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Ich kann das Bild von Urays Leiche nicht aus meinem Kopf verbannen, egal, wie sehr ich es auch versuche

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Ich kann das Bild von Urays Leiche nicht aus meinem Kopf verbannen, egal, wie sehr ich es auch versuche. Wieder in meinem Bett kann ich mich nicht mehr erinnern, wie ich überhaupt wieder zu unserem Zimmer gekommen bin. Wie in Trance starre ich an die Decke, lausche Sams ruhigem Atem neben mir, während ich das Geschehene Revue passieren lasse. Ich beginne mit der einfachsten Tatsache: Uray ist tot.

Ich schäme mich dafür, dass ich mich nicht einmal getraut habe, einen Aufseher über meinen Fund zu informieren. Allein die Vorstellung, jemandem davon berichten zu müssen, während ich genau wissen würde, dass ich nichts getan habe, um meinen Zimmergenossen zu retten, versetzt mich in Unbehagen.

Wieso habe ich nichts getan? Ich habe die Schreie gehört, konnte sie Uray zuordnen; wusste, dass er allem Anschein nach in Lebensgefahr schwebte. Wieso habe ich nichts getan?

Es war, als hätte mich eine unsichtbare Hand zurückgehalten.

Ich kuschele mich in die Decke, versuche das Bild Urays, das wie ein Schleier vor meinem inneren Auge schwebt, zu verdrängen.

Ich kann es nicht - auch nicht in den nächsten Stunden.

***

Sowohl Sam als auch ich überhören am nächsten Morgen den Wecker, sodass wir alle nur wenige Minuten Zeit haben, um fluchend in unsere Sachen zu schlüpfen und in aller Eile ein paar Bissen Frühstück in uns hineinzustopfen. In der Hektik fragt niemand, wieso Uray nicht da ist, und mir fällt ein Stein vom Herzen. Auch wenn es mir unheimlich schwerfällt, kann ich ihnen nicht erzählen, was ich in der letzten Nacht gesehen habe.

Wir trainieren wie am Vortag: abwechselnd an der Oberfläche und im Trainingssaal. Ich bin froh, dass ich dadurch nicht die ganze Zeit von Sam mit Fragen durchlöchert werden kann. Sie hat gemerkt, dass ich noch stiller bin als sonst - das habe ich an dem irritierten Blick gesehen, den sie mir nach dem Frühstück zuwarf.

Niemand fragt nach Uray. Es ist beinahe so, als hätte er niemals existiert.

Die Angst hält mich in ihren Klauen, will mich einfach nicht loslassen. Wer oder was war das gestern? Und wieso sollte es jemand gerade auf Uray abgesehen haben?

Ericson macht einen spöttischen Kommentar über meine Schlagtechnik, aber ich ignoriere ihn. Wieso Uray?

Ich erstarre in meiner Bewegung. Bevor mir Ericson jedoch Minuspunkte androhen kann, mache ich schnell weiter. Blind schlage ich auf den Boxsack vor mir ein, während Panik sich in meiner Magengegend breitmacht. Ich weiß, wieso.

Das kann nicht sein.

Uray, wie er mich in der Nacht im Zug missmutig beobachtete.

Ich nach der Ankunft am Bahnhof - als ich einfach nicht zulassen konnte, dass er mich überholt. Damals habe ich mich nicht weiter damit beschäftigt, aber jetzt macht es endlich Sinn.

Meine schwarzen Augen.

Mein Traum bei Tante Mags und im Zug - wie es war, als ob ich in die Seele der Personen schauen könnte. Wie ich sehen konnte, ob sie gut oder schlecht war.

Mein unwohles Gefühl in Urays Gegenwart.

Oh Gott.

Ein Schauer läuft mir über den Rücken, als Ericson sich mit leuchtenden Augen zu mir beugt und „Gut" flüstert.


„Ava, hast du eine Minute?", fragt Phoenix, als ich gerade in den Gemeinschaftsduschen verschwinden will. Ich zucke zusammen, weil ich ihn gar nicht bemerkt habe.

„Nein", zische ich. Ich weiß nicht, woher dieser Leichtsinn plötzlich kommt, die Worte verlassen wie von selbst meinen Mund. Ist doch eh egal, denke ich. Phoenix weiß über mich Bescheid.

Phoenix hält mich am Arm fest, als ich mich von ihm abwenden und weitergehen will. Missmutig starre ich auf seine Hand auf meinem Oberarm. Meine Augen brennen.

„Es dauert wirklich nur -"

„Lass mich einfach in Ruhe!" Ein paar Achtzehnjährige drehen sich zu uns um, weil ich lauter geworden bin. Ich reibe mir die Schläfen. Die Schmerzen in meinen Augen sind seit gestern Nacht unerträglich, ich habe wirklich keine Lust, jetzt auch noch ein Gespräch mit Phoenix über mich ergehen zu lassen, dass wieder mehr Fragen aufrufen als beantworten wird.

„Ava-"

„Nein", falle ich ihm ins Wort. Vor meinem inneren Auge sehe ich immer noch Urays Leiche. Tränen treten mir in die Augen, weil ich mich strikt weigere, eine Verbindung zwischen mir und dem Mord zu ziehen. Ich bin normal. Ich habe nichts mit seinem Tod zu tun.

Die gleichen Worte habe ich mir jeden Tag eingetrichtert, nachdem Elias ermordet wurde.

„Ich habe gesagt, dass du mich in Ruhe lassen sollst." Energisch reiße ich mich von ihm fort. Meine Augen blitzen, als ich ihm einen letzten Blick zuwerfe. „Und rede mich wenigstens wie alle anderen mit meinem Nachnamen an. Du kennst ihn ja." Mit diesen Worten wende ich ihm den Rücken zu.

Intelligent - Phase 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt