Kapitel 31, Part 1

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Lustig war eine schwache Bezeichnung für den Verlauf dieses Gesprächs. Wir saßen alle völlig still im Wohnzimmer und jeder betrachtete mich, als wäre ich kurz davor, die Nerven zu verlieren und wie ein Amokläufer um mich zu schießen. Ich versuchte, die Blicke zu ignorieren und mich stattdessen auf meinen Kaffee zu konzentrieren. Schluck für Schluck rann die heiße Flüssigkeiten meine Kehle hinab und Wärme breitete sich in meiner Brust aus. Genießerisch schloss ich die Augen und stellte mir das Starbucks vor, in den ich immer mit Violet und Logan ging. Es kam mir wie eine Ewigkeit vor, als wir zuletzt alle zusammen dort waren und die komplette Karte durchprobierten. Ich vermisste meine Freunde. Ganz besonders Violet mit ihren verrückten Outfits und ihren noch verrückteren Ideen.

Meine Augen öffneten sich und immer noch herrschte Schweigen. Seufzend stellte ich meine Tasse auf den Tisch und lehnte mich im Schneidersitz auf meinen Stuhl zurück.

„Leute...", fing ich langsam an und ließ den Blick durch den Raum schweifen. „Ihr müsst damit aufhören." Keine Reaktion. Wieder seufzte ich, dieses Mal frustriert. „Hört auf, mich anzusehen, als würde ich gleich ausrasten, sonst ..." raste ich aus, wollte ich am liebsten sagen, verkniff es mir aber. Ich fing Stella's Blick auf, weil sie mir als die Vernünftigste erschien und bat sie stumm, endlich diese Stille zu beenden. Immerhin war diese Krisensitzung ihre Idee. Sollten wir da nicht über die aktuelle Krise sprechen?

„Wusstet ihr, dass bei Linkshändern die Nägel an der linken Hand schneller wachsen als auf der anderen Hand?" Jeder Kopf im Raum wandte sich Kyle zu, der mit toternstem Gesicht auf seinem Stuhl lehnte und einen Schluck aus seinem Kaffeebecher nahm. Er fuhr sich gelassen durch die blonden Haare und stellte den Becher wieder auf den Tisch. „Bei Rechtshändern ist es umgekehrt", fuhr er fort, weil niemand das Kommentierte.

„Wo hast du das denn her?", fragte Eric und lehnte sich auf der Couch vor. Nate folgte der Bewegung und sah tatsächlich interessiert aus.

„Unnützes Wissen", erklärte Kyle stolz. „Wusstet ihr auch, dass in Nordsibirien Frauen Feldschnecken auf ihren Angebeteten werfen?"

„Ähm..." Stella sprach nicht weiter. Sie wusste offensichtlich nicht, was sie dazu sagen sollte. Ich konnte sie verstehen.

Kyle, Nate und Eric begannen über sibirische Frauen zu diskutieren. Wie heiß musste eine Frau sein, um darüber hinwegzusehen, dass sie einen mit Schnecken bewarf? Wie groß waren diese Schnecken? Sollte man sich dabei geschmeichelt fühlen?

Niemand achtete mehr auf mich oder warf mir komische Blicke zu. Kyle hatte tatsächlich mit unnützem Wissen von mir abgelenkt. Ein dankbares Lächeln stahl sich auf meine Lippen und ich fing seinen Blick auf. Er zwinkerte mir zu und ich wusste, dass er das für mich getan hatte. Am liebsten hätte ich ihn umarmt, aber ich hielt mich zurück. Ein genervtes Schnauben drang von der anderen Seite des Raumes zu mir durch. Ich folgte dem Geräusch und blickte direkt in das angespannte Gesicht von Will, der Kyle mit seinem Todesblick fixierte. Als er merkte, dass ich ihn ansah, huschte ein schmerzhafter Ausdruck über sein Gesicht. Nur Millisekunden später starrte er wieder völlig emotionslos zu mir herüber und ich dachte, ich hätte mir den Ausdruck nur eingebildet.

Stella unterbrach die hitzige Diskussion über sibirische Frauen und lenkte meine Aufmerksamkeit von Will ab. Sie stand auf und forderte Konzentration von allen.

„Wir sind nicht ohne Grund hier", sagte sie streng und betrachtete Kyle besonders ausgiebig. Ihr Blick sagte deutlich Kein unnützes Wissen mehr!

„Was passiert jetzt?", fragte ich und war mir bewusst, dass mich wieder alle anstarrten. Ich hasste es, so im Mittelpunkt zu stehen. Trotzdem zwang ich mich, weiterzusprechen. „Ich kann mich nicht ewig hier verstecken. Micha- " Es fiel mir immer noch schwer, seinen Namen laut auszusprechen. Irgendwie hatte ich Angst, ihn damit heraufzubeschwören. Es war wie dieser Bloody Mary Mythos. Sagte man ihren Namen dreimal hintereinander vor einem Spiegel, kam sie und holte einen. Bei Michael fühlte ich mich ähnlich. Jedes Mal, wenn ich den Namen hörte oder nur dachte, zog etwas in meinem Inneren. Es fühlte sich an wie eine lange Schnur, die etwas suchte, mit dem sie sich verbinden konnte. Total merkwürdig.

Heart of FireWhere stories live. Discover now