5. Kapitel

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„Er hätte überleben können, Henry!" Wütend warf Rye Hoover ihre Latex-Handschuhe auf den Boden, stieß die Tür auf und verließ den Behandlungsraum.

Resigniert schaltete Henry den Monitor aus, dessen durchdringender Piepton verkündete, dass Jace Caradon tot war.

Er blickte auf den Leichnam des Mannes, der höchstens dreißig Jahre alt gewesen sein konnte, also kaum älter als Henry selbst. So jung...

„Was war denn los, Henry?" Lynn blickte ihn enttäuscht an. „Sonst geht doch auch das Wohl des Patienten vor irgendwelche Ermittlungen! Wir hätten Caradon viel früher intubieren müssen, damit wenigstens die Möglichkeit bestanden hätte, ihn zu retten!"

Wortlos begann Henry, Caradon von den Infusionsnadeln zu befreien. Die Tür wurde aufgestoßen und sein Bruder kam herein, von Josh gefolgt.

„Er ist tot", stellte Mark sachlich fest. Seine beinahe ausdruckslose, verschlossene Miene verriet wie so oft nicht, was er dachte.

„Ja." Henry bis sich auf die Lippe.

War wirklich er daran schuld, dass Caradon nicht überlebt hatte oder hätte der junge Mann nicht viel mehr auch so keine Chance gehabt?

Henry beobachtete, wie Mark sich abwandte und leise mit Josh zu diskutieren begann.

Sie hatten nicht noch einmal mit Caradon reden können, weil der junge Mann nie wieder aufgewacht war. Henry wusste nicht, ob er Josh die benötigte Info gegeben hatte.

„Henry."

Henry blickte seinen kleinen Bruder fragend an. „Ja?"

„Wenn du hier fertig bist", Mark zögerte, „dann komm zu uns, ja? Wir warten draußen im Gang auf dich."

Henry runzelte die Stirn und nickte knapp. Was konnten Mark und Josh jetzt noch von ihm wollen? Jace Caradon war doch tot!

Josh hielt Rye die Tür auf, als die temperamentvolle, junge Krankenschwester in den Behandlungsraum zurückkehrte.

„Ich mache das hier fertig." Sie deutete auf Caradon und reichte Henry das Krankenblatt. „Bin gespannt, was du einträgst", sagte sie schnippisch, bevor sie sich daran machte, den Verstorbenen vom Beatmungsgerät zu lösen, das zwar ausgeschaltet, aber noch immer mit dem Toten verbunden war.

„Rye!", wies Lynn die Krankenschwester zurecht und nahm Henry das Krankenblatt aus der Hand. „Geh lieber raus zu deinem Bruder, ich übernehme das Krankenblatt."

„Danke, Lynn" Henry zwang sich zu einem Lächeln, doch Lynn nickte ihm nur knapp zu.

Sie war immer schweigsam, wenn sie einen Patienten verloren, da es ihr jedes Mal so nahe ging, als wäre es das erste Mal. Aber ausgerechnet an ihrem Geburtstag...

Henry wusste, dass Lynn heute ebenfalls Bereitschaft hatte und sich von ihm bestimmt nicht davon hätte abbringen lassen, mit ins Krankenhaus zu kommen.

Sie war so lange bei dem LKW-Fahrer geblieben, bis Nico ihn in den OP gebracht hatte und hatte dann Henry mit Caradon geholfen.

„Geh danach nach Hause, ja, Lynn? Ich übernehm den Rest deiner Schicht." Ohne eine Antwort abzuwarten, verließ Henry den Behandlungsraum und steuerte auf Mark und Josh zu, die einige Meter weiter leise miteinander redeten.

„Jetzt richtig Hallo, ihr beiden", begrüßte er die beiden, mit der ganzen Herzlichkeit, die er nach dem Tod seines Patienten aufbringen konnte. Was möglicherweise etwas gezwungen wirkte – gut, sehr wahrscheinlich wirkte es so.

Henry lenkte seine Gedanken auf die beiden Männer vor ihm, weg von der Frage, ob er Caradon hätte retten können.

Josh und Mark hätten vermutlich jeden von dem Mann zurückgehalten, bis sie die Information gehabt hätten, wäre er nicht so schnell kollabiert.

Whatever It TakesWhere stories live. Discover now