Zwei

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Noyan POV:

Langsam öffnete sich die Tür, doch ich konnte nichts sehen. Nur ein leiser Atem war zu hören. ,,Hey", hörte ich eine raue Stimme. Ich schluckte. Mikas Stimme.

,,Kannst du auch nicht schlafen?", fragte ich und schaltete meine Nachttischlampe an. Mika trug bloß ein lockeres, weißes T-Shirt und eine ebenso lockere, weiße Schlafhose. Seine Haare waren etwas verstrubbelt. ,,Ich habs versucht, aber irgendwas weckt mich ständig."

Mein Blick glitt aus dem Fenster. ,,Womöglich kann das auch einer der Wachhunde sein, die kläffen gern einfach so ohne Grund." Ein leises Bellen war zu hören. Mika atmete einmal amüsiert aus.

Ich setzte mich auf und vergaß, dabei, dass ich gar kein Shirt trug. Ich kratzte mich nachdenklich am Hinterkopf. ,,Magst du vielleicht was anderes machen als zu schlafen versuchen?", fragte ich, und Mika nickte. ,,Gern." Ich rutschte zu der Bettkante Richtung Fenster und Mika setzte sich neben mich. Eine Weile saßen wir nur da und blickten zum Sternhimmel.

,,Verrückt, oder? Jeden Tag sterben Millionen von Sternen. Sie explodieren, wenn sie alt werden, und strahlen daher noch ein letztes Mal hell, bis sie schließlich in Vergessenheit geraten. An einem Ort länger, an einem Ort sofort." Mika fuhr sich durchs Haar. ,,Und deiner war Jahrhundere lang ebenfalls kahl und dunkel. Und trotzdem gab er sich nicht auf. Als hätte er eine eigene Seele, einen Willen, nicht aufgeben zu wollen." Seine Augen funkelten mich an, und ich merkte, wie meine Wangen heiß wurden.

Was war das? Weshalb hatte er eine derartige Wirkung auf mich? Ich meine er ist doch kein Mädchen?

Mein Blick glitt wieder aus dem Fenster. ,,Vielleicht war es der Willen von mir und meiner Mutter. Die stetige Hoffnung, dass etwas passiert, das uns retten wird. Etwas, das Vesta retten wird. Obwohl ich diese Hoffnung ja schon lang bevor ich zu den Tierkreiszeichen aufgebrochen bin aufgegeben hatte."

Mit einer Hand spielte ich am Saum des  Bettlakens herum. ,,Wie ist der Erdenmond? Ist es schön dort?"

Mika überlegte. ,,Definiere schön. Einige finden kahles Land und bloßes Gestein schön. Ich bevorzuge aber erdähnliche Elemente, schließlich war dies der Planet, den meine Mutter voller Leidenschaft geschaffen hat. Demnach haben wir dort oben ein erdähnliches Quartier das wie eine Kuppel ist, mit eigener Atmosphäre, Regen und eben unserem Schloss und dessen Gärten. Mit ein bisschen Mühe kann es überall schön sein."

In meinem Kopf stellte ich mir diesen Ort bereits vor, ebenso wie die Erde. Mond und Erde waren sein Ein und Alles, genau wie es Vesta bei mir war.

,,Und dennoch, obwohl du die Hoffnung aufgegeben hast, konnten wir sie dir zurückgeben. Ich habe dir das nicht gesagt, aber ich hatte große Angst um dich." Mika legte sich nach hinten und seufzte.

Ich legte mich daneben und blickte an die Decke. ,,Ich hab die Angst eigentlich schon seit Jahren begraben. Mein Vater hat mir fast mein ganzes Leben lang Gewalt angetan, daher hatte ich keine Angst mehr vor ihm. Ich wusste, dass seine Taten grausam waren. Alleine Freude empfinden war mir Jahrhunderte lang nicht möglich. An manchen Tagen wollte ich nicht mehr leben, an anderen tüftelte ich an einer Lösung. Marisol und ich sind schlussendlich aufgebrochen, und das war der erste Moment, in dem ich nach all den Jahren einen Hauch von Freude empfunden hatte."

,,Marisol?", fragte Mika interessiert. ,,Meine Pegasusstute. Ich habe sie nach meinem Aufbruch bei den Stieren gelassen. Als ich sie nach der langen Zeit abgeholt habe, kam sie angelaufen wie ein Hund, der sein Herrchen sieht." Ich lachte etwas. ,,Zum Glück hatte ich sie."

,,Es hat sich viel verändert seit unserer Kindheit. Aber ich bin froh, dass wir uns noch ähnlich gut verstehen wie damals." Ich nickte. ,,Das stimmt. Ich hab sogar manchmal alte Bilder von dir und mir gefunden. Nur damals wusste ich nicht mehr, wer du warst."

Der letzte SonnenstrahlWhere stories live. Discover now