Stumme Stimmen

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Petra POV:

Wie sollte ich das verstehen? Ich hatte ja gewusst, dass die Wassermänner ein wenig eigen waren, aber nicht, dass die Prinzessin nicht sprechen konnte! Ich atmete einmal tief durch. Mit ihr zu kommunizieren könnte schwierig werden.

Das dachte ich jedenfalls. Der Neue, also Felipe, lief auf sie zu, verbeugte sich elegant und bewegte dann merkwürdig seine Hände. Kurz darauf tat es ihm die Prinzessin gleich. ,,Was...Kommuniziert ihr etwa?", fragte ich beeindruckt.

Felipe drehte sich zu mir und nickte lächelnd. ,,Sie sagt, sie freut sich schon auf eine so wichtige Mission. Ihre Eltern haben ihr bereits viel von der Mission erzählt." Verwundert sahen wir ihn alle an. ,,Wahnsinn, woher kannst du denn Gebärdensprache?", fragte Bea. Gebärdensprache? So hieß das?
,,Ich hatte als ich klein war einen guten Freund, der auch nicht hören konnte. Er und sein großer Bruder haben mir gezeigt, wie es geht."

Fiona schien ein Licht aufzugehen. ,,Meinst du den Lichterprinzen? Der war immer so nett, obwohl ich kein Wort Gebärdensprache konnte!" Es war das erste Mal, dass Fiona seit dem ihr Bruder dabei war sprach. Vielleicht war der Konflikt zwischen den beiden, den ich dadurch schlussgefolgert habe, doch nicht so schlimm.

- ◇ -

Maricia lief vor uns her und ,,erzählte" uns mit der Gebärdensprache alles mögliche über ihre Insel. Wir liefen durch den Schlossgarten, der eher ein großer Teich mit kleinen hellgrünen Pflänzchen war. Meine Schuhe waren bereits nass, ebenso wie meine Strümpfe. Doch wenn ich zu Dina und Frieda rübersah, die wie siebzigjährige im Wasser spielten, regte es mich auf. Sie sollten sich gefälligst auf das konzentrieren, was Maricia uns mitteilte, und was Felipe dann übersetzte, statt zu nerven.

,,Die Wassermänner sind im Element Luft. Das ist der Grund, warum hier so viel Wasser ist, es verdampft und wird dann zu den hübschen, bauschigen Wolken, die ihr hier seht. Dazu braucht es auf diesem Stern gar keine große Hitze.", übersetzte Felipe, und ich warf einen Blick auf die flauschigen Wolken. Ich hatte lange den blauen Himmel nicht mehr gesehen, bei uns Steinböcken schneite es andauernd.
,,Da würde ich gern drin rumspringen!", sagte Frieda und Dina kicherte. Die beiden waren so nervig, dass ich mich schon richtig beherrschen musste.

,,Du denkst gerade ganz sicher an was anderes, als an Wolken, stimmts?" Die Stimme neben mir ließ mich hochschrecken. Melody lief neben mir, den Blick auch in den Wolken. Sie sprach mit leiser Stimme, damit uns die anderen nicht hörten. ,,Ach, mich nerven nur Friedas Kommentare.", murmelte ich. Melody warf einen kurzen Blick zu Frieda und dann wieder zu mir. ,,Vielleicht nerven dich die beiden aus einem anderen Grund, als ihre Kommentare."

Ein anderer Grund? Welcher sollte das sein? Das Stiermädchen nervte ständig, sie in ihrem Zimmer zu provozieren hatte zwar Spaß gemacht, doch dann hatte ich ihr unbeabsichtigt wehgetan, und sie hat mich nie mehr länger als zwei Sekunden angesehen. ,,Ach, egal.", murmelte ich nur.

Wir setzten uns unter eine Platane. Die Blätter dieses Baumes waren eingefroren, sie funkelten wunderschön blau im Sonnenlicht. Noyan schloss genießend die Augen. Die Sonne wiederzusehen tat ihm sicher gut.

