Kapitel 19

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In den paar Sekunden, die ich brauchte, um richtig wach zu werden und zu realisieren, dass ich nicht alleine in meinem Bett lag, durchlief ich vier Stufen der Konfliktlösung.

Erste Stufe: Beschreibung des Sachverhalts. Okay, ich lag mit dem Kerl, der mich gestern versehentlich unter Drogen gesetzt hatte, im Bett und er schien noch immer friedlich zu schlafen.

Zweite Stufe: Wahrnehmung und ehrliche Formulieren der eigenen Gefühle. Ich fühlte mich ... ausgeruht. Keine Ahnung, wie man sich fühlen sollte, wenn man William Hale als Kopfkissen missbrauchte. Wenn ich daran dachte, dass ich ihn gestern geradezu angefleht hatte, hier zu schlafen, fühlte ich mich beschämt und wollte mich in ein Loch eingraben und nie wieder herauskommen. Andererseits hatte er sich nicht gerade dagegen gewehrt und er meinte doch, dass ihm unsere Knutscherei nicht egal war. Vielleicht war das alles ja keine große Sache und wir konnten beide darüber lachen. Mir fiel sein Blick von gestern wieder ein, als ich zugegeben hatte, dass mir die Sache auch nicht ganz egal war und wusste, dass er bestimmt nicht darüber lachen konnte. Shit. Was machte ich jetzt?

Egal, dritte Stufe: Darstellung der eigenen Bedürfnisse und dem Grund, weshalb der Konflikt entstanden ist. Ich hatte unter Drogen gestanden, ganz einfach. Diese Stufe mochte ich. Hier war ich nicht schuld. Das gefiel mir. Jeder wusste, dass ich Schmerzmittel nicht vertrug. Hatte ich noch nie. Deshalb nahm ich, wenn nötig, auch nur Aspirin. Will konnte nicht wissen, dass meine Mom Oxycodon hortete wie ein Junkie.

Vierte Stufe: Konkrete Bitte aussprechen. „Bitte, schlaf weiter!", dachte ich panisch als ich versuchte, mich so vorsichtig wie möglich von ihm zu lösen.

Ganz langsam hob ich meinen Kopf von seiner Brust und achtete dabei darauf, keine hektischen Bewegungen zu machen. Ein kurzer Blick auf sein entspanntes Gesicht zeigte, dass er immer noch schlief.

Gut.

Ich linste an ihm vorbei zu meinem Wecker und sah, dass es bereits neun Uhr morgens war. Heute war Sonntag, also kam ich wenigstens nicht zu spät zur Schule und meine Mom würde sich wohl kaum wundern, wieso ich immer noch im Bett lag. Ich fragte mich, ob sie überhaupt zu Hause war oder ob Dean sie unterwegs abgefangen und ihr eine Geschichte aufgetischt hatte. Würde sie ihm glauben?

Natürlich würde sie das.

Für sie waren andere immer glaubwürdiger als ich. Schließlich hatte ich ihr alles genommen, was sie liebte. Ihre Jugend.

So vorsichtig wie möglich rutschte ich von Will weg und hatte schon meine Füße auf dem Boden, als seine Hand vorschnellte und mich am Arm packte. Starr vor Schreck wagte ich es nicht, mich zu bewegen, wandte mich aber schließlich meinem Übernachtungsgast zu. Dieser sah mit amüsiertem Blick zu mir hoch und um seine Lippen zuckte ein Lachen.

„Du schleichst dich nicht wirklich aus deinem eigenen Zimmer, oder?"

Wie sollte ich das leugnen, wo ich doch tatsächlich vorhatte, genau das zu tun?

„Das tut echt weh, Fin", gab er gespielt verletzt zu. „Da werde ich wie ein billiger One-Night-Stand behandelt, obwohl ich nur getan habe, worum du mich gebeten hast. Ich fühle mich echt benutzt, Liebes."

Ich wurde rot und brachte immer noch keinen Ton heraus. Er bewegte die Finger der Hand, mit der er immer noch meinen Arm festhielt und die Berührung sandte Stromstöße durch meinen Körper. Den erregten Schauder konnte ich nicht unterdrücken und wurde beim Anblick seines selbstgefälligen Grinsens sofort wütend.

Gut.

Mit Wut konnte ich besser umgehen.

Ich riss mich von ihm los und brachte schnell einige Meter Abstand zwischen uns. „Was willst du eigentlich noch hier?", fragte ich schroff, wohlwissend, dass ich ihn nahezu angebettelt hatte, hier zu schlafen.

Heart of FireWhere stories live. Discover now