Kapitel 24

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Ich hatte kein Zeitgefühl mehr. Es könnten zwei Tage oder mehr vergangen sein, seit die Otomi mich befragten. Magnus machte sich einen Spaß daraus, mir so lange ins Gesicht zu schlagen, bis mich nur noch die Stricke auf dem Stuhl hielten, an den sie mich gebunden hatten. Wenn ich noch ansprechbar war, ritzte er mir mit seinem Dolch die Arme auf und folgte der Blutspur mit der Spitze seiner Waffe. Ivan stand immer stoisch an der Tür und beobachtete das Ganze. Die Zelle, in der sie mich während ihrer Befragung festhielten, war der anderen sehr ähnlich. Der einzige Unterschied bestand in den Spielzeugen, wie Magnus die Hilfsmittel bezeichnete, die er für meine Folter verwendete. Er hatte einen Beistelltisch mit verschiedenen Messern und anderen spitzen Gegenständen, die ich zwar nicht benennen konnte, aber ich wusste wie sie sich anfühlten, wenn sie meine Haut durchstießen.

Sie stellten mir immer wieder die gleiche Frage: Wie machst du das?

Und immer wieder schwieg ich. Sie hielten mich für trotzig und stur, doch ich hatte längst meinen Kampfgeist verloren. Nach zwei Tagen, in denen mir die Arme aufgeschlitzt und mir ins Gesicht geschlagen wurde, hatte sich meine trotzige Art irgendwann verabschiedet. Mittlerweile wartete ich nur noch darauf, dass sie mich zurück zu Kyle in die Zelle brachten, wo er mich schließlich heilen würde. Er konnte nicht anders. Immer wieder hatte ich ihm gesagt, dass es doch keinen Sinn hatte, meine Verletzungen zu kurieren, wenn alles wieder von vorne begann, sobald die Sonne aufging. Doch Kyle heilte mich jedes Mal. Ich konnte sehen, dass es ihn anstrengte, doch er ließ sich nicht davon abhalten.

Magnus verpasste mir eine Ohrfeige, um meine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Mühsam fokussierte ich meinen Blick auf ihn, weil er sonst immer weitermachen würde. Inzwischen wusste ich, dass er es gerne mochte, wenn ich ihm während seiner Folter ins Gesicht sah.

„Gut, du bist wieder da", sagte er und sah erleichtert aus. „Ich dachte schon, der letzte Schlag hätte dich ausgeknockt. Wäre doch schade, wenn wir schon aufhören müssten, oder?"

Ja, total schade. Ich sagte kein Wort, aber er musste den Sarkasmus in meinen Augen gesehen haben, denn er grinste und tätschelte mir die Wange. „So ist es gut, Kleines."

„Wie machst du das?", fragte Ivan zum vierten Mal heute. Ich gab ihm keine Antwort und erntete eine weitere Ohrfeige, fester diesmal. Mein Kopf flog zur Seite und ich biss die Zähne zusammen, um keinen Laut von mir zu geben.

„Wie machst du das?", fragte er wieder. „Wie schaffst du es, dass wir dein Feuer spüren? Was bringt dich dazu? Schmerzen sind es offensichtlich nicht."

Ich antwortete nicht. Mein Schweigen ging ihnen auf die Nerven. Das konnte ich ihnen deutlich ansehen. Aber nur Ivan schien wirklich an den Antworten auf die Fragen interessiert zu sein. Magnus liebte es einfach, mich mit seinem Messer zu ritzten und mir ins Gesicht zu schlagen.

Ivan knurrte ungeduldig und Magnus grinste zufrieden. Wieder ein Schlag ins Gesicht. Das ihm das nicht langweilig wurde?

„Hol den Jungen", bellte Ivan und stieß Magnus von mir weg. Er umfasste meinen Hals und drückte zu. Ich japste nach Luft und fing an, mich gegen die Fesseln zu wehren. „Ich werde den Jungen an diesen Stuhl binden und du wirst zusehen, wie ich mit ihm dasselbe mache, wie Magnus mit dir. Ich werde ihn der Länge nach aufschlitzen und ihn ausbluten lassen. Dann sehe ich zu, wie er heilt und fange wieder von vorne an. Hast du das verstanden, Kleines?"

Ivan drückte noch fester zu und ich sah Punkte vor meinen Augen tanzen. Durch den Sauerstoffmangel setzte etwas in mir aus und mein Instinkt übernahm. In mir klickte etwas, als würde sich ein Schloss öffnen. Anstatt das Gefühl zurückzudrängen, überließ ich ihm die Kontrolle. Mir wurde schwarz vor Augen und mein Schutzwall löste sich auf. Ivan ließ mich schlagartig los und riss erstaunt die Augen auf. Er sah von seiner Hand zu mir und wieder auf seine Hand.

Heart of FireWhere stories live. Discover now