Vampiren? Das war wirklich krank. Natürlich hatten Kat und ich auch schon gegenseitig unser Blut getrunken, aber das war etwas vollkommen anderes. Ich hatte noch nie von einem Vampir gehört, der sich von anderen Vampiren ernährte.

Sofort versuchte ich, Kat von Mikael wegzuziehen, aber er war erstaunlich stark für einen Vampir, der seit Jahrzehnten in einer Gruft austrocknete. Innerhalb von Sekunden brach meine Freundin bewusstlos zusammen und bevor ich uns beide hier wegbringen konnte, stand Mikael direkt vor mir.

"Entschuldige, aber ich habe wirklich Hunger", meinte er. Das nächste, was ich spürte, waren seine Zähne in meinem Hals. Ich hätte nicht erwartet, dass das so schmerzhaft sein würde. Wenn ich in Zukunft von Menschen trinken würde, würde ich mehr darauf achten, dass ich sie vorher manipuliere, keinen Schmerz zu empfinden. Falls Kat und ich diese Begegnung überhaupt überleben würden. Das war mein letzter Gedanke, bevor alles schwarz wurde und ich neben meiner Freundin zu Boden fiel.

Ich wachte auf mit dem Geschmack von Blut im Mund. Instinktiv schluckte ich das Blut und fühlte sofort, wie es mir besser ging. Blinzelnd öffnete ich meine Augen und sah, wie Kat über mir kniete und mir ihr Handgelenk auf den Mund drückte.

"Endlich, du bist wieder wach." Meine Freundin atmete erleichtert auf und ich löste meinen Mund von ihrem Handgelenk. Sofort richtete ich mich auf und sah mich um. Wir waren immer noch in der Gruft, aber wir waren allein.

"Wo ist Mikael?"

"Er war schon weg, als ich aufgewacht bin. Ich denke, wir können froh sein, dass er uns keinen Pfahl ins Herz gejagt hat, als wir bewusstlos waren."

"Wie geht es dir?", fragte ich besorgt, als mir wieder einfiel, dass sie selbst auch von Mikael ausgesaugt wurde.

"Alles in Ordnung. Ein bisschen Blutverlust bringt einen Vampir zum Glück nicht gleich um. Aber ich habe Hunger und du sicherlich aus. Lass uns jemanden trinken gehen. Und dann rufen wir bei deinem Bruder an, um ihm zu sagen, dass ein psychopathischer Vampirjäger auf dem Weg ist, um Klaus zu töten."

Mysteries - The Story of Emily SalvatoreWhere stories live. Discover now