2.

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Wir hatten uns gerade aus unserer Umarmung gelöst und Annel saß bereits in unserem Wohnzimmer auf dem Kanapee.

Von der Küche aus konnte ich sie leise weinen hören und es brach mir das Herz. Annel war elf Jahre alt und bräuchte eigentlich in dieser Phase ihres Lebens eine Mutter, die ihr mit Rat und Tat zur Seite stand. Seufzend wand ich meinen Blick von ihr ab und gab mich wieder vollends der Säuberung des Essensporzelans hin, welches ich in warmes Wasser tunkte und mit einem Lappen abwusch. Ich griff auf ein längliches Sektglas und wollte dieses ebenfalls einer gründlichen Säuberung unterziehen. Aber als ich den Abwaschschwamm in das Innere des Glases gleiten ließ, dachte ich an ein Gespräch, welches ich vorgestern, als die Welt noch in Ordnung war, mit meiner Freundin Dörthe führte.

Aufgebracht klopfte sie an unserer Haustüre und als ich diese öffnete, sprang sie hysterisch lachend auf und ab.

"Dörthe? Was bist du denn so aufgebracht!"

"Anne, du wirst nicht glauben, was gestern passiert ist! Komm, ich erzähl's dir oben in deinem Zimmer!"

Auch ich musste anfangen zu kichern, denn mich konnte kaum etwas so sehr begeistern, wie ein paar Neuigkeiten aus unserem Dorf.

"Leg los, Dörthe!"

Wir saßen uns in meinem Bett gegenüber und erwartungsvoll blickte ich sie an.

"Letzte Nacht wurde mir ein Maistrich gelegt!"

"Dörthe, dass ist ja verrückt! Weißt du, wer ihn gelegt hat? Und noch viel wichtiger: Wer war am anderen Ende?"

Ich freute mich sehr, dass dieses Jahr Dörthe auserwählt wurde, aber dennoch überkam mich ein Gefühl der Trauer, denn eigentlich wollte ich dieses Jahr die Empfängerin des Maistrichs sein.

"Ich weiß nicht, wer ihn gelegt hat, aber am anderen Ende war der Schuster Georg!"

Sie wippte auf meinem Bett auf und ab und kicherte.

Der Schuster Georg also. Mein Neid flachte etwas ab, denn Georg fand ich noch nie wirklich betörend. Aber was Dörthe mir als nächstes erzählte, zog mir vor Eifersucht die Schuhe aus:

"Ich war abends allein zuhause, denn meine Familie war im Nachbardorf, da Tante Erna Geburtstag feierte. Georg war dem Maistrich gefolgt und stand deshalb vor meiner Tür! Und du weißt, was die beiden Maistrichempfänger zu tun haben, oder?"

Dörthe grinste verschwörerisch und ich wurde kreidebleich im Gesicht.

Sie hatte doch tatsächlich mit dem Schuster Georg geknödelt. Sie war also vor mir entjungfert worden. Tränen stiegen mir in die Augen.

"Oh, wie... wie toll!"

Ich hatte keine Kraft mehr, die Fassade aufrecht zu halten. Ich brach in Tränen aus, denn ich wollte diejenige sein, die Dörthe davon vorschwärmte, wie toll es sich anfühlte, einen Phallus in sich zu haben.

Ich war die Privilegierte! Ich war die Tochter eines mächtigen Politikers! Ich könnte mir sogar Klavier- und Englischunterricht leisten! Und Dirty Dörthe? Was hatte sie? Ich wusste, was sie zumindest nicht mehr hatte, nämlich ein intaktes Jungfernhäutchen.

"Anne? Anne warum weinst du? Das war nicht schlimm! Du darfst nicht denken, dass er mir weh getan!"

Wieder schluchzte ich in das Kissen, welches ich inzwischen auf meinem Schoß hatte, hinein.

"Es fühlte sich furchtbar gut an!"

Ich presste meine Lippen zusammen.

"Das solltest du auch mal machen!"

Ich schrie in das Kissen, doch sie hörte nicht auf.

"Anne, beruhige dich! Ich bin jetzt eine Frau! Er hat mich zu einer Frau gemacht!"

Ich wollte auch eine Frau sein.

"DÖRTHE HÖR AUF!"

Sie schaute mich perplex an und antwortete nicht.

"Du musst jetzt leider nach Hause gehen. Das Mittagessen ist fertig!", wies ich sie in die Schranken.

"Anne, es ist halb 9 Uhr morgens!?"

"Na und? Was weißt du schon über unsere Essensroutine? Nichts!", zischte ich ihr entgegen.

Dirty Dörthe stand auf und ging, ohne sich zu verabschieden.

Weinend warf ich das Glas in das Spülwasser. Ich konnte das jetzt nicht saubermachen.
Die Emotionen übermannten mich. Gerade wollte ich zu Annel, die ebenfalls weinte, aber wahrscheinlich nicht aus demselben Grund wie ich. Plötzlich vernahm ich leise Stimmen aus der Ferne und wusste: bald würde dieser Patterns, oder wie er hieß, hier die Bude stürmen.

Ich hörte auf zu weinen und trocknete mein verweintes Gesicht mit meinem Kleid ab: "Annel, willst du auch einen Kakao?"

Natürlich wollte sie einen. Ich ging also zu unserem Küchenschrank und machte uns einen Kakao. Als ich das besagte Heißgetränk nahm, wurden die Stimmen immer lauter und jemand klopfte an die Haustür.

"Wer das wohl sein wird? Erwarten wir Besuch?", wunderte ich mich und öffnete die Tür.

MY OWN VIBRATOR (überarbeitet) Where stories live. Discover now