67. Kapitel

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Motorengeräusche verkündeten, dass Henry tatsächlich wegfuhr. Eine beklemmende, ungewohnte Stille legte sich über das Esszimmer, wie Rebekka sie noch nie in ihrem Zuhause erlebt hatte – höchstens, als sie vor drei Jahren hier erfahren hatten, dass Sheriff McLucas ermordet worden waren.

Obwohl sie es nun alle wussten, traute sich niemand, es auszusprechen: Henry war tatsächlich medikamentenabhängig. Ihr großer Bruder, zu dem sie immer aufgeschaut hatte.

Der Arzt, das Vorbild der Geschwister, der Vorzeigesohn. Und er war auch noch dabei, seine immer so perfekt scheinende Ehe mit Kate zu zerstören.

Als es an der Tür klingelte, machte zunächst niemand Anstalten, zu öffnen.

„Becky, Schatz, kannst du bitte an die Tür gehen?" Der müde Blick ihrer Mutter brachte Rebekka sofort dazu, mit einem Nicken aufzustehen und in den Flur zu gehen.

Sie konnte kaum glauben, wer in dem knöchelhohen Schnee vor der Tür stand.

„Landon!" Voller Überraschung und Freude fiel sie ihrem Bruder um den Hals, der ihre stürmische Umarmung nur zögernd erwiderte. Peinlich...

Obwohl es nur zwei Jahre her war, dass sie ihn zuletzt gesehen hatte, fiel ihr sofort der deutliche Unterschied in seinem Gesicht auf. Landon wirkte erwachsener, aber irgendwie auch... verbrauchter? Und das, obwohl er erst 23 Jahre alt war.

Es waren Spuren, die sie auch in Henrys Gesicht entdeckt hatte. Ob Landon ebenfalls mit einer Sucht zu kämpfen hatte? Aber nein, sie sollte nicht über so etwas spekulieren, schon gar nicht jetzt, wo sie Landon endlich wiedersah.

„Komm rein", lud sie ihren Bruder ein.

Landon nickte zustimmend und folgte ihr ins Wohnzimmer.

Vielleicht könnte seine Anwesenheit den Abend noch ein wenig retten. Zumindest ihre Eltern und ihre Schwester würden sich freuen, ihn zu sehen – bei Mark war sich Rebekka da nicht ganz so sicher, aber bei ihm konnte man nie wissen.

Aufgeregt betrat sie hinter Landon das Wohnzimmer, um die Reaktionen ihrer Familie sehen zu können, wenn sie Landon erblickten.

Ihre Eltern wirkten überrascht, aber schienen sich trotzdem zu freuen. Ihr Vater stand auf, kam Landon entgegen und umarmte ihn herzlich. „Es ist gut, dich zu sehen", sagte er und klopfte ihm auf den Rücken.

Rebekka sah, wie ihrer Mutter Tränen in die Augen traten. „Mein Sohn", flüsterte sie leise.

Rebekka ließ ihren Blick zu ihren Geschwistern schweifen. Mark hatte sich angespannt und die Arme verschränkt, aber sein Gesichtsausdruck wirkte neutral. Was bei ihm bedeutete, dass er definitiv nicht erfreut war, Landon zu sehen.

Doch was Rebekka eigentlich verwirrte, war die Reaktion ihrer kleinen Schwester.

Kendra sprang ruckartig vom Tisch auf und stieß dabei ihren Stuhl um, der mit einem lauten Krachen auf den Holzdielen landete. Dann rannte sie ohne ein Wort zu verlieren aus dem Zimmer.

Das Fest der Liebe hatte sich zur absoluten Katastrophe entwickelt.

Whatever It TakesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt