104. Kapitel

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Sie hatte Angst, aber es brachte ja nichts, sich darauf zu konzentrieren.

Kate lugte vorsichtig um die Ecke und sah, dass der Gang frei war. „Wir können", flüsterte sie Henry zu, der mit Marks Tasche über der Schulter hinter ihr stand.

Wenn jemand sie jetzt sah, würde er sie bestimmt für verrückt halten. Sie waren zwei erwachsene Menschen in einem Nobelhotel, die wirkten, als würden sie eine Schnitzeljagt machen. Im Prinzip war das ja auch der Fall: Die Jagd nach passender Kleidung.

Hintereinander huschten sie über den Gang und zu Zimmer 157. Kate legte ihre Hand auf die Klinke und betete, dass Bert wirklich vergessen hatte, abzuschließen. Tatsächlich schwang die Tür wirklich auf.

„Danke, Gott", stöhnte Henry hinter ihr auf, bevor er sie ins Zimmer schob und schnell die Tür wieder hinter ihnen schloss. „Wir haben nicht viel Zeit."

Kate nickte eilig. Zum Glück war das Zimmer ähnlich geschnitten und eingerichtet, wie das, in dem sie die letzten beiden Tage verbracht hatten. Der große Kleiderschrank stand auf der linken Seite, neben dem an der Wand angebrachten Flachbildfernseher gegenüber dem Doppelbett. Vor den Glastüren, die auf den Balkon führten, waren die hellen Vorhänge zugezogen.

Henry öffnete die Türen des Schrankes. Wahllos griff er nach einem der Anzüge, die fein säuberlich nach Farbverläufen geordnet im Schrank hingen und reichte Kate eines der Kleider.

Rot mochte sie nicht, aber sie beschwerte sich nicht. Ihr fiel erst auf, dass sie sich aus Gewohnheit wieder im selben Raum umgezogen hatten, als sie bereits nur noch ihre Unterwäsche trug.

Ihr Blick fiel auf Henrys nackten Oberkörper, der von den abheilenden Blutergüssen übersät war. Sie trat zu ihm und berührte ihn leicht.

Er wandte sich zu ihr um und sah sie fragend an. Sein Blick wanderte über ihren Körper, bevor er wieder an ihren Augen hängen blieb.

„Tut es noch weh?", fragte sie leise.

Er atmete tief ein. „Nein."

Prüfend blickte sie ihn an. „Du lügst."

„Möglich. Kannst du dich jetzt bitte anziehen? Wir haben nicht viel Zeit und wenn du mich noch länger so ansiehst kann ich nicht dafür garantieren, dass wir in den nächsten fünf Minuten hier rauskommen."

Sie spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg. „Natürlich."

Sie zog das rote Kleid über, das ihr gerade einmal bis auf die Hälfte ihrer Oberschenkel reichte und holte sich schwarze, flache Ballerinas aus dem Schrank, die sie sich über die Füße streifte. Mit Highheels würde sie nie im Leben rennen können, sollte es nötig werden.

„Warte, ich mach das." Sie trat zu Henry, der mit seiner Krawatte kämpfte und band sie ihm. „Schick siehst du aus. Könntest du öfter tragen", neckte sie ihn.

„Du auch." Sein Blick blieb am Ende des Kleides hängen, das eindeutig zu weit oben war.

„Henry", mahnte sie und boxte ihm leicht gegen den Arm. „Hör auf mich anzustarren."

Er hob die Augenbrauen. „Tut mir leid."

„Gehen wir?"

„Ich würde vorher noch in Marks Tasche schauen, mal sichten, was wir so haben und unnötigen Ballast abwerfen."

„Na gut", wand Kate ein, auch wenn sie kein gutes Gefühl dabei hatte. „Ich bin kurz im Bad, wer weiß, wie lange wir gleich nicht mehr die Möglichkeit dazu haben."

Er nickte abwesend.

Kate ging auf Toilette und als sie nach dem Händewaschen einen Blick in den kleinen Badschrank warf, entdeckte sie unter anderem Deo, das sie gleich verwendete, und einen knallroten Lippenstift, den sie nach kurzem Überlegen auftrug. Es passte zum Kleid und war damit eine gute Ergänzung zu ihrer Tarnung.

Whatever It TakesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt