Prolog

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Jace Caradon verließ pfeifend das Gerichtsgebäude. Er liebte dieses Gefühl, wenn ein Fall zu den Akten gelegt wurde.

Mit einem Lächeln auf den Lippen zog er sein Handy aus seiner Hosentasche und setzte als Schutz gegen den leichten Regen die Kapuze seines dunklen Pullovers auf.

Er warf einen Blick auf die Straße, die von den Straßenlaternen in ein gelbliches Licht getaucht wurde.

Während er darauf wartete, dass die Autos vorbeifuhren, sodass er die Straße überqueren konnte, tippte er eine Nachricht an seine Freundin: BIN JETZT AUS DEM GERICHT RAUS. ALLES GUT VERLAUFEN. TREFFEN IN 20 MINUTEN BEI DIR?

Jace ließ sein Handy wieder in seiner Hosentasche verschwinden und vergrub seine Hände dann tief in der großen Tasche seines Pullis, um sich ein wenig aufzuwärmen.

Es wurde immer kälter in den letzten Tagen, ein klares Zeichen, dass es auf den Winter zu ging.

Als ein Auto eindeutig zu schnell an Jace vorbeifuhr, spritzte das dreckige Regenwasser der Straße hoch. Wütend blickte er dem Auto hinterher, während er versuchte, die Dreckflecken notdürftig von seiner Hose zu entfernen.

Einen letzten Blick auf die nahenden Autos werfend, lief Jace schnell über die Straße. Ein Autofahrer hupte ihn verärgert an, da er hatte abbremsen müssen und Jace hob entschuldigend eine Hand.

Er schloss sein Auto auf, das er auf der Straßenseite gegenüber dem Gerichtsgebäude geparkt hatte, ließ sich auf den Fahrersitz fallen und zog schnell die Tür zu, damit das Polster nicht nass wurde. Der Regen trommelte laut auf das Dach seines Wagens.

Jace zog sich den nassen Kapuzenpullover über den Kopf und zog das weiße T-Shirt darunter zurecht. Dann schaltete er die Klimaanlage an und stellte die Temperatur auf 23°C ein.

Als sein Handy vibrierte, zog Jace es umständlich aus seiner Hosentasche und warf einen Blick auf das Display. Ein Lächeln stahl sich auf sein Gesicht, als er sah, wer ihn anrief.

„Hey, Süße."

„Hey, Jace", drang die sanfte, leicht rauchige Stimme seiner Freundin durch den Hörer. „Sag mal, wo bist du gerade?"

„Ich fahr gleich los." Jace begann verträumt, mit seinem Finger auf das Lenkrad zu malen. Er hatte sein Freundin bei der Arbeit kennengelernt und nachdem sie vor über zwei Monaten zusammengekommen waren, konnte er an nichts anderes als sie mehr denken.

„Bist du noch bei der Party?"

„Hm. Ich schaffe es in 20 Minuten nicht, Liebling, wir haben gerade erst richtig angefangen. Ich kann mich frühestens in einer Stunde loseisen."

„Na gut. Übrigens – du bist die hübscheste Frau der Welt", lächelte er, als er sie sich in ihrem figurbetonten, dunklen und vor allem kurzen Partykleid vorstellte. Er schaltete den Motor seines Wagens an und fuhr aus der Parklücke. „Ich hole dich dann ab."

„Ach, weißt du was? Komm einfach doch schon jetzt. Schließlich haben wir was zu feiern."

Jace grinste. „Geht klar, Madam."

Sie lachte. „Danke. Du bist der Beste, Jace."

„Ich weiß. Wollen wir was essen gehen?"

Sie überlegte. Er hoffte, sie würde Nein sagen, denn heute Abend wollte er sie nur für sich haben. „Ich kann uns auch was kochen."

„Ich habe gehofft, dass du das sagst. Aber wenn ich so drüber nachdenke, bin ich gar nicht so hungrig..."

Sie lachte wieder. „Ach komm einfach her, Jace. Du weißt ja, wo wir sind."

„Yep. Ich liebe dich."

„Ich dich auch, Jace. Aber du solltest wirklich nicht beim Autofahren telefonieren."

„Du kennst mich zu gut."

