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Der Bunker war beleuchtet

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Der Bunker war beleuchtet. Und doch war er zu wenig grell, zu wenig hell dafür, dass es bald Weihnachten war.
Stattdessen kam er dem Jungen beinahe unheimlich vor, weil die großen Lampen lange Schatten an die Wände warfen, die wie Ungeheuer aussahen.
Die Wände waren ebenso trist. Der Junge hätte beinahe „hässlich" gesagt, aber er wollte nicht undankbar erscheinen. Weil er ein Kind war, würde er laut seinem Vater sowieso eine Sonderbehandlung bekommen. Der Rat ist schlau, sagte der Vizepräsident zu seinem Sohn. Der Rat kümmerte sich um die Schwachen.
Aber war das genug? Würden alle Menschen einen Platz im Bunker erhalten? Waren die unheimlichen Hallen groß genug?
Darüber hatte der Mann geschwiegen.

Die Wartezeit bis zur Nacht ist zäh. Die Stunden ziehen sich ewig hin, was mich fast verrückt macht, weil ich ständig erwarte, dass die Polizei in meinen Raum kommt und meinen fassungslosen Eltern erklärt, dass ich jetzt aufgrund eines Aufstands festgenommen werde. Ich habe das Gefühl, dass ein Nachmittag noch nie so lange gedauert hat. Zum Mittagessen mache ich Pasta, was meine Mutter mit einem verwunderten Gesichtsausdruck quittiert, weil ich eigentlich nicht mit dem Kochen dran gewesen wäre, sondern sie. In ihrem Blick sehe ich Sorge, aber ich habe nicht gekocht, weil ich etwas wiedergutmachen möchte. Ich habe unser Lieblingsessen gekocht, um einen stummen Abschiedsgruß zu verlauten.
Auch wenn sie das vermutlich nicht bemerkt hat, weil meine Eltern nie auch nur mit dem Gedanken spielen würden, dass ich etwas Verbotenes getan habe und deshalb untertauchen muss. Ich lasse sie in ihrem Unwissen schwelgen - wenigstens noch für diese zweite Tageshälfte. Die Lüge fühlt sich einfach zu schön an, um sie auffliegen zu lassen.

Als es Abend wird, breitet sich eine melancholische Stimmung in mir aus. Ich checke meinen Rucksack, gehe zum zehnten Mal die Sachen durch, die ich für die Wartezeit zur dritten Phase und in der Testzeit selbst brauchen werde. Am unruhigsten macht mich aber nicht die Tatsache, dass mir jedes Mal etwas Neues einfällt, was ich mitnehmen könnte, sondern die Ungewissheit, die mich plagt und die Frage aufwirft, was danach passieren wird. Ich habe eine Bekannte im Kopf, zu der ich gehen kann, aber ich weiß weder, ob sie noch bei der Adresse wohnt, die ich vor einigen Jahren ständig besucht habe, noch, ob sie sich bereiterklärt, mich nach all den Jahren zu sich aufzunehmen.

Beim Abendbrot löchern meine Eltern mich mit Fragen zum Test, die ich aber abblocke. Wenn ich von meinem Essen hochschaue und ihren Blicken begegne, glaube ich jedes Mal, in ihnen Misstrauen zu sehen. Glauben sie mir, glauben sie mir nicht? Ich kann es nicht einschätzen, aber was ich sicher weiß, ist, dass ich es nach dem Essen keine Sekunde länger neben ihren fragenden und doch irgendwie wissenden Mienen aushalte. Beim Aufräumen lasse ich beinahe ein Glas fallen, so sehr bin ich neben der Spur, und als meine Mutter mich mit hochgezogen Augenbrauen darauf anspricht, höre ich sie beim ersten Mal nicht, weil ich mir gerade ausmale, was passieren würde, wenn in diesem Moment die Polizei an unsere Haustür klopfen würde.

Endlich wieder in meinem Zimmer angekommen möchte ich am liebsten leise aufseufzen, weil ich die beiden Essen mit meiner Familie überstanden habe, und gleichzeitig in Tränen ausbrechen, weil es die letzten Male waren.
Je später es wird, desto schwerer wird mein Herz, desto heftiger schnürt sich meine Brust zu. Die daraus resultierende Anspannung gibt mir das Gefühl, langsam aber sicher ersticken zu müssen. Es ist zum Verrücktwerden.

Ich verbringe ein paar Stunden damit, die Decke anzustarren und über mein Outfit nachzugrübeln - was trägt man denn zu einer Flucht - oder ist es doch eher ein Ausbruchsversuch? -, bis ich die paar Tränen von meiner Wange wische, die ich geweint habe, und mich langsam aufrichte. Ich schaue auf meinen Wecker. Kurz vor zehn.
Nachdem ich von meinem Bett aufgestanden bin, ziehe ich den Rucksack, der mittlerweile ziemlich ausgebeult ist, unter meinem Bett hervor und überprüfe nochmal seinen Inhalt, bevor ich ihn sorgfältig wieder zurückschiebe. Ich habe alles, versuche ich, mein klopfendes Herz zu beschwichtigen. Nur meine Flasche steht immer noch unten auf dem Küchentresen, aber daran kann ich momentan nichts ändern.
Ich ziehe einen Schlafanzug an, dann tapse ich mit nackten Füßen aus dem Zimmer und die Treppe hinunter. Meine Vater schaut von einem Wissensmagazin auf, meine Mutter lächelt.
„Ich gehe ins Bett, gute Nacht", flüstere ich. Meine Stimme klingt heiser, mein Lächeln ist angestrengt. Wortlos setze ich mich zu ihnen und ziehe meine Mutter in meine Arme. Für einen Moment erwidert sie meine Umarmung nur steif und überrascht, doch dann spüre ich, wie sie die Arme um mich schließt und mich ganz fest hält. Die Intensität unserer Berührung raubt mir schier den Atem. Ich frage mich, wann wir uns das letzte Mal so gehalten haben. Und plötzlich, inmitten von unsicherer Berührung und ängstlichen Gedanken an die Zukunft, habe ich das Gefühl, meine Mutter würde mich verstehen.

Intelligent - Phase 3Where stories live. Discover now