Kapitel 20

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„Du solltest etwas essen." Stella's Worte drangen nur gedämpft zu mir durch. Ich hatte die Musik im Fitnessraum voll aufgedreht und der Sound von Def Leppard dröhnte von allen Seiten des Raumes auf mich ein, während ich den Sandsack bearbeitete als wäre er die Wurzel allen Übels.

Normalerweise ließen mich alle in Ruhe, wenn ich mich hierhin zurückzog und mithilfe meiner Achtzigerjahre-Rock-Playlist trainierte. Irgendwie beruhigte mich der harte Sound der Achtziger. Nur Stella schien sich nicht daran zu stören, dass ich meine Ruhe haben wollte.

Sie drehte die Musikanlage leiser und hielt den Sandsack fest, sodass ich nicht mehr auf ihn eintreten konnte, ohne Stella dabei in den Magen zu kicken. Schnaufend trat ich zurück und wischte mir den Schweiß von der Stirn.

„Hab keinen Hunger", sagte ich und klang dabei nur ein wenig atemlos. Meine Kondition wurde täglich besser und ich hielt immer länger durch.

„Du musst auch mal etwas essen", versuchte Stella noch einmal. „Kaffee wird dich nicht ewig auf den Beinen halten, Kleines."

„Aber noch eine Weile."

Stella seufzte und betrachtete mich traurig. „Du kannst so nicht weitermachen, Fin. Ich will dir doch nur helfen ..."

„Aber du hilfst mir doch", antworte ich und mied ihren Blick. „Du lässt mich hier wohnen."

Seit meine Mom mich vor die Tür gesetzt hatte, waren zwei Wochen vergangen. Zwei Wochen, in denen ich damit beschäftigt war, das Loch, das früher einmal mein Herz gewesen war, mit Nichtigkeiten zu stopfen. Zuerst war ich dankbar für die Taubheit gewesen, die sich beim Verlassen der Wohnung in mir breitgemacht hatte. Sie hielt mich davon ab, zusammenzubrechen und mich in Embryolage an den Straßenrand zu legen. Mein Geist hatte sich einfach von meinem Körper gelöst und nichts konnte mir etwas anhaben oder auch nur zu mir durchdringen. Ich hatte nicht einmal gemerkt, wie Will mich in einen Zug setzte und mit mir zum Dorf der Begabten fuhr. Erst als wir am Waldrand standen und Will mich beinahe grob an den Armen packte und mich schüttelte, verließ die Taubheit meinen Körper. Stattdessen machte sich Wut darin breit.

Wut war eine hartnäckige Emotion. Sie war wie ein Parasit, der in mir den perfekten Wirt gefunden hatte und nun die leere Stelle in mir ausnutzte, um sich dort einzunisten. Will, der immer noch meine Arme umfasste, betrachtete mich fast panisch und die Wut stürzte sich sofort auf ihn.

„Lass mich los", sagte ich leise, aber bestimmend. Will tat es.

„Rede mit mir", bat er mich. Sein Blick war drängend. „Du hast kein Wort gesagt, seit ..."

„Meine Mom mich rausgeworfen hat? Du kannst es ruhig laut aussprechen. Ich werde schon nicht zusammenbrechen." Jedenfalls nicht jetzt.

„Fin ..."

„Wieso hast du dich eingemischt?" Da war sie, die Wut.

„Was?"

„Wieso konntest du dich nicht einfach raushalten? Ich hätte die Situation in den Griff bekommen, wenn du dich nicht eingemischt hättest."

„Sie hat eine Flasche nach dir geworfen!", brauste er auf und wollte wieder nach mir greifen. Ich wich vor ihm zurück und ein verletzter Ausdruck glitt über sein Gesicht.

„Sie hätte mich nicht getroffen. Sie zielt nicht sehr gut." Das war lächerlich. Ich wusste, dass die Flasche auf meinem Kopf gelandet wäre, wenn Will mich nicht weggezogen hätte. Ich wusste das! Aber diese grenzenlose Wut in mir brauchte ein Ventil und außer Will war niemand hier. Das war nicht fair, schon klar, aber Wut war nicht rational. Sie war impulsiv und kümmerte sich nicht darum, wen sie traf.

Heart of FireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt