Ruhe vor dem Sturm

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Noyan POV:

Stille... Das ist das erste, an das ich mich erinnerte. Es war leise. Und das für eine lange Zeit.

Ich lebte mit meinen Eltern, dem Königspaar des Planeten Vesta, welcher nah an der Sonne liegt. Vesta... Meine schöne Heimat.

Geprägt von einer wunderschönen Landschaft mit Blumenfeldern in warmen Farben und den goldenen Flüssen der ewigen Schönheit, war es für mich der schönste Stern im Universum. Es gab keine Jagd auf Tiere, ganz im Gegenteil. Die Tiere waren unsere treuesten Begleiter, und verstanden sogar unsere Sprache. Besonders gefielen mir die Hinzis, kleine Wesen mit langen Ohren, Stupsnasen und Flügeln. Sie sahen wie auf der Erde bekannte Kaninchen aus, besaßen aber zusätzlich einen langen Schwanz, statt eines Puschels, und sie waren sehr klein.

Die Flüsse der ewigen Schönheit waren eine Art Aberglauben. Wir Götter badeten in ihnen, um immer jung und schön zu bleiben, doch dem sollte man nicht allzusehr glauben. Schön anzusehen waren sie allerdings durchaus.

Das Anwesen meiner Eltern war natürlich nicht klein. Ich wuchs in einem riesigen Schloss auf, hatte einige Freunde und konnte meine Kindheit so genießen, wie es für einen kleinen frechen Jungen sein sollte. Meine Eltern sorgten sich um mich, auch wenn ich mal wieder Unfug im Kopf hatte und mein Verhalten nicht immer gerade königlich war.

Mein damaliger bester Freund, Mika, wuchs mit mir in der Wiege auf. Wir waren wie Brüder, wie Zwillinge. Kennengelernt hatten wir uns schon unmittelbar nach unseren Geburten.

Eliano, ebenfalls ein guter Freund von mir, stellte mit mir immer den allergrößten Mist an. Wir besaßen beide magische Kräfte, die Feuer beschwören konnten. Ich als Gottessohn und Prinz hatte zwar eine viel größere Kraft, als das, was ich damals angestellt hatte, doch das wusste ich in meiner Unschuld nicht.

Jedes Mal, wenn wir etwas angestellt hatten, hielt mir meine Mutter hunderte Vorträge darüber, dass das Anzünden von den stinkenden Blumen eines grimmigen Opas, der in der Stadt wohnte und alle Leute hasste, oder das Spielen mit Blitzen sich nicht schicken würde.

Ach ja... Meine Mutter. Für jeden kleinen Jungen sollte die Mutter die schönste und stärkste Frau sein. Das war sie für mich auch, sie war wirklich super. Doch neigte sie dazu, mich vor meinen Freunden bloßzustellen, indem sie mir gern fürchterliche Rüschchenkragen oder schicke Stiefel anzog, damit alle sehen konnten, dass ich ein Prinz war, und dass sie das respektierten. Gott wie ich das gehasst hatte.

Und so wuchs ich auf, lernte ein wohlhabender Prinz zu sein und wurde gut aufs König sein vorbereitet....

Dachte ich.

Denn all das war eine Welt, die ich in ganz jungen Jahren zwar kannte, die ich dann allerdings nie wieder zu Gesicht bekam.

Und das alles begann vor einer halben Ewigkeit.

♤ Present ♤

Ich hatte mich mal wieder aus den Fängen meines Vaters geschlichen, auf der Suche nach Antworten. Antworten darauf, was ich bei meiner Mutter gesehen hatte.

Langsam tapste ich vorsichtig eine Wendeltreppe hinauf, die zu einem der Türme unseres Schlosses führte. Es war der Turm, der einst mir gehört hatte. Ich öffnete die leise knarrende Holztür und fand mein altes Kinderzimmer vor. Es war immernoch rot angestrichen mit kleinen Löwen an den Wänden. An der größten Wand hing ein riesiges Bild eines Kunstwerkes über eine Frau und ein Einhorn (*The Lady and the unicorn), darunter mein altes Kinderbett. Es war das Gitterbett, an das ich mich erinnerte.

