Prolog

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„Dumm ist der, der Dummes tut." Der Satz aus meinem Lieblingsfilm schwirrte mir durch den Kopf als ich mit der flachen Hand den tiefen Riss an unserer Tür nachfuhr. Dabei war diese Tür nichts Besonderes. Sie war wie jede andere Haustür in dieser Etage und sollte mir nicht so viel Angst machen.

Tat sie aber.

Die Tür war nur angelehnt und Musik drang aus dem Inneren der Wohnung. Dabei hasste meine Mom Musik. Außer sie war nicht alleine. Wir hatten also Besuch.

Und genau davor hatte ich Angst.

Wieder schoss mir der Satz durch den Kopf: „Dumm ist der, der Dummes tut."

Ich wäre wirklich dumm, jetzt hinein zu gehen. Ich kannte die Leute, die Mom sich zu Besuch holte. Ich kannte die Männer. Sie waren alle gleich.

Groß und einschüchternd.

Gemein.

Ich ging trotzdem hinein. Ich würde es wohl nie lernen.

Schon im Flur stachen mir die großen schwarzen Stiefel ins Auge und mir fuhr ein Schauer über den Rücken. Wieso mir diese Schuhe solche Angst einjagten, wusste ich nicht. Es waren ganz normale Bikerstiefel. Abgetragen und an der Spitze mit Matschflecken bedeckt.

Männerschuhe.

Ich hasste es, wenn solche Schuhe bei uns in der Wohnung lagen.

Mit zittrigen Händen strich ich mir die weißblonden Strähnen aus dem Gesicht, die sich aus meinem Pferdeschwanz gelöst hatten und ging weiter den Flur entlang. Als ich im Wohnzimmer stand sah ich ihn.

Ein Mann saß auf unserem fellbraunen Sofa, vor sich eine offene Flasche. Die dunkle Flüssigkeit schwappte hin und her, als der Mann die Flasche direkt an seine Lippen führte und einen tiefen Schluck daraus nahm. Seine Lider sanken sich beinahe genüsslich und er wischte sich einzelne Tropfen mit der Hand vom Kinn und leckte sich die Finger.

Nur nichts verschwenden.

Ich musste ein Geräusch gemacht haben, denn die müden Lider des Mannes hoben sich und sein stechender, kalter Blick richtete sich auf mich.

Ich schluckte.

„Wo ist meine Mom?", fragte ich leise, wohlwissend, dass meine Stimme merklich zitterte.

Der Mann drehte die Musik mit einer Fernbedienung leiser und sah mich mit fragendem Blick an. Ich wiederholte die Frage.

Er lachte kurz. Es klang nicht fröhlich.

„Nicht da", sagte er und nahm einen weiteren tiefen Schluck. Er stellte die Flasche wieder auf den Tisch vor der Couch und rieb sich genüsslich den flachen Bauch.

Sein Blick schweifte erneut zu mir und glitt über meinen gesamten Körper. Langsam musterte mich der Mann und verharrte an gewissen Stellen viel länger als an anderen.

Meine Hände zitterten stärker.

„Du bist bestimmt Fin." Der Mann richtete sich auf der Couch auf und legte seine Unterarme auf die Knie. Dabei ließ er mich nicht aus den Augen. „Deine Mom hat mir von dir erzählt."

Natürlich hatte sie das.

Sie hatte gewusst, dass ich gleich nach Hause kam.

„Sie holt noch mehr von dem Zeug", fuhr er fort und deutete auf die fast leere Flasche auf dem Tisch. Wieder musterte er mich und hob seine Lippen zu einem halben Grinsen. „Wir wollten feiern. Ich bleibe für eine Weile und passe auf euch Mädchen auf."

Heart of FireWhere stories live. Discover now