Maricia bewegte wieder ihre Hände, fasziniert sah ich ihr zu. Meine - zugegeben sehr voreingenommen - Eltern hatten immer gesagt, dass Götter, die nicht hören, sehen, riechen oder sonst was können eine Behinderung haben. Das ist zwar wohl ein Fakt, doch dann sagten sie, dass diese auch merkwürdig seien. Ich war von den Vorurteilen meiner Eltern geprägt. Doch wenn ich mir Maricia ansah, merkte ich, dass sie gar nicht komisch war. Im Gegenteil, sie strahlte gerade wie ein Stern.

,,Maricia fragt, was unsere magischen Kräfte sind.", erklärte Felipe, und Fiona zischte direkt. Was war auf einmal wieder los? Sie war ja schlimmer drauf als Zelia, die still den Bewegungen von Maricia zusah. Und die generell schon lang keinen dummen Kommentar mehr gerissen hatte.

Felipe nickte seiner Schwester zu und sah dann uns andere an. ,,Zeigt es ihr doch."

Gemeinsam standen wir Mädchen auf. Mila war die erste, die sich zu ihr begab. Sie küsste vorsichtig Maricias zarte Wange, welche überrascht rot wurde. Nachdem Mila herausgefunden hatte, welche Kräfte sie noch besaß, wurde sie vorsichtiger im Umgang damit, da sie nicht wollte, dass sich jemand in sie verliebte. Kurz darauf erschienen Bilder von Maricia neben ihr.

,,Maricia von Wassermann, 410 Jahre alt, du besitzt ein paar Koi Karpfen als Haustiere, dein großer Bruder und du habt viel zusammen gespielt, du tanzt sehr gerne und lächelst viel. Magst du noch etwas wissen?" Während Mila das gesagt hatte, hatte sie ebenfalls ihre Hände so ruckartig bewegt, und Maricia fing an, leise zu lachen. Mila konnte das auch? Wieso ich nicht?

Als nächstes näherte sich Melody ihr. Sie ging einmal um sie herum und ließ dann ihren langen Zopf erscheinen, der dann um Maricias Schultern lag. Beeindruckt musterte sie den Zopf mit dem Skorpionstachel. ,,Mila, übersetzt du?", fragte sie, ehe sie mit einer Erklärung fortfuhr. ,,Meine stärkste Waffe. Der Stich kann jemanden in zwanzig Sekunden umbringen." Und schon ließ Maricia aus Angst den Zopf fallen, was Melody auch zum Lachen brachte.

Der Reihe nach führten wir der Prinzessin unsere Magie vor, doch Frieda blieb im Sand sitzen. Sie wusste schon, warum sie ihre Kraft niemandem zeigte. Sie war beängstigend für sie. Ich jedoch fand sie beeindruckend, doch das sagte ich ihr mal lieber nicht.

,,Jetzt pass mal auf", sagte Noyan, ehe er eine kleine Flamme mit seinem Finger erzeugte, und diese in den Himmel schoss. Am Himmel war ein wunderschönes Feuerwerk entstanden, das den sowieso schon hellen Himmel noch heller erleuchtete. Wir anderen hielten uns die Ohren zu, Maricia klatschte begeistert in die Hände.

Als ich dran war, stellte ich mich in die Mitte, schnippste einmal mit meinem Finger und in meinen Ohren fühlte ich das Rauschen meines Blutes. ,,Moment.", sagte ich grinsend, ehe mein riesiger Steinbock durch das Meer gelaufen kam, und vor Maricia hielt. Diese sah erschrocken und begeistert zugleich zu dem großen Tier hoch, und streichelte sanft einen Teil seiner Nase.

,,Der hilft mir immer, wenn ich mal in Not sein sollte. Ist wirklich praktisch, eine Gabe zum Schutz zu haben, damit kann man nicht wirklich was dummes anstellen.", sagte ich und lehnte mich mit verschränkten Armen an eines seiner wuchtigen Beine. Ich wollte gerade noch ein paar stolze Worte loswerden, als ich merkte, wie sich Frieda von uns wegdrehte und die Arme anwinkelte.

Es ging um ihre Gabe. Und weil ich mit meiner so geprotzt hatte, und mich zuvor so daneben benommen hatte, war sie jetzt traurig. Man war ich blöd.

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Der letzte SonnenstrahlWhere stories live. Discover now