73. Kapitel

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„Kate, schön, dass du da bist." Rebekka begrüßte sie fröhlich, kaum dass Kate den Jugendraum der Gemeinde betreten hatte.

„Hallo, Bekky." Kate musste sofort lächeln. Ihre Schwägerin hatte wirklich eine unfassbar positive, wertschätzende Ausstrahlung.

„Wie war dein Tag?" Rebekka wirkte ernsthaft interessiert und das brachte Kate dazu, ehrlich zu antworten.

„Nicht so gut." Sie hängte ihre Winterjacke an der Garderobe auf und trat dann wieder zu Rebekka.

„Was war denn los?" Ihre Schwägerin runzelte die Stirn.

„Ach, so dies und das." Kate fuhr sich durch die Haare. „Die ganze Sache mit Henry beschäftigt mich noch ziemlich."

Rebekka nickte mitfühlend und biss sich auf die Lippe. „Es tut mir leid, dass mein Bruder so ein Idiot ist."

Kate lachte verlegen. „Das muss es nicht."

„Doch." Rebekka nickte bestimmt. „Auch wenn er älter ist als ich, ich fühle mich ein bisschen verantwortlich für ihn. Andersrum ist das ja nicht so." Sie lachte freudlos auf.

Kate strich ihr über den Arm und verzog das Gesicht. „Er macht eine schwierige Zeit durch und..."
„Nein, Kate. Sein Verhalten in den letzten beiden Monaten ist nicht zu entschuldigen." Rebekka schüttelte den Kopf. „Er ist nicht mehr er selbst, das weißt du so gut wie ich."

Sie nickte. Für sie stand mittlerweile außer Frage, dass ihr Mann medikamentenabhängig war, deswegen neigte sie manchmal dazu, dass als Entschuldigung für alles andere zu nehmen.

Aber konnte diese Sucht ihn wirklich so sehr verändern? Oder brachte sie nur Charakterzüge zutage, die er vorher zu verbergen gewusst hatte? Sie hatte geglaubt, ihn zu kennen. Hatte sie sich getäuscht?

„Du hast schon recht", seufzte Kate. „Auch wenn ich wünschte, es wäre anders." Ihr traten Tränen in die Augen.

Mitfühlend ergriff Rebekka ihre Hand. „Ich weiß. Ich auch, glaub mir."

Ein dumpfes Geräusch, als ihr Jugendpastor, Tom, gegen das Mikrofon klopfte, um zu testen, ob es angeschaltet war, unterbrach ihr Gespräch.

„Guten Abend, ihr Lieben. Setzt euch doch, dann können wir anfangen", forderte Tom sie gewohnt fröhlich auf.

Rebekka drückte Kates Hand. „Na komm. Lass uns später weiterreden."

Kate nickte und folgte ihr zu den bunten Kissen, die in der Mitte des Raumes auf dem Boden lagen und wo bereits viele der Jugendlichen Platz genommen hatten. Als endlich auch der letzte saß, begann Tom mit einigen Ansagen der Termine der nächsten Wochen, während denen Kates Gedanken abschweiften.

Vor all diesen Jugendlichen sollte sie als Mitarbeiterin eigentlich ein Vorbild sein, aber sie spürte, dass sie das heute nicht konnte.

Eigentlich war gar nichts Bestimmtes passiert, aber alleine das reichte aus, dass sie sich furchtbar fühlte. Sie lebte von Henry getrennt und erwartete sein Kind. Ihr Verhältnis war alles andere als entspannt und das wirkte sich auf ihre Beziehungen zu anderen Personen aus, die sie zunehmend schleifen zu lassen begann.

Die einzigen Menschen, mit denen sie am Tag mehr als drei Sätze redete, waren Lynn, Daniel und Ryder. Und natürlich ihre kleinen Patienten, aber das zählte sie nicht so wirklich.

„Unser Thema heute ist Vergebung." Toms Stimme riss sie aus ihren Gedanken.

Vergebung. Ganz toll. Sollte sie jetzt ein schlechtes Gewissen bekommen, dass sie Henry nicht vergeben konnte, dass er sie körperlich und noch viel mehr seelisch verletzt hatte?

Whatever It TakesWhere stories live. Discover now