Kapitel 22

3.5K 213 32
                                    

Wenn ich früher dachte, dass es nervte, von allen ignoriert zu werden, dann lag das daran, dass ich nicht wusste, wie es war, wenn einen jeder anstarrte. Natürlich kannte ich das Gefühl, wenn jeder mit dem Finger auf einen zeigte und die Leute einen Sicherheitsabstand hielten. Aber seitdem ich mit Will an meinem Spind stand und er mich zum Abschied geküsst hatte, war es, als hätte ich einen neongrünen Pfeil über meinem Kopf auf dem Stand Starrt mich alle an!

Wir waren erst zur ersten Pause in der Schule, da wir unterwegs noch frühstücken wollten. Will meinte, wenn wir schon zu spät kamen, dann aber richtig. Deshalb fuhr Violet zum nächsten Denny's und wir genehmigten uns alle ein üppiges Frühstück. An der Schule teilte uns Kyle mit, dass er sich in der Gegend umsehen und auch an der Galerie vorbeischauen wollte.

„Vielleicht finde ich irgendetwas", sagte er und übernahm das Mädchen-Mobil, wie er Violet's Auto spöttisch nannte.

„Und du willst sicher alleine fahren?", fragte ich ihn zum fünften Mal. Ich hatte angeboten, mit ihm zu fahren, aber weder er noch Will wollten etwas davon wissen.

„Ich bin durchaus in der Lage, auf mich aufzupassen." Kyle ließ den Schlüssel auf seinem Finger schwingen und lehnte sich gegen das Auto. „Im Gegensatz zu deinem Freund lasse ich mich nicht so leicht ablenken."

„Weißt du was, du -" Will stürmte auf Kyle zu und ich schnappte mir schnell seinen Arm.

„Okaaay", sagte ich und zog meinen Freund – es war komisch, ihn so zu nennen – zurück. „Wir sollten gehen, bevor wir alle Ärger bekommen."

„Aber er - "

„Hat es bestimmt nicht so gemeint", unterbrach ich Will erneut und stemmte meine Beine in den Boden, weil er einen weiteren Schritt auf Kyle zu machte, der sich vor Lachen den Bauch hielt.

Kyle, der weiter lachte und uns beobachtete, setzte zu einer Erwiderung an, doch mit einer ruppigen Armbewegung hielt ich ihn davon ab.

„Du weißt, dass du ihn irgendwann soweit hast, dass er dir ins Gesicht boxt, das ist dir klar, oder?"

Anstatt darauf zu antworten, zwinkerte er mir zu und stieg in den Wagen. Er kurbelte das Fenster hinunter und sagte: „Ich hole euch nach der Schule ab."

Kyle hielt uns mit kurzen Nachrichten auf dem Laufenden. Er war an der Galerie vorbeigefahren und wollte sich umsehen, aber dort trieb sich immer noch die Feuerwehr herum. Auch in der näheren Umgebung hatte er nichts Ungewöhnliches entdecken können, weshalb er jetzt bei meiner Mom vorbeisehen wollte. Diese Geste rührte mich und ich nahm mir vor, mich bei ihm zu revanchieren.

An meinen Spind gelehnt las ich seine letzte Nachricht, als ich Will neben mir bemerkte. Er sah nicht besonders glücklich aus.

„Was ist los?", fragte ich und legte das Handy in den Spind.

„Wieso schreibt er dir?" Er stierte geradezu auf meinen Spind, wo das Handy lag.

„Kyle?"

Will brummte bejahend und checkte sein eigenes Smartphone nach Nachrichten. Er musste auch welche bekommen haben, denn sein Gesicht entspannte sich etwas.

„Er hält mich auf dem laufenden", erklärte ich. „Er ist gerade bei meiner Mom. Sie ist im Tommy's. Das ist eine kleine Bar, die Straße runter. Da geht sie immer hin, wenn sie mal raus muss." Es war komisch über meine Mom zu sprechen. Ich hatte sie nicht mehr gesehen seit sie mich hinausgeworfen und mich ein Monster genannt hatte. Wie es ihr wohl ging? War sie noch mit Dean zusammen? Konnte sie die Miete zahlen? Ich hatte so viel getan, um uns über Wasser zu halten. Wie sollte sie das alleine schaffen?

Heart of FireWhere stories live. Discover now