Kapitel 51

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Der See schien höher zu sein, als er die letzte Zeit war. Dabei konnte ich mich nicht daran erinnern, dass es in den letzten Tagen geregnet hatte.
Die einzige Erklärung die ich mir vorstellen konnte war, dass es in den Bergen einige Schauer gegeben hatte und durch die Zuflüsse hatte der See an Menge zugenommen.
Aber auch die Strömung war stärker als sonst.

Wie immer zog mich das Wasser magisch an ohne das ich etwas dagegen tun konnte. Es war als würde ich an einer Leine hängen an dem das Wasser immer mehr zog.

So stand ich auch jetzt wieder direkt am Ufer des Sees und sah zu, wie das Wasser mir über meine Füße schwappte und eine nasse Spur hinter sich her zog.

Was gibt es schon schöneres als schön nasse, kalt Füße zu haben? Ich hätte mir mal lieber meine Schuhe ausziehen sollen, als gedankenverloren durch die Weltgeschichte zu rennen....

Ich betrachtete den See genauer und ließ meinen Blick über seine ganze Weit erstrecken.

Der Mond reflektierte sich auf dem Wasser und der ganze Himmel spiegelte sich in dem See wieder.
Es sah aus als würden tausend glühende Diamanten auf dem Wasser liegen. Zum greifen nahe aber doch so weit entfernt.

"Der zweite Himmel auf Erden", dachte ich und hockte mich hin.

Nur das der Himmel jedes Mal neu geformt wurde, da das Wasser ständig seine Form und seine Bewegungen änderte.

Das Wasser formt wohl seinen eigenen Himmel...

Eigentlich war das Wasser wie der Lauf des Lebens. Ständig im Wandel und Veränderung sowie aber auch Erneuerung. Es fand neue Wege. Hatte die Gewalt Dinge zu zerstören. Hatte aber auch die Macht neue Dinge zu erschaffen. Wie gegensätzlich eine Kraft so sein kann aber gleichzeitig so wunderschön.

Wie wäre es dann bloß, wenn man nicht nur diese eine Kraft hätte?

Manchmal handelt man aus dem Moment heraus anstatt das man seinen Verstand benutzt.

So stand ich bereits bis zu meiner Hüfte in dem mich umschlingenden See und war fasziniert von seinem Anblick.

Manche würden fragen, was man nur so schön an ein bisschen Wasser finden konnte. Andere würden meine Faszination vielleicht verstehen.

Ich meine Wasser hält uns am Leben also wie sollte es nicht faszinierend sein? Wie konnte man es als selbstverständlich ansehen, wenn es das doch eigentlich nicht war?
Jeder noch so winzige Grashalm oder jede kleine Ameise braucht einen Tropfen Wasser um leben zu können.

Ich strich sanft mit meinen Fingern unter der Wasseroberfläche hin und her, während die Strömung mich immer mehr ins Innere des Sees zog.

Komisch... vorhin noch war die Strömung ganz anders.... hatte sich die Richtung des Windes geändert?

Die Strömung wurde immer stärker und sie zog mich immer weiter runter. Bald würde ich den Halt verlieren. Vielleicht untergehen. Vielleicht ertrinken. Aber ich machte keine Anstalten mich umzudrehen und mich in Sicherheit zu bringen.

Irgendwas riss an mir, wie ein Hund an einem Stück Fleisch. Es hatte sich mit seinen Krallen um mich herum geschlungen und würde mich nicht mehr freigeben.

Komischerweise verspürte ich keine Angst. Keine Sorge. Keine Bedenken.

Irgendwie wusste ich, dass mir nichts passieren würde, dennoch gab ich nicht nach und stemmte mich gegen die Kraft, die an mir riss und mich holen wollte.

Meine Schuhe verloren langsam den Halt. Sie rutschten langsam aber sicher von den Steinen, die mit flutschigen Algen bedeckt waren am Untergrund ab. Ich hätte die Sekunden zählen können, schloss stattdessen jedoch meine Augen und gab mich dem Wasser hin.

Ich streckte meine beiden Arme zur Seite aus und ließ mich mitreißen. Ein Wind erfasste mich von hinten und schleuderte mich nach vorne. Meine Füße gaben nach und ich hatte das Gefühl zu fallen.

Gleichzeitig jedoch umspielte der Wind meine Haare und wirbelte in heftigen Stößen um meinen Oberkörper herum. Er ließ mich nicht ertrinken. Dennoch drückte er mich immer weiter in die Mitte des Sees.

Der See fing plötzlich an türkis zu leuchten und das Wasser sprudelte auf.

Während ich durchs Wasser glitt, hatte ich das Gefühl, dass ich in einem Wirbelsturm gefangen wäre.

Das Wasser zog mich nach unten und der Wind zerrte an allen Seiten an mir.

Ich verlor immer mehr die Orientierung und versuchte mich auf das Leuchten des Wassers zu konzentrieren.

Was passiert hier bloß?

Das Wasser türmte sich auf und wuchs und wuchs zu einer immer höheren Mauer heran. Weißer Schaum kräuselte sich an den Enden der Wasserfrontäne und es sah aus, als würde ein Vulkan ausbrechen.
Anstatt Lava spritzte nun überall Wasser herum.

Es spritze in mein Gesicht und benässte mein Haar. Es war eiskalt und ich fror innerlich.

Der Wind zog mich nun immer höher und höher, sodass ich das Wasser kaum mehr berührte.

Meine Sicht wurde klarer und ich konnte nun das ganze Ausmaß mit ansehen.

Meine Augen weiteten sich und erst jetzt fing mein Herz an zu rasen.

Was hatte ich getan?

Jetzt verspürte ich Angst. Jetzt hatte ich Sorge. Jetzt hatte ich Bedenken.

Und drei Meter über dem Wasser ließ der Wind mich los und die Schwerkraft holte mich ein.

Das Wasser kam immer näher. Nein, besser gesagt ich kam dem Wasser immer näher.

Meine Hände wirbelten hilflos umher, mit dem Versuch Halt zu finden. Jedoch konnte ich nichts anderes greifen als die stofflose Luft.

Die Fontäne schwoll weiter an und als ich nur noch ein paar Zentimeter über ihr war erfasste sie mich mit ihren Tentakeln und drückte mich unter Wasser.

Ich versuchte Luft zu holen und schlug um mich. Die Dunkelheit erfasste meinen Körper und das Wasser gelang in all meine Körperöffnungen. Ich bekam keine Luft mehr und mein Körper wurde taub. Ich spürte keine Gefühle mehr, weder in meinen Armen, noch in meinen Beinen.

Alles was ich noch vernahm war das immer langsamere Pochen meines Herzens.

So schnell kann der Tod also sein? Aber doch so ruhig...

Ich blickte nach oben, der Welt entgegen und sah nur die ruhige Wasseroberfläche die im Licht des Mondes glitzernd schimmerte.

Ein letztes Mal blinkte das Wasser türkis auf, dann wurde alles um mich herum schwarz und ich versank schwerelos in der Tiefe.

Mein Herzschlag wurde langsamer und langsamer bis auch er in der Stille der Umgebung unterging.







Die Geschichte einer Kriegerin- Band 1 Where stories live. Discover now