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Ich stecke all die angestaute Energie in mir in mein Workout

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Ich stecke all die angestaute Energie in mir in mein Workout. Obwohl außer mir noch fünf andere Achtzehnjährige im Raum sind, traue ich mich sogar an die Boxsäcke. Ich weiß nicht, ob die Technik, mit der ich einen von ihnen bearbeite, richtig ist, aber danach bin ich ein wenig beruhigt. Zumindest habe ich schonmal ein Gefühl dafür, was mich morgen erwartet.

Laurent kommt erst kurz vor 11 Uhr dazu. Ich verkneife mir ein Grinsen, als ich sehe, wie er sich müde durch die Haare fährt und mich erst dann bemerkt. „Wow, du bist echt zu motiviert für mich", begrüßt er mich und stöhnt leise auf. „Mein Kopf fühlt sich an wie mit Watte gefüllt. Sag mir das, wenn ich mich wieder abfülle, um zu vergessen, dass ich mich in der dritten Phase befinde."

Seine ehrlichen Worte überraschen mich etwas. „Das macht dir so zu schaffen? Merkt man dir nicht an."

Er schüttelt den Kopf und wirft mir einen verschmitzten Blick zu, bevor er seine Wasserflasche neben ein Gerät stellt. „Vergiss, was ich gesagt habe."

Wir trainieren bis mittags. Uray stößt für ein paar Übungen zu uns, dann gehen wir duschen und anschließend Mittag essen.

Es gibt wieder die labbrige Pasta von gestern, aber ich genieße sie, als wäre ich in einem fünf-Sterne-Restaurant mit meinen Eltern. Bei dem Gedanken durchläuft es mich heiß. Ich krame meinen Bildschirm aus meiner Hoodietasche, schaue aufs Datum und zucke unmerklich zusammen. Heute findet die Wissenschaftler-Feier meiner Eltern statt. Ich habe mich jedes Jahr auf diesen Tag gefreut, wenn unser großes Haus von Leben gefüllt wurde. Meine Eltern luden Kollegen und nominierte Wissenschaftler aus dem ganzen Land ein. An den vielen Diskussionen durfte ich zwar nicht teilnehmen, aber es erfüllte mich immer mit Stolz, zu sehen, wie viele Möglichkeiten ich einmal in meiner Zukunft haben würde. Wie angesehen meine Familie war.

Ist. Die Feier findet dieses Jahr auch ohne mich statt, da bin ich mir sicher. Den Schein bewahren, weitermachen. Diese Strategie haben meine Eltern auch nach Elias' Tod befolgt.

Ob sich wohl jemand nach mir erkunden wird? Mein Herz wird schwer. Ob meine Eltern lügen werden? Ich kann ihre Konversation vor meinem inneren Auge sehen. „Ava? Oh, unsere Tochter erobert gerade die Universitäten in Zuth." Scheinbar stolze Blicke, zurückgehaltene Enttäuschung. „Sie konnte leider dieses Jahr nicht kommen, sie ist sehr beschäftigt. Wir sollen aber ihre Grüße ausrichten." Ein entschuldigender Augenaufschlag, eine Handbewegung in Richtung eines Kellners, ein Lächeln, anderes Gesprächsthema.
Mir wird kalt und übel, weil mir ihre Meinung immer noch so viel bedeutet.

„Dir geht es nicht gut", stellt Laurent fest, als wir zurück zu unseren Zimmern laufen. Wir wollen Sam und Robert abholen, um mit ihnen zur Hall of Fame zu gehen. Natürlich heißt sie nicht so, aber ohne sie je besucht zu haben ist der Name schon in unser Vokabular aufgenommen worden.

Ich weiche Laurents Blick aus, bis wir im Gang unseres Zimmers angekommen sind. Drei kichernde Mädchen rennen an uns vorbei, aber Laurent schaut mich immer noch an. Uray geht aufs Zimmer, um den anderen bescheid zu sagen. Laurent zieht mich zur Seite.

