32. Kapitel

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Kate rannte die Treppenstufen nach oben in ihr Zimmer und schlug aufgebracht die Tür hinter sich zu. Ihr war egal, wie kindisch ihr Verhalten auf Henry wirken mochte; sie war einfach nur sauer. Und verletzt.

Sie sank auf ihr Bett nieder und verbarg ihr tränennasses Gesicht in den Händen.

Erschüttert von den Worten, die ihr Mann ihr an den Kopf geworfen hatte, schluchzte sie erneut heftig auf, ihre Finger verkrampften sich um das Taschentuch in ihren Händen. Zum ersten Mal in ihrer so jungen Ehe hatten Henry und sie sich wirklich gestritten.

Sie wusste, dass er die Worte, die er gesagt hatte, nicht so meinte, sondern dass es die Verzweiflung und Wut über seine Lähmungen waren, welche bereits seit dreieinhalb Wochen andauerten.

Jetzt war es also passiert. Ihr erster großer Streit.

Und das ausgerechnet an Thanksgiving!

Kates Schluchzen legte sich langsam. Das gleichmäßige Ticken der Uhr beruhigte sie.

Wahrscheinlich war indirekt Marks Absage zum heutigen, traditionellen Familienessender Auslöser des Streits gewesen.

Erst hatte Henrys Bruder sich wochenlang gar nicht gemeldet, nur um dann in einem kurzen Gespräch mit seinem Vater abzusagen, da er momentan nicht von seinem Auftrag los kam.

Egoistischer Idiot!, dachte Kate wütend, doch sofort nahm sie ihre Gedanken wieder zurück.

Dass Mark seinen Job selbst an Thanksgiving seiner Familie vorzog, war nicht egoistisch, sondern im Gegenteil vielmehr altruistisch, wenn man bedachte, dass er seinen Urlaub opferte, nur um Menschen zu helfen, die er nicht einmal kannte und wahrscheinlich nie wieder sehen würde.
Und um viele andere ins Gefängnis zu bringen.

Kate wusste, wie sehr Henry seinen kleinen Bruder vermisste und brauchte und sich auch immer noch Sorgen um ihn machte, auch wenn er mittlerweile wusste, dass es ihm gut ging. Vermutlich.

Immerhin konnte sich das bei Marks Beruf stündlich ändern. Es war schon ironisch, dass Mark absagte, um anderen zu helfen, wobei sein älterer Bruder wahrscheinlich derjenige war, der ihn gerade am dringendsten brauchte, schon in den Tagen nach seinem Unfall gebraucht hätte.

Jeden Tag hatte Henry darauf gewartet, dass Mark auftauchen würde... und irgendwann doch die Hoffnung aufgegeben.

Aber Kate sah, dass ihr Mann jemanden brauchte, der ihn verstand, ihm in dieser für ihn so schwierigen Situation half und einfach für ihn da war.

Und irgendwie wusste Kate, dass das nicht ihre Aufgabe war, dass Henry jemand anderen brauchte. Es war eine Lücke, die sie nicht füllen konnte.

Die Mischung aus Verzweiflung, Hilflosigkeit und verletztem Ehrgefühl, die sich in Henry angestaut hatte, war äußerst explosiv, wie Kate bei dem Streit gerade hatte feststellen müssen.

Vielleicht wäre ein Gespräch mit seinem Bruder heute genau das richtige für Henry gewesen...

Doch zu Marks und Neelas Absage, die ihren gemeinsamen Urlaub auf Weihnachten verschoben hatten, da beiden ein Auftrag in die Quere gekommen war, kamen noch die ebenso plötzlichen Absagen von Kendra und Landon, die Kate einfach nicht verstehen konnte.

Würden sie an Thanksgiving wirklich nur zu viert sein? Und das, wenn Henry in einer derartigen Verfassung war? Es würde bestimmt kein allzu angenehmer Abend werden...

So viel zum Thema, es sollte endlich mal wieder die ganze Familie anwesend sein, dachte Kate bitter.

Aber selbst Lucy, die sich das gewünscht hatte, konnte nicht dabei sein, da sie noch immer im Koma lag.

Whatever It TakesWhere stories live. Discover now