Kapitel 35

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Angeschossen.

Da befand sich ein Loch in meiner Brust.

Es blutete.

Es tat weh.

Das waren die Fakten. Wenn ich mir das nur oft genug in Gedanken sagte, dann würde ich es irgendwann vielleicht glauben. Denn, ganz ehrlich, ich konnte nicht fassen, dass man auf mich geschossen hatte.

In den vielen Jahren mit meiner Mom und ihren zahlreichen Männern hatte man mir schon vieles angetan. Man hatte mich geschlagen, verbrannt, geschubst und gedemütigt. Ich wurde an Stellen berührt, an denen man ein kleines Mädchen niemals berühren sollte. Einmal hatte meine Mom mich sogar ausgesetzt.

Damals waren wir in einem Second Hand Shop und ich weinte, weil sie mir den einäugigen Teddy nicht kaufen wollte, in den ich mich unsterblich verliebt hatte. Ich war acht Jahre alt. Ihr war die Situation peinlich und als gerade niemand zu uns sah, beugte sie sich zu mir herab und flüsterte: „Lerne erst einmal, für dich selbst zu sorgen. Dann begreifst du vielleicht, dass es im Leben wichtigeres gibt als Spielzeug. Wenn du frierst und Hunger hast, wirst du dir wünschen, diesen Teddy niemals gesehen zu haben."

Dann griff sie zu dem Stofftier, schob mir den Teddy in die Arme und bezahlte ihn. Ich freute mich wahnsinnig darüber und strahlte begeistert. Als ich aufsah, war meine Mom weg. Sie hatte mich in dem Geschäft zurückgelassen, ohne Geld und ohne Telefon. Ich irrte Stunden alleine mit meinem Teddy umher und suchte nach ihr, konnte sie aber nirgends finden. Irgendwann fiel ich einem Polizisten auf, der mich dabei erwischte, wie ich einer Frau einen Dollar aus der Jackentasche stahl. Ich hatte Hunger. Der Polizist sprach mich an und fragte, wo denn meine Eltern seien, worauf ich antwortete, dass ich meine Mom verloren hatte. Er brachte mich dann nach Hause. Als meine Mom die Tür öffnete, fiel sie dem Polizisten weinend um den Hals. Ich sei weggelaufen, sagte sie und niemand wollte ihr helfen, weil ich noch nicht lange vermisst wurde. Der Polizist übergab mich ihr und ermahnte mich, nie wieder wegzulaufen oder zu stehlen. In der Wohnung nahm meine Mom mir den Teddy weg und warf ihn aus dem Fenster.

„Verstehst du es jetzt?", fragte sie, als ich fassungslos den freien Fall des Stofftieres beobachtete. „Es gibt wichtigere Dinge im Leben."

Ich fragte nie wieder, ob sie mir etwas kaufte. Obwohl mir die Sache damals schwer zusetzte und ich nächtelang weinte – um den verlorenen Teddy und die Grausamkeit dieser Lektion – war die Tatsache angeschossen zu werden, um einiges schwerer zu begreifen. Mein rechter Arm kribbelte und ich konnte meine Umgebung nur noch verschwommen wahrnehmen. Gleichzeitig kam mir alles unglaublich intensiv vor.

Verblute ich gerade?

Dem feuchten Gefühl in meinem Rücken nach zu schließen, verlor ich ziemlich schnell - ziemlich viel - Blut. In meinem Kopf setzte ein Rauschen ein, das nur von gemurmelten Satzfetzen durchbrochen wurde.

Wird er durchkommen? Was machen wir mit ihr?

Er muss in der Nähe sein, wir sollten ausschwärmen und ihn suchen. Die Verbindung ....

Der Rest ging in meinem Schmerzensschrei unter als ich versuchte, mich auf die Seite zu drehen. Mir wurde schwarz vor Augen und ich hielt die Luft an. Jede Bewegung tat mir weh und ich überlegte ernsthaft, das Atmen sein zu lassen, weil meine Brust bei jedem Atemzug wie Feuer brannte. Ich spürte eine Vibration am Boden. Im nächsten Moment ließ sich Kyle neben mir auf die Knie fallen.

„Du lebst noch ....", stieß er erleichtert aus. Sein Gesicht war bleich und angespannt und ich konnte die Sorge darin erkennen. Er streckte seine Hände nach mir aus und drückte auf das Einschussloch, um den Blutfluss zu stoppen. Ich keuchte schmerzerfüllt auf, als er auf die Wunde an meiner Brust drückte.

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