Kapitel 21

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War ich wirklich so durchschaubar?

Wie kam es, dass sowohl Will als auch Kyle wussten, dass ich vorhatte, trotz des Verbotes, zu Mr. Milano zu fahren? Ich hatte mich eigentlich immer für eine gute Lügnerin gehalten. Auch, wenn man sich mit dieser Eigenschaft nicht rühmen sollte.

„Können wir los?", fragte Kyle, der immer noch gelangweilt am Baum lehnte. Mit seiner dunklen Cargohose im Army-Style und dem schwarzen T-Shirt verschmolz er beinahe mit der Umgebung im Wald.

„Was zum Teufel willst du hier, Kyle", forderte Will zu erfahren und sein Tonfall war wieder einmal an der Grenze zu fies-und-gemein.

Kyle stieß sich vom Baum ab und schlenderte auf uns zu. Dabei ließ er seinen Blick über uns wandern und blieb an unseren verschränkten Händen hängen. Er warf mir einen fragenden Blick zu und Will drückte meine Hand etwas fester.

„Offensichtlich dasselbe wie du", antwortete er auf Will's Frage. „Ich will verhindern, dass sie bei der Aktion draufgeht."

„Wieso geht ihr eigentlich beide davon aus, dass ich draufgehe?" Irgendwie war das beleidigend und ich fühlte mich gekränkt. Ich war durchaus in der Lage, auf mich aufzupassen. Zwar standen die letzten Aktionen, der Angriff von Dean beispielsweise, nicht zu meinen Gunsten, aber ich war stark genug, mich zu verteidigen, wenn es sein musste. „Woher weißt du überhaupt, was ich vorhabe?", wollte ich außerdem wissen. Hatte er mein Telefongespräch mit Violet belauscht?

Kyle lacht. „Meine liebe, süße Fin", fing er grinsend an zu erzählen. „Du hast eine Reihe wahnsinnig fabelhafter Eigenschaften, aber du bist eine grottenschlechte Lügnerin und du neigst zu extrem impulsiven Handlungen. Außerdem tust du grundsätzlich das Gegenteil von dem, was man dir sagt."

„Das stimmt doch gar nicht!"

Will schnaubte und erntete daraufhin einen meiner Todesblicke. Er grinste nur und zog mich wieder näher an sich heran. „Er hat recht, Liebes. Du bist nicht besonders kooperativ, wenn du dir eine Meinung gebildet hast."

„Seit wann bist du denn auf seiner Seite?", wollte ich eingeschnappt wissen.

„Ja, seit wann bist du auf denn auf meiner Seite?", erwiderte auch Kyle überrascht. Sein Blick glitt immer wieder zu unseren miteinander verwobenen Händen und er schien tatsächlich verwirrt zu sein. Kein Wunder, wenn man bedachte, dass Will mich die letzten beiden Wochen ignoriert und ich meinen Frust darüber täglich an einem Sandsack ausgelassen hatte. Schon witzig, wie sich manche Dinge entwickelten. Da schlich ich mich um drei Uhr nachts aus dem Haus und hatte plötzlich ... Was? Einen Freund? Einen Kerl, den ich hin und wieder küssen konnte? Wir hatten gar nicht geklärt, was die Sache zwischen uns bedeuten sollte. Waren wir Freunde mit gewissen Vorzügen? Oder mehr? Ich wusste, dass er mich mochte. Mir ging es genauso. Aber führten wir eine Beziehung?

Ich sollte solche Dinge vielleicht nicht bei einer Nacht-und-Nebel-Aktion beginnen. Wir mussten uns über diese Sache später noch einmal genauer unterhalten. Ich würde nämlich keine Freundin mit gewissen Vorzügen sein. Schließlich hatte ich auch meinen Stolz.

Mein Smartphone vibrierte wieder in meiner Hosentasche und ich zog es heraus, um den eingehenden Anruf anzunehmen.

„Ich bin gleich da", sagte ich statt einer Begrüßung, weil ich wusste, dass Violet nicht die geduldigste Person war.

„Ich stehe hier seit einer halben Stunde alleine in einem dunklen Wald und habe angefangen Selbstgespräche zu führen und mit nichtvorhandenden Serienkillern zu verhandeln. Wenn du meine geistige Gesundheit retten willst, beeilst du dich mal lieber."

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