21.

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Harry

Kurz nachdem ich das Gespräch mit Niall über unsere Wette beendet hatte, versuchte ich durch entsprechende Praktiken wie zum Beispiel das Zählen von Schafen oder das Summen eines beruhigenden Volksliedes in einen erholsamen Schlaf zu fallen, welcher im Optimalfall in einer langen REM-Phase enden sollte.

Laut zählte also die Schäfchen, welche in hoher Geschwindigkeit vor meinem inneren Auge an mir vorbeisprinteten, wobei ich jedoch oft von Niall unterbrochen wurde, der mir einen Vorwurf der Ruhestörung machte, weswegen ich zum erneuten Beginn der Schäfchenzählung gezwungen wurde.

Ich war bereits beim Schaf Nr. 48.469 angekommen, als ich urplötzlich Geräusche von draußen vernahm!

Ich wusste sofort, es handelte sich um Eindringlinge, hochwahrscheinlich Feinde. Dies schlussfolgerte ich daraus, dass es in unserem Trupp das Regelbuch verlangte, dass ein jeder V-Ritter beim nächtlichen Verlassen des Zeltes durch die Betätigung einer Hupe, welche er zu jeder Tages- und Nachtzeit am Körper zu tragen hatte, den anderen Bescheid gab, draußen zu sein. Somit musste keiner seine Nachtruhe unterbrechen, weil er in der Annahme war, dass sich ein Feind im Lagerareal befand.

Diesmal jedoch vernahm ich kein Hupen und wagte es, einen selbstmörderischen Blick nach draußen zu werfen. Die Sicht war mir aufgrund der Abwesenheit der tageslichtspendenden Sonne verdunkelt, aber dennoch bildete ich mir ein, einen oder sogar zwei Schatten an mir vorbeihuschen gesehen zu haben. Mein Puls raste.

Ich lugte zu den anderen Zelten und sah auch dort den ein oder anderen verängstigen Blick eines V-Ritters. Instinktiv wollte ich meine Steinschleuder in meiner Hosentasche verstauen, als mir auffiel, dass ich noch immer keine Kleidung anhatte. Ich fühlte mich meinen Peinigern von draußen schutzlos ausgeliefert!

Ich nickte den anderen zu, denn jeder wusste, was in einer solchen Extremsituation zu tun war. Wir hatten es mit Pattons schon zigmal geübt!

Er hatte uns aufgetragen, uns so ruhig zu verhalten, dass das Lager den Eindringlingen den Eindruck vermittelte, als wäre es unbewohnt. Sollte diese Schutzmaßnahme nicht fruchten, wäre der letzte Ausweg, sich tot zu stellen.

Deswegen legte ich mich unbedeckt neben Niall, dem ich die Luftzufuhr so lange abschnitt, bis dieser in eine Bewusstlosigkeit entglitt. Ich hingegen hielt die Luft an, presste meine Augen zu und hoffte, dass mich mein lauter und erhöhter Pulsschlag nicht verraten würde.

Das nächste Geräusch, was ich vernahm, ließ mir das Blut in den Adern gefrieren. Annel, dieses beschissene, aufgedunsene Kirmeskarussel, begrüßte die unbekannten Mörder mit einem freudigen und jauchzenden "HALLO!"

Sofort hörte ich mehrere scharfe Lufteinzüge aus den benachbarten Zelten. Ich wunderte mich, dass von Niall Reaktion, hinsichtlich Annels Verrat, kam, als ich mich wieder an seine komatöse Befindlichkeit zurückerinnerte. Kurz führte ich eine Reanimation aus und hoffte, dass seine Ohnmacht und der Sauerstoffmangel keine bleibenden Hirnschäden hinterließ. Niall kam mit einem tiefen Grunzen wieder zu sich.

"Was war passiert?", wunderte sich der Wiederauferstandene.

Mit einer zur Stille auffordernden Handbewegung würgte ich ihn ab und konzentrierte mich auf das Geschehen.

Ich lauschte dem Gespräch zwischen Annel und den Mördern. Je länger ich zuhörte, desto deutlicher wurde es, dass es sich um zwei 8-14 Jährige handeln musste...

"Was macht ihr hier?", fragte Annel die Beiden.

"Wir haben uns verlaufen und finden nicht mehr nach Hause", weinte eines der Kinder.

"Oh, Nein! Wie furchtbar. Ihr könnt gerne die Nacht bei uns im Zelt verbringen, wir haben genügend Platz", sprach nun Anne.

Erneut vernahm die anderen V-Ritter, welche wiederum scharf die Luft einzogen.

"Das ist wirklich nett von euch. Aber sagt mal, seid ihr Beiden nicht die Dornertöchter aus dem Nachbardorf?", erkundigte sich ein Mädchen.

"Ja, genau die sind wir!", bestätigte Annel freudig.

"Macht ihr etwa ein Zeltlager? Da habt ihr euch im Februar einen schlechten Zeitpunkt ausgesucht!", lachte nun ein Junge. "Und warum bist du überhaupt nackt?"

"Das ist eine lange Geschichte, kommt, ihr Zwei. Lasst uns schlafen", vertröstete Anne die Kinder auf morgen und ich hörte, wie sie das Zelt betraten.

Ich war mir sicher, die beiden besiegelten so ihren Tod, denn ich traute den beiden Kindern nicht! Helfen wollte ich Anne und Annel jedoch nicht, denn ich war der Meinung, sie sollten ihre Lehren daraus ziehen.

Ich legte mich wieder zurück in mein Kissen und begann meine Zählung von vorne...

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MY OWN VIBRATOR (überarbeitet) Where stories live. Discover now