„Es hat irgendetwas mit dem heutigen Tag zu tun, oder?", hakt er weiter nach. „Seitdem du auf deinen Bildschirm gesehen hast, hast du kein Wort mehr gesagt."

Ich werfe ihm böse Blicke zu, gleichzeitig bin ich etwas verlegen. Bin ich so leicht zu durchschauen?

Er zieht eine Augenbraue hoch. „Okay, du bist eindeutig wütend auf irgendjemanden."

„Nicht auf dich", sage ich schnell. Ich mache eine ausweichende Handbewegung. Aus unseren Zimmern ertönt ein überraschter Schrei, dann Sams Lachen. Ich konzentriere mich wieder auf Laurent. „Es ist wirklich nicht wichtig."

Er runzelt die Stirn, aber unser Gespräch wird durch die anderen unterbrochen. „Bereit für unsere großartigen Vorfahren?" Sam feixt, Robert grinst. Dankbar über die Ablenkung lege ich einen Arm über ihre Schulter. „Yup."

Die Hall of Fame stellt sich als großer Raum mit Fotowänden heraus. Wir sind nur für uns, doch an einer Ecke hängt eine Kamera, die jede unserer Bewegungen aufzeichnet. Davon sind mir schon ein paar im Camp aufgefallen.

„Die sorgt wahrscheinlich dafür, dass wir nichts kaputt machen", überlegt Robert. „Aber wahrscheinlich schaut uns nicht einmal jemand zu. Abschreckung und so."

Uray nickt zustimmend und geht auf eine der Wände zu. Vermutlich hat das lebensgroße Abbild eines stämmigen Mannes mit einem Maschinengewehr seine Aufmerksamkeit erregt.

Zögerlich sehe ich mich um. Die anderen verteilen sich im Raum, lesen konzentriert ellenlange Bilduntertitel durch und betrachten ehrfurchtsvoll die Erfolgreichsten der dritten Phase. Wessen Abbild aus unserem Jahrgang wird wohl eines Tages an dieser Wand hängen, für alle folgenden Generationen sichtbar?

Ich werde es nicht sein, aber Uray kann ich mir gut neben dem riesigen Bild der Wache vorstellen. Er hat im Training noch keine Schwäche gezeigt, und ich glaube auch nicht, dass er es in nächster Zeit tun wird. Er ist hier, um einen der Ausbilderplätze zu erobern, nicht nur, um nicht zu sterben.

Tante Mags hat gesagt, dass nur wenige der erfolgreichsten Absolventen es geschafft haben, bis zu den persönlichen Wachen der Regierung aufzusteigen. Die meisten anderen ... nun ja, keine Ahnung. Ich weiß nicht, was es sonst noch für berufliche Möglichkeiten geben wird.
Ich brauche einen Moment, um meinen alten Traum vom Doktortitel aus meinem Kopf zu verbannen.

Das Foto eines jungen Mannes hat meine Aufmerksamkeit erregt. Es ist kleiner als die anderen und unbeschriftet. Ich runzele die Stirn und suche nach einem Text, der zum Bild gehört, werde aber nicht fündig.

Der Achtzehnjährige hat braunes, lockiges Haar und dunkle Augen. Er schaut selbstbewusst in die Kamera, doch sein Blick hat zeitgleich etwas Unergründliches. Gedankenverloren mustere ich es. Wieso ist es unbeschriftet? War der Junge nicht der Rede wert, wenn er es in die Hall of Fame geschafft hat?

„Er hat etwas Psycho-haftes." Laurent ist neben mich getreten und mustert das Foto ebenfalls. Ich lächele, als er völlig ernst zu mir sieht. Ich finde eher, dass der junge Mann auf dem Bild etwas Vertrautes an sich hat, aber das werde ich Laurent bestimmt nicht auf die Nase binden. Ich will weitergehen, meine Aufmerksamkeit auf das nächste Foto lenken, doch irgendetwas hält mich zurück. Irgendetwas an dem Achtzehnjährigen fasziniert mich.

Vermutlich sind es seine nachtschwarzen Augen.

Intelligent - Phase 3Where stories live. Discover now