57. Kapitel

60 12 17
                                    

Kate zuckte zurück, als sie ihre vom Weinen geröteten und verquollenen Wangen im Spiegel sah.

Sie hatte keine Ahnung, wie lange sie weinend auf dem Boden gesessen hatte, aber es kam ihr wie eine Ewigkeit vor. Irgendwann waren ihre Tränen versiegt und sie hatte nur noch geschluchzt. Jetzt setzte ein bohrender Kopfschmerz ein.

Henry war nicht gekommen, um nach ihr zu sehen, sondern schien völlig vergessen zu haben, dass es sie gab.

Zögernd betrat Kate das Wohnzimmer. Henry blickte nicht auf, als sie sich neben Cookies' Körbchen auf den Boden setzte. Sie begann, das Fell des Welpen zu streicheln, der im Gegensatz zu sonst keinerlei Reaktion zeigte.

Als sie seine kalte Haut spürte und in die leblosen Augen blickte, wusste sie, wieso.

Cookie war tot.

„Henry!", keuchte sie. Ihre Augen brannten, aber keine Tränen kamen. Konnten ihre Tränendrüsen wirklich so leer sein?

Er blickte auf. „Er wird in der nächsten Stunde abgeholt. Jemand hat ihn wohl vergiftet, während wir nicht da waren."

Kate starrte ihn an. Ihr Kopf war wie leer gefegt. Eine seltsame Akzeptanz und gleichgültige Ruhe überkam sie.

Also würde sie Cookie nicht einmal beerdigen können. Doch komischerweise kam ihr plötzlich eine bestimmte Frage in den Sinn: „Während wir nicht da waren? Wo warst du denn, Henry?"

Er starrte sie an und sie sah, dass seine Augen flackerten.

Alles klar. Daher wehte also der Wind. Schob er ihr etwas in die Schuhe, was er selbst getan hatte?

„Ich habe bei der Polizei Anzeige erstattet, wegen des Mannes, der dich verfolgt."

Konnte sie ihm glauben? Und wenn nicht ihrem Ehemann, wem dann? Doch sofort prasselten die Ereignisse des Tages erneut mit voller Wucht auf sie ein. Unwillkürlich fuhr ihre Hand ihren Hals, der mit Blutergüssen übersät war und bei jeder Berührung schmerzte.

Die Erinnerung an das Gefühl, erstickt zu werden, saß ihr noch immer in den Knochen und raubte ihr jedes Mal den Atem, wenn sie daran zurückdachte.

„Warum hast du das getan?", fragte sie und zu ihrer Überraschung flackerte kurz so etwas wie Unsicherheit in Henrys Augen auf, doch schon war der Moment vorbei.

„Ich habe nicht nichts getan", erwiderte er ruhig und verzog verächtlich das Gesicht. „Du hattest doch deinen Beschützer, da brauchst mich ja wohl nicht. Oder hältst du dir etwa alle Kerle gleichzeitig warm?"

„Henry, hör auf damit!" Kate sprang auf und stemmte wütend die Hände in die Seiten, doch ihr „Einschüchterungsversuch" scheiterte kläglich, als ihr nun doch wieder die Tränen kamen und Henry sich mit verschränkten Armen vor ihr aufbaute, den kühlen Blick betont nach unten auf sie gerichtet.

„Hätte ich gewusst, wer und wie du wirklich bist, hätte ich dich nicht zu einer O'Ryan gemacht!"

Die Härte in seiner Stimme unterstrich die Endgültigkeit seiner Worte und machte deutlich, dass er sie nicht zurück nehmen würde.

„Henry!", keuchte Kate. Ihr Herz zersplitterte in tausend Teile, zum wiederholten Mal in den letzten Tagen.

„Kate!", machte Henry sie nach. Er wandte sich ab ohne sie noch einmal anzublicken. Es war als könnte er es nicht ertragen, sie zu sehen.

Was wahrscheinlich auch so war.

Kate hockte sich neben Cookies kleinen, leblosen Körper und verabschiedete sich mit einigen geflüsterten Worten von ihrem kleinen Hund.

Whatever It TakesDonde viven las historias. Descúbrelo ahora