Kapitel 2

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Tagsüber ging ich in den Wald um zu jagen, da wir schon lange keine Gäste zum bewirten mehr hatten, die unsere Nahrung finanzierten.
Wenn wir überhaupt Gäste zu Gesicht bekamen, war es lächerlich was sie uns bezahlten. Es war unter unserer Würde. Nicht selten kam es vor, das die Männer uns spezielle Angebote machten. Mit einem Lächeln im Gesicht und einen verspielten Lachen mussten wir dies verneinen. Unsere einzige Aufgabe bestand dann darin sie betrunken zu machen und zu hoffen, dass sie schnell wieder verschwinden würden.

Ich musste mich oft zurückhalten ihnen jegliche Bemerkungen und sämtliche Beschimpfungen an den Kopf zu spucken. Aber wir waren auf das Geld angewiesen und ich hatte große Mühe mich zurück zu halten. Außerdem hatte ich es meiner Mutter versprochen.

Aber es war einfach widerlich. Sie stanken und benahmen sich wie die Größten der Welt, dabei hatten sie nichts in ihrem Leben, was eigentlich schon wieder traurig war. Sie waren nichts als ein Häufchen Elend.

Im Wald war ich für mich ganz alleine und dort konnte ich meine Gefühle offen zeigen, denn den Rest meiner Familie wollte ich nicht noch mehr Sorgen bereiten.

Es ist viel zu viel in letzter Zeit geschehen, als das ich das Spiel noch länger hätte mitspielen können. So zu tun als wäre alles gut, obwohl es das überhaupt nicht war. Mein Gesicht glich einer Puppe, mit ihrem perfektem Lächeln auf den Lippen. Einer Puppe mit einem immer gleichen Ausdruck. Es war Schauspiel, ich war ein Schauspiel. Es war nicht echt.

Es war eine kaputte Welt in der wir lebten. Jeder bangte um seine Zukunft und stellte sich die Frage, ob wir den nächsten Tag wohl noch erleben würden.

Wenn ich  im Wald war kehre ich erst spät in der Nacht zurück und verschwand schon im Morgengrauen, da ich den Anblick meiner Mutter nicht ertragen konnte. Wenn ich ihr in die Augen sah erkannte ich den tiefen Schmerz um ihren verlorenen Sohn und Ehemann. Nur im Wald konnte ich wirklich ich sein. Ich musste mich nicht verstecken und ich musste Anderen nichts vorspielen. Es war ein befreiendes Gefühl einfach mal aufatmen zu können und einfach nur die Natur zu spüren und nicht die immer währende Angst im Nacken.

Aber ich konnte mich nicht von meinen Gefühlen überwältigen lassen, nein, ich musste für sie stark sein und meine eigenen Gefühle verdrängen.

Auch am heutigen Tag verließ ich schon früh mein Zimmer, ich ging zur hinteren Tür im Erdgeschoss um dort meine abgestellten Schuhe zu holen.

Sie waren noch voll vom Schlamm. In den letzten Tage hatte es viel geregnet und der Boden im Wald hatte sich aufgelöst wie Eis in der Sonne. Hätte meine Schwester gesehen, das ich den Eingang so schmutzig gemacht habe, wäre ich wohl schon tot bevor die schwarze Armee nur in die Nähe des Hauses kommen könnte .

Puuh... Zum Glück ist sie noch nicht wach.

Meine Schwester war ein sehr eigener Mensch. Sie sagte immer, ich würde meinen Frust an meinem Aussehen auslassen, da ich ausschließlich nur schwarz trug. Eine schwarz eng anliegende Hose, sowie ein schwarzes Top und eine schwarze Lederjacke. Die meisten meiner Sachen hatten Löcher oder waren schon halb auseinander gerissen.

Was solls, bald werden wir wohl eh alle tot sein...

Ich war halt nicht so wie die üblichen Mädchen, die ihre hübschen Kleider trugen und ihre langen Haare immer in schöne Hochsteckfrisuren verwandelten. Ich bevorzuge es eher einfach und trage dazu meinen langen, gewellten Haare offen oder band sie mir irgendwie im Nacken zusammen. Schließlich habe ich andere Sorgen als darauf zu achten wie ich aussehe.

Ich nahm mir meinen Langbogen den ich am Vorabend gegen die Tür gelehnt hatte und machte mich auf den Weg zu den Fallen, die ich im inneren des Waldes aufgestellt hatte.

Es gab nicht mehr viele Tiere hier im Wald, wenn ich Glück hatte erwischte ich ein paar Elstern oder Hasen. In diesem Wald noch auf ein Reh oder ein Wildschwein zu treffen wäre ein echtes Wunder. Durch die Feldzüge der Soldaten waren die Wälder so gut wie leer gejagt.

Aber selbst wenn ich heute nichts fangen würde, würde ich die Ruhe genießen und die Geräusche der Natur. Es gab nichts was entspannter war für mich. Ich hatte keine Lust auf stundenlange Diskussionen mit meiner Schwester. Wollte mir nicht anhören, wie ich mich benehmen und sein sollte. Außerdem wollte ich nicht den ganzen Tag mit widerwärtigen Männern zusammen sitzen und sie bespaßen. Wenn überhaupt mal einer da war.

Anscheinend hatte ich heute aber Glück, in einer meiner Fallen befand sich ein Hase, zwar war an ihm nicht viel dran aber immerhin.

Ich richtete die Falle neu aus und machte mich auf den Weg die anderen Tierfallen zu untersuchen und hoffte darauf das sich mein Glück heute vielleicht noch verdoppeln würde. Die Sonne schien durch die Baumkronen und ihre strahlen wärmten mein Gesicht. Ich nahm alles in mir auf. Jeden knackenden Ast, das zwitschern der Vögel und das Rauschen des Baches. Stundenlang lief ich so durch den Wald und konzentrierte mich auf jedes Geräusch.

Das Ergebnis am Ende war jedoch, dass die anderen fünf Fallen leer waren.

Da ich keine Lust dazu hatte noch weiter auf die Jagt zu gehen, begnügte ich mich vorerst mit dem Hasen. Nach Hause wollte ich jetzt allerdings noch nicht, denn der Sonne nach zu schätzen war es erst so gegen vier Uhr. Daher machte ich mich auf zu dem Fluss der weiter oben in den Bergen lag.

Es war einer meiner Lieblingssorte, an dem ich mich hinsetzten konnte und einen Überblick über das ganze Tal hatte. Man fühlte sich dort als würde die Welt einem zu Füßen liegen. Gleichzeitig fühlte man sich aber auch ganz klein, weil einem dann erst bewusst wurde wie groß diese Erde war und wie klein man im Vergleich selber nur war.

Die Geschichte einer Kriegerin- Band 1 Where stories live. Discover now