Neue Sicht

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Noyan POV:

Gemeinsam mit Gloria und Mila unterhielten Maricia und ich uns über Gott und die Welt. Wie es sich herausstellte, handelte es sich bei dem Portal zu den Fischen um eine Art Teich in einer Höhle, zu der wir noch hinlaufen mussten. Auf Schwimmen hatte ich mal so gar keine Lust, doch es half alles nichts.

Nach dem Gespräch suchte ich Felipe und seine Schwester, die beiden schienen sich bereits die ganze Zeit in den Haaren zu liegen, was mich beunruhigte. Wir konnten jetzt keine Streitereien untereinander gebrauchen, das würde alles nur noch komplizierter machen, als es eh schon war. Elena hatte sich meine Aufmerksamkeit verspielt, oder ich mir ihre, und Petra musste sich bemühen, Zelia aus dem Weg zu gehen. Ich hatte keine Lust auf weiteren Ärger.

Ich lief durch einen kleinen Garten, in dem einige Eisskulpturen standen. Eine bildete einen großen Mann ab, eine andere einen Krug und eine weitere zwei Wellen, die das Zeichen der Wassermänner darstellten. Sie waren wirklich schön anzusehen. Hinter dem Garten nahm ich dann zwei Stimmen wahr, die sich lachend unterhielten. Es waren zwei Männerstimmen, und bei genauerem Betrachten fand ich Felipe und Nero vor. Sie hatten beide eine Tasse Tee in der Hand und saßen in einem hübschen Pavillon auf einer Bank. „Und dann kam dieses Zwillingsmädchen zu dir, und dann war es um dich geschehen, hab ich Recht?", fragte Nero und wackelte mit den Augenbrauen. Felipe kratzte sich etwas am Hinterkopf und sah verlegen zur Seite, als er mich bemerkte. „Oh, hallo Noyan.", begrüßte er mich. In seinen Augen konnte ich eine gewisse Unsicherheit sehen, wahrscheinlich befürchtete er, dass ich ihr Gespräch gehört hatte. „Entschuldige, ich habe verstanden, was ihr gesagt habt. Aber keine Sorge, ich werde nichts ausplaudern." Felipe nickte.

„Setz dich doch zu uns!", lud mich Nero dann ein, und kurz darauf begab ich mich auch schon zu ihnen. „Es ist schon verrückt, ich meine, jetzt sitzen wir hier noch friedlich miteinander, doch bald müssen wir schon aufbrechen und nach Vesta reisen, um gegen meinen eigenen Vater antreten. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob ich dazu bereit bin." Unsicherheit war mich bereits überkommen. Ich hatte alles zurücklassen müssen, meine Heimat, mein Volk und schließlich auch meine Mutter. Ich vermisste sie mit jedem Tag mehr. „Hey, mach dir keine Sorgen. Ihr packt das schon! Schließlich habt ihr die Macht der zwölf! Die ist einer der mächtigsten Zauber, die man in der Milchstraße kennt! Keiner kommt gegen die Stärke der Mythologie an." Ich lächelte. „Tatsächlich ja jetzt sogar die Macht der dreizehn, auch wenn mir das nicht gefällt." Felipe blickte aufs Meer hinaus und nickte. „Mir gefällt das auch nicht. Die Schlangenträgerin ist zwar sehr still geworden, dennoch hat sie großes Unheil angerichtet. Am Ende hat sie wieder etwas geplant. Und was mit diesem komischen Gereon ist weiß auch keiner."

Neros Augen fingen plötzlich an zu leuchten. „Gereon? Ihr meint den Sohn Orions? Wenn der nicht so ein Vollidiot vom Charakter her wäre, wäre der ja voll mein Fall. Habt ihr diese nachtblauen Augen gesehen? Und dieses markante Gesicht?" Überrascht sah ich ihn an. Dass er nicht auf Mädchen stand, hatte ich bereits vermutet, doch ihn jetzt so schwärmen zu hören war doch interessant. „Würde ich auf Jungs stehen, hätte ich dir vielleicht zugestimmt.", murmelte ich weniger selbstsicher, als ich eigentlich wollte. „Geht mir genauso. Allerdings ist der Kerl ein Schwachkopf, der nervt schon seit Jahrzehnten immer mal wieder.", bemerkte Felipe.

Nero musterte mich mit schiefem Kopf. „Wie jetzt, du bist hetero, Noyan?", fragte er und ich zog die Augenbrauen zusammen. „Ist das nicht offensichtlich?" Nero grinste schief. „Du wirkst nicht so. Ganz und gar nicht sogar." Felipe sah mich auch an. Was war denn auf einmal? Sie wussten doch beide, dass ich auf Frauen stand.

Langsam kam Nero auf mich zu und ich schluckte etwas, da mir sein Blick nicht ganz gefiel. Er grinste mich weiterhin an und legte den Kopf schief, ehe er weiter zu mir kam und setzte sich so dicht vor mich, dass ich seinen Atem an meiner Nase kitzeln spüren konnte. Sanft hob er einen Finger und tippte mir auf die Nase. ,,Du errötest ganz schön, mein Lieber. Aber wenn du es doch denkst, stimmt ja vielleicht was du gesagt hattest. Kleiner Hetero, hm?" Mit den letzten Worten hatte er mich ganz klar aufgezogen, doch ich wusste nicht wirklich, was ich darauf antworten sollte. Normalerweise hätte ich ihn zurück provoziert, doch jetzt fehlte mir irgendwie ein wenig der Mut.

Ich wollte gerade etwas erwidern, als urplötzlich die Sonne unterging und der Himmel dunkel wurde.
,,Was ist denn mit der Sonne passiert?", fragte ich dann und Blickte die Sterne an, die nun über der Wasserlandschaft funkelten.

,,Hier wird es um diese Zeit immer so schlagartig dunkel, es hat eben bereits gedämmert. Liegt an unserer Zeitzone, schätze ich. Dafür ist der Mond nun schön zu sehen, er bestimmt ja das Verhältnis zwischen Ebbe und Flut.", erklärte Nero und rückte etwas zurück, um ebenfalls in den Sternhimmel zu sehen.

,,Der Mond...", flüsterte ich und blickte zu ihm hinauf. Seit ich lebte war ich eng an die Sonne gebunden und hatte Nächte eher gern gemieden, da ich so kein Vitamin D tanken konnte. Fehlendes Sonnenlicht war auf Dauer nicht gut für meine Gesundheit, doch wenn der Mond hell schien, und das reflektierte Sonnenlicht auf mich fiel, machte es mich aus irgendeinem Grund glücklich und hielt mich gesund.

Langsam stand ich auf und sah in den hellen Sternhimmel, der wunderschön von der Milchstraße verziert war. Man konnte jeden einzelnen Stern perfekt sehen.

,,Genau wie du es mir gezeigt hast, Felipe.", meinte dann plötzlich Bea, die am Pavillon auftauchte. Sie sah lächelnd in die Runde, ehe ihre Augen an Felipe hängen blieben. ,,Genau so und nicht anders. Heute kann man den Himmel in seiner schönsten Pracht erkennen."

Ich merkte, wie ich langsam zu zittern begann. Die fehlende Sonne sorgte schlagartig für einen Temperstursturz, weswegen ich zu frösteln begann. ,,Ich geh in mein Zimmer, gute Nacht, Freunde", verabschiedete ich mich und machte mich auf den Weg zu einer erholsamen Nacht...

...Das dachte ich jedenfalls.

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Der letzte SonnenstrahlWhere stories live. Discover now