„Oh ja."

Jace verabschiedete sich von ihr, mit der Vorfreude auf den weiteren Abend.

Um sie von der Party abzuholen, könnte er einfach die Hauptstraße entlangfahren und müsste nur einmal abbiegen, doch als Jace den schwarzen SUV hinter sich saß, bog er kurzerhand in eine Seitenstraße ein. Er musste prüfen, ob dieser Wagen, den er seit gestern fast ununterbrochen sah, ihn wirklich verfolgte.

Er warf einen Blick in den Rückspiegel und sah zunächst nur die schwachen Lichter der Straßenlaternen auf der Hauptstraße, von der er sich immer weiter entfernte. Wenn die Männer in dem SUV ihm wirklich folgten, dann mussten sie unbedingt Sichtkontakt halten.

Das Anbringen eines GPS-Senders unter seinem Auto war nämlich aufgrund einer ausgefeilten Anti-Diebstahl-Software so gut wie unmöglich. Wenn jemand sein Auto auch nur berührte, ging der Alarm los, der direkt an sein Handy weitergeleitet wurde. Das konnte unmöglich umgangen werden.

Jace wollte gerade durchatmen, als von einer kleinen Gasse rechts von ihm plötzlich der schwarze SUV herauskam und sich hinter ihn einreihte.

Sofort spannte er sich an, seine Hände verkrampften sich um das Lenkrad.

Wenn er Gas gab, wüssten sie, dass ihre Tarnung aufgeflogen war und er war sich nicht sicher, ob sein Wagen es mit dem SUV an Schnelligkeit aufnehmen könnte. Aber er kannte sich in den engen, verwinkelten Straßen hier vermutlich besser aus, als sie, immerhin war er hier aufgewachsen, und das war sein Trumpf.

Jace warf einen letzten Blick auf den SUV, der sich etwas zurückfallen lassen hatte und kaum noch in Sichtweite war. Das war gut, sehr gut. Die Vorsicht seiner Verfolger würde ihnen zum Verhängnis werden. Als Jace um die nächste Ecke bog, trat er das Gaspedal voll durch und sein Wagen beschleunigte in Rekordzeit auf 150 PS.

Am Ende der Straße fuhr er erst einmal wieder auf die Hauptstraße zurück, da er in eine Richtung abgebogen war, in die er seine Verfolger nicht lenken wollte.

Jace begann zu schwitzen, als der SUV nur wenige Sekunden nach ihm auf die Hauptstraße schoss. Sie waren wirklich schnell, noch schneller, als er gedacht hatte und schienen nun auch nicht mehr auf Diskretion zu setzten, sondern folgen ihm offen. Es würde nicht lange dauern, bis sie seinen Vorsprung eingeholt hätten.

Jace visierte die letzte große Kreuzung an, hinter der er von der Hauptstraße abbiegen würde – in Sicherheit. Die Ampel schaltete gerade auf rot um, doch mit einem letzten Blick auf den SUV dicht hinter ihm, der ebenso oft die Fahrspur wechselte, um andere Autos zu umfahren, wie er es tat, trat er das Gaspedal noch einmal voll durch und raste auf die Kreuzung.

Das durchdringende Hupen des LKWs, der ihm entgegenkam, ließ Jace erschrocken aufblicken. Er hatte kaum Zeit zu realisieren, dass er auf der falschen Spur fuhr, geschweige denn, zu handeln.

Für den Bruchteil einer Sekunde sah Jace das Entsetzen in den weit aufgerissenen Augen des LKW-Fahrers und fragte sich, was wohl ein solcher Transportwagen um diese Uhrzeit in einer Kleinstadt wie Whitingham zu suchen hatte.

Sein Fuß fand das Bremspedal nicht, obwohl er wie wild im Fußraum herumsuchte und sein Versuch, sein Auto wieder auf die richtige Spur zu lenken, scheiterte an der Schnelligkeit des Geschehens.

Als sein Wagen frontal auf den LKW prallte, krachte es hässlich. Ein Tösen erfüllte die Luft und Jace spürte, wie er durch die Luft geschleudert wurde.

Ein harter Aufprall raubte ihm das Bewusstsein.

Whatever It TakesWhere stories live. Discover now