Verwandlung

9 1 7
                                    

Petra POV:

Sie konnte es nicht wissen. Niemand konnte das. Warum wollten sie auch unbedingt ins Wasser gehen? Die Portale waren bisher stets Türen oder ähnliches gewesen, warum sollte es diesmal anders sein? Und warum war ich die einzige, die das so sah?

Ich hatte mich den Felsen hochgeschafft und sah mich um. Es war tatsächlich eine etwas größere Ebene hinter diesem kleinen Eingang verborgen. Neugierig machte ich einen Schritt nach dem anderen, als ich ein helles Licht sah. Ein warmes Licht. Ich lief weiter und fand hinter ein paar Ranken den Ursprung dieses Lichts: Ein großer, goldener Spiegel. Er war etwas eingestaubt und eine kleine, lilane Schnecke schleimte darauf herum.

Er reflektierte das wunderschöne Licht der Kristalle, die mich auch hier oben umgaben, und wild aus den Wänden wucherten. Ich warf einen Blick in diesen schönen Spiegel und blickte in meine grünen Augen. Leicht funkelten sie durch die Reflexion des Lichts, das von dem Spiegel ausging. Ich spürte Wärme in mir, Wärme, die mich von meiner noch eben so mächtigen Wut abwandte.

Dann passierte allerdings etwas eigenartiges. Mein Spiegelbild zwinkerte. Verdattert schüttelte ich den Kopf, doch es lächelte nur weiter. „Keine Sorge, Petra. Du hast die richtige Entscheidung getroffen, es war gut, dein eigenes Ding durchzuziehen. Du bist stark und stur, genau das, was Vater von dir verlangt hatte." Erschrocken riss ich die Augen auf, wich allerdings keinen Millimeter zurück. „Folge mir, das hier ist das Portal zu den Fischen." Ich lächelte stolz, doch legte dann den Kopf schief. „Was ist mit den anderen? Sie müssen doch mitkommen!" Mein Spiegelbild schüttelte den Kopf. „Sie waren so gemein, sie werden dich nie verstehen. Du kannst die letzte Prinzessin zu ihnen bringen und sie anschließend davon überzeugen, dass du Recht hattest. Glaub mir, dieses Portal führt dich direkt zu ihr."

Ich bemerkte ein Leuchten in ihren Augen. Es blitzte nur kurz auf, doch wie von allein machte mein Huf einen Schritt nach vorn. Mein Spiegelbild hielt mir die Hand hin und ich spürte, wie es mich mit seinen Fingern berührte. Der Spiegel wurde zu einem dunkelblauen Flimmerfeld. Ich wollte gerade weiter stolzieren, als ich von rechts einen heftigen Stoß bekam, und seitlich nach links geschleudert wurde.

Schmerzerfüllt hielt ich mir mein linkes Horn und sah direkt in Friedas Augen, die mich mit einem roten Leuchten musterten. „Ernsthaft?", sprach sie, ihre Stimme war allerdings einige Oktaven tiefer, als gewöhnlich. „Du hattest vor, einem merkwürdigen Spiegel zu glauben, aber Maricia nicht? Bist du komplett bescheuert?" Wutschnaubend scharrte ihr Huf auf dem Boden und ich sprang auf. „Frieda, ich kann nichts dafür, wenn deine Gabe dich aggressiv werden lässt, aber hör gefälligst auf damit! Du gefährdest uns immer mehr! Ist dir das bewusst?", fuhr ich sie an.

„Du weißt doch gar nicht, was du-" Sie brach ab. Und ich wusste auch warum. Sie hatte nun ebenfalls einen Blick in den Spiegel geworfen. Doch ihr Spiegelbild war anders als meins. Es zeigte Frieda zwar, allerdings war sie wie ein Schatten, komplett schwarz. Nur ihre Augen funkelten rot und sie grinste. „Hast du wirklich gedacht, so etwas bewältigen zu können? Ernsthaft? Deine Mutter hatte von Anfang an Recht gehabt, du wirst niemals bereit dazu sein, deine Macht zu bändigen. Deine Wut. Die Macht, die schon unsere Vorfahren zu Monstern werden ließ. Und warum? Weil Personen wie sie schuldig sind. Menschen, die dich provozieren. Ausschalten solltest du sie, dich rächen!" Ich verstand nur Bahnhof, doch mit einer Aussage konnte ich etwas anfangen. Friedas Kraft war wirklich nicht von ihr zu bändigen.

Das merkte ich auch, als sie sich wieder mir zudrehte und schnaubte. „Du hast gesagt, ich gefährde uns. Ich gefährde die Mission. Ich gefährde alles. Aber weil es ihre Schuld ist! Sie sind Schuld!", rief sie immer wieder und schien mit sich zu ringen. „Das ist nicht wahr! Hier ist niemand an irgendetwas Schuld! Was ich gesagt habe war bescheuert, es tut mir leid!", rief ich und spürte ein zittern in jeder Zelle meines Körpers. Ich merkte, dass etwas anders war. Ich verspürte das Verlangen, das richtige zu tun. Runter zu gehen. Zu den anderen. Und zwar mit Frieda.

Der letzte SonnenstrahlWhere stories live. Discover now