Ich konnte mich allerdings nicht auf die Ästhetik des Raumes konzentrieren, da ich auf der Suche nach einer wichtigen Antwort war. Meine Frage war nämlich, wie Vesta zu dem Ort werden konnte, der er heute war.

Dunkle, staubige Felder. Nicht der Anschein einer Blume wuchs noch. Kein Lachen mehr, keine hübschen rot-lilanen Sonnenuntergänge mehr, keine Tanzveranstaltungen, keine hübschen Tiere. Vesta war zerstört. Ein dunkler Sonnenstern, der in die Vergessenheit geraten war. Niemand kannte uns noch als den Planeten, andem so viel Energie und Magie herrschte. Nur noch als den Planeten, dem eine Katastrophe passiert war.

Es herrschten ungefähr 4000°C am Tag, dafür allerdings -70°C in der Nacht. Tagsüber hielten wir es aus, da wir an die Hitze der nahen Sonne gewöhnt waren, nachts froren wir allerdings unergründlich.

Ich wühlte in einer großen Kiste, die ich in meinem alten Kleiderschrank gefunden hatte. Auf der Oberseite stand ,,Erinnerungen" geschrieben, weswegen ich wusste, dass dies ein guter Fang hätte sein können. Und ich lag auch nicht daneben. Ich fand ein altes Fotoalbum, das mittlerweile leider ziemlich kaputt war. Einzelne Fotos fielen bereits heraus und einige Seiten waren eingerissen oder angekokelt. Doch auf einigen Bildern konnte man noch etwas erkennen.

Ich sah meine Mutter und mich, wie sie mich als Baby im Arm hatte. Ich schlief friedlich an sie gekuschelt in einer kleinen Decke eingemummelt. Ich musste lächeln. Das waren Zeiten, in denen mich meine Mutter nicht völlig ignoriert hatte.

Daneben war ein Foto von mir und meinem Kindheitsfreund Mika. Dass er Mika hieß, blieb mir noch im Gedächtnis, da wir unsere Namen einst in einen Baum geritzt hatten, der im Schlossgarten stand. Das ist aber auch das einzige, das ich von ihm wusste. Ich hatte ihn seit wir 80 Jahre alt waren nicht gesehen. Seine weißen Haare und die grauen Augen hatten mich allerdings früher verzaubert. Und als ich sie auf dem süßen Babyfoto von uns wiedersah, musste ich schmunzeln.

Mittlerweile war ich 490 Jahre alt. Ich war zwar noch ein sehr junger Gott, doch schon ausgewachsen. Alte Bilder zu sehen frischte daher nicht viele Erinnerungen auf.

Neben dem Fotoalbum fand ich auch ein kleines, rotes Buch. Ich wusste, dass ich es irgendwoher kannte. Und tatsächlich, es handelte sich um das alte Tagebuch meiner Mutter. Sie hatte stets hineingeschrieben, egal ob etwas gutes oder etwas schlechtes passiert war.

Dieses Buch hatte mit Sicherheit die Antwort auf meine Fragen, es musste so sein. Schließlich war ich der einzige, der sich nach der Tragödie, die Vesta ereignete, noch an irgendetwas von vorher erinnern konnte.

Gerade, als ich die ersten Seiten durchlesen wollte, hörte ich allerdings, wie hinter mir die Holztür aufgerissen wurde. Ich erschrak bei dem Lauten Geräusch, und als ich mich umdrehte, blickte ich in die finster lilafarbenen Augen meines Vaters, welche mich böse anfunkelten.

Ich war erledigt.

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Eigentlich hatte ich vorgehabt, diese Geschichte etwas später zu veröffentlichen, allerdings hat sie mich komplett in ihren Bann gezogen. Ich hoffe, euch gefällt sie :)

Eure Marie

Der letzte SonnenstrahlOn viuen les histories. Descobreix ara