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Am nächsten Morgen bin ich ein reines Nervenbündel

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Am nächsten Morgen bin ich ein reines Nervenbündel. Um fünf stehe ich auf, weil das Herumwälzen im Bett mich verrückt macht, und husche im Haus herum. Ich fülle die Flasche auf, die ich von Zuhause mitgenommen habe, und überprüfe den Inhalt meines Rucksacks.
Es wird schon gutgehen. Es muss einfach gutgehen.

Ich bereite ein großes Frühstück vor, um zumindest Tante Mags eine Freude zu machen. Als sie in die Küche tritt, setze ich gerade einen Kaffee auf. „Habe ich dich geweckt?", frage ich schuldbewusst.

Sie schüttelt den Kopf. „Ich konnte auch nicht schlafen."

Ich nicke und hole zwei Tassen aus einem der hölzernen Küchenschränke, bis mir ein Gedanke kommt und ich in meiner Bewegung innehalte. „Wenn der Vermieter glaubt, dass dieses Haus nicht mehr vermietet wird - wie erklärt er sich dann die Heizkosten?"
Verwundert schaue ich Tante Mags an. Wieso ist mir das nicht früher aufgefallen?

Tante Mags lacht. „Das bemerkst du aber früh."
Was als harmlose Stichelei gemeint war, versetzt mir einen Stich. Ich bin nicht umsonst durch die erste Phase geflogen.

Tante Mags' Gesichtsausdruck ändert sich von einer Sekunde zur nächsten. Sie räuspert sich. „Sagen wir es so: Ich hatte noch eine Rechnung mit jemandem zu begleichen."
Ich frage nicht weiter nach.

***

„Wir haben noch fünf Minuten." Tante Mags' Stimme hört sich ruhig an. Ich weiß nicht, ob sie mich dadurch beruhigen will, oder einfach ein völlig anderer Typ Mensch ist als ich.
Ich schätze, beides.

Ich atme tief durch und nicke. „Ich mache mich schonmal bereit." Mein Rucksack steht bereits bei der Tür des Hintereingangs. Ich bin bereit.
Tozu reibt sich an meinen Füßen. Ich gehe in die Hocke und streichele durch sein weiches Fell. „Pass auf sie auf", flüstere ich ihm zu. Er schnurrt noch lauter.

„So, ich bin bereit." Tante Mags nickt mir zu und schultert einen Schlafsack. „Dort gibt es nicht immer genügend", meint sie, als sie meinen irritierten Blick bemerkt.

Ich kraule Tozu ein letztes Mal hinter den Ohren, dann nicke ich Tante Mags zu. Die Sonne scheint uns entgegen, als wir durch die Hintertür aus dem Haus gehen. Der Morgen ist friedlich. Zu friedlich.

Mein Herz klopft schnell, als wir die Straße hinter uns lassen und uns auf dem Weg zum Bahnhof macht. Für einen Sekundenbruchteil denke ich daran, dass meine Eltern dort warten könnten, doch ich schlucke meine Angst herunter und zwinge mich dazu, meinen Weg fortzusetzen. Sie werden nicht da sein.

Nach etwa zwanzig Minuten kommen wir am Bahnhof an. Dort stehen bereits einige Mädchen und Jungen. In Gruppen unterhalten sie sich, ihr aufgeregtes Gelächter hört man schon von Weitem. Für einen Moment fühle ich mich etwas verloren, als wir auf den Bahnsteig treten, doch dann entdecke ich Sam in einer Gruppe von jungen Erwachsenen und atme auf.

Ich drehe mich zu Tante Mags um, die mir ermutigend zulächelt. „Danke." Ich will noch mehr sagen, aber die Worte bleiben mir im Hals stecken.

Tante Mags lächelt und zieht mich in eine kurze Umarmung. Als sie sich von mir löst, legt sie eine Hand an meine kalte Wange. „Grüß Henry von mir."
Ich nicke. Dann wendet sie sich ab und geht.

Ich schaue ihr für einen Moment hinterher, bis ich es bemerke und mich schnell abwende. Ich bin bereit.

Schüchtern geselle ich mich zu Sam. „Hey."

Als sie mich erkennt, lacht sie laut auf. Ich schaue mich schnell um, doch die anderen Gruppen von Jugendlichen sind in ihre Gespräche vertieft. „Da ist sie ja." Sam grinst und schaut die anderen Jugendlichen in der Gruppe an. „Sie ist mit mir nach fünfzehn Minuten gegangen." Freundschaftlich klopft sie mir auf die Schulter.

„Phase 2?", fragt ein hagerer Achtzehnjähriger mit rotblondem Haar und mustert mich.

„Ja", beantwortet Sam seine Frage. „Die hat ganz schön was drauf, das werdet ihr spätestens bei den Einzelkämpfen sehen." Sie zwinkert mir zu.

Mir wird heiß. Einzelkämpfe?

Die Gruppe nimmt ihr anfängliches Gespräch wieder auf, das sich vor allem um die Ausbildung zum Soldaten dreht, und weil ich nicht wirklich mitreden kann, lehne ich mich an das Geländer neben mir und höre ihnen zu.

„Newton? Was für eine Überraschung."

Als ich meinen Familiennamen neben mir höre, zucke ich zusammen und schirme mein Gesicht mit einer Hand ab, um gegen die Sonne etwas erkennen zu können. „Sei verdammt nochmal leise", fauche ich Laurent an, als ich ihn erkenne.

Er runzelt grinsend die Stirn. „Hast du ein Problem damit, Miss Nobelpreisträgerin? Oh warte", er fasst sich mit einer Hand an die Stirn, als würde er sich an etwas erinnern, „du bist ja gescheitert."

Ich würde ihm am liebsten den Hals umdrehen. Stattdessen atme ich ruhig aus. „Sagt der, der nicht einmal mit Abschreiben den allerersten Test hingekriegt hat."

Laurent hebt abwehrend die Hände. „Touché."

Ich erinnere mich daran, wie er mich beim zweiten Test der ersten Phase angesehen hat, während ich aus dem Fenster stieg, um das Mädchen zu retten.
Er ist schuld, dass ich versagt habe.
Wut wallt in mir auf und ist so stark, dass ich das Geländer umklammern muss, um Laurent keine Backpfeife zu geben.

Wenigstens hat er anscheinend ebenfalls versagt, versuche ich mich zu beruhigen. Es funktioniert nicht wirklich.
Als ich das Geräusch des näherkommenden Zugs höre, atme ich tief durch und wende mich von Laurent ab.
Doch er hält mich am Arm fest. Als er wieder zum Sprechen ansetzt, klingt er beinahe schüchtern. „Ich hatte gehofft, dass wir vielleicht nebeneinander sitzen können."

Ich reiße mich von ihm los und zeige ihm den Vogel. Was bildet er sich nur ein? „Vergiss es."

„Warte! Das vorher war nicht mehr so gemeint, Ava. Und ich werde dich auch nicht mehr mit deinem Familiennamen ansprechen, wenn du das nicht magst." Scheinbar schuldbewusst schaut Laurent mich an.

Ich mustere ihn und überlege. Dann seufze ich resigniert. „Vielleicht kann Sam ja etwas mit dir anfangen."

Laurent grinst und schultert seine Tasche. „Ich habe doch gleich gesagt, dass du mich magst, Newt-"
Ich starre ihn böse an.
„Ava", setzt er kleinlaut nach.

Unwillkürlich muss ich grinsen. „Los", sage ich und mache eine Kinnbewegung zu den offenen Türen des Zugs. „Sonst fährt der noch ohne uns ab."

Intelligent - Phase 3Where stories live. Discover now