Blauäugig

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Bea POV:

Rotkäppchen? War das sein Ernst? Wer auch immer der Kerl war, er würde gleich eine dicke Standpauke kassieren... Naja, nachdem er so gütig war und uns reingelassen hatte.

Mila und ich gingen durch das große Tor hindurch und der Fremde sprang von einer Mauer zu einer tiefergelegenen, ehe er von dieser Mauer auf den Boden sprang. Seine blaue Kapuze hing ihm ihm tief im Gesicht, doch als er diese dann von seinem Kopf zog, kamen wunderschöne blaue Augen hervor.

Wunderschön, und gar nicht fremd. Es handelte sich bei dem Fremden um Fionas Bruder. Ich hatte allerdings keinen Schimmer wie er hieß.

,,Warum seid ihr zurückgekommen?", fragte er, und seine Stimme war so tief, dass ich dachte, jemand hätte sie heruntergepitscht. Sie klang jedoch auch sehr klar. ,,Wir wollten durch euer Portal zum Magier Aristo gelangen, Mila sucht nach ein paar Antworten bezüglich ihrer magischen Fähigkeit."

Er sah mit kühlem Blick zu Mila. ,,Achso, dich hat dann bestimmt die Schlangenträgerin ausgenutzt, um Aristo zu hypnotisieren. Mila von Jungfrau, richtig?", fragte er und Mila nickte. ,,Mein Name ist Felipe von Schütze. Kommt doch bitte erst einmal herein, ihr seid komplett durchnässt."
Durchnässt waren wir wirklich, doch unsere Kleider sahen noch totschick aus. Nur die Strumpfhosen waren fast schon flüssig.

Gemeinsam liefen wir hinter Felipe her. Felipe... Felipe... Die Schützen schienen aus irgendeinem Grund wohl alle Vornamen mit F zu haben. Unkreativ, aber wohl eine Tradition.

Er öffnete, nachdem wir wieder durch einen langen Gang mit dunkelblauen Tapeten und glitzernden Sternen am Himmel gegangen waren, eine große Tür zu der Ankleiderin, von der wir bereits vor ein paar Tagen neue Kleidung erhalten hatten.

,,Ich warte draußen.", sagte Felipe und stellte sich mit Blick zur Sternendecke im Gang an die Wand.

Nachdem uns die Ankleiderin mit neuen Strumpfhosen und hübschen Schühchen versorgt hatte liefen wir wieder hinter Felipe her. Er brachte uns zu dem Portal, das nicht viel mehr war als eine knarrende blaue Tür am Ende des Flurs. Felipe zündete dieses mit einem Streichholz an und das Flimmerfeld erschien.

- ♡ -

Als wir durch das Portal hindurch gekommen waren, saß Aristo auf seinem Flickensessel am Kamin und las in einem Buch, das so groß war, dass es nicht einmal in seine Hände passte. Es lag auf dem Boden. Ein merkwürdiges Buch, zumal nur irgendwelche Runen darin standen.

,,Magier Aristo, guten Tag.", sagte Mila daraufhin, und er drehte sich zu uns herum. ,,Guten Tag meine Lieben. Felipe, wie kommt es, dass du die beiden Damen zu mir bringst, die doch eigentlich bei den Steinböcken sein sollten?", fragte Aristo.

,,Frag Rotkäppchen.", sagte Felipe stumpf und entledigte sich dem Umhang nun komplett. Mit einem Schnaufen kommentierte ich den Spitznamen, doch mehr brachte ich nicht heraus. Sein hübscher nackenlanger Pferdeschwanz kam zum Vorschein, ebenso wie sein Outfit. Er trug ein hellblaues Hemd, das in seine lange, elegante, schwarze Hose aus Leder gesteckt war. Dazu die passenden Schuhe... Dafür, dass er so frech war, war er wirklich gutaussehend.

Und dann schüttelte ich mich. Ich stand auf Mädchen. Nur auf Mädchen... Das hatte ich mir selbst eingestanden. Außerdem waren Schützen viel zu unterschiedlich zu Zwillingen.

Doch als ich Aristo gerade erklären wollte was los war, ergriff schon Mila das Wort. ,,Aristo, meine Zauberkräfte haben dir durch Zelia Unheil erbracht... Ich möchte wissen, was passiert ist, und über welche Kräfte ich wirklich verfüge." Aristo nickte verständnisvoll. ,,Ich habe verstanden."

Dann drehte er sich zu Felipe und mir. ,,Ihr beiden, wartet doch bitte draußen auf Mila. Sie bekommt jetzt einiges erklärt, das sie euch auch ruhig später erklären kann. Ich möchte unter vier Augen mit ihr reden."

Der warf uns raus? Mich? Mit diesem Schönli- Ehm ich meinte natürlich Frechdachs. Felipe nickte. ,,Bis später Mila, ich werde das Portal zum Observatorium umleiten." Und mit diesen Worten lief er vor zum Portal, ich folgte ihm langsam.

Warum durfte ich nicht dabei sein? Ich wollte auch wissen, was sie alles kann! Meine Kraft war eigentlich recht einfach gestrickt, eine Kraft zu sehen, die so vielfältig ist, wäre sicher spannend!

,,Ich weiß, was du denkst.", sagte Felipe, der sich, nachdem wir durch das Portal geschritten waren, zu mir nach unten gebeugt hatte. Zu nah. Viel zu nah. Ich ging einen Schritt zurück und verschränkte die Arme. ,,Weißt du nicht. Keiner kann Gedanken lesen.", murmelte ich. Doch dann bemerkte ich, wo wir uns gerade befanden. Wir waren wirklich im Observatorium herausgekommen, dem wunderschönen Raum mit großem Blick auf den Sternenhimmel. Er hatte eine riesige Glaskuppel. Hier hatte Fiona uns zum ersten Mal über das Problem mit der Schlangenträgerin aufgeklärt.

,,Komm mal mit." Er lief zur Mitte des Raumes, breitete seinen Umhang auf dem Boden aus und legte sich auf einen Teil des blauen Stoffes, mit dem Blick nach oben. Langsam lief ich zu ihm und sah zu ihm herunter. ,,Leg dich neben mich.", sagte er und klopfte auf den anderen Teil des Umhangs. Ich wusste nicht warum, doch ich tat es einfach, ohne zu hinterfragen, was er eigentlich vor hatte, und darüber nachzudenken, dass das ganz schön nah war.

Mit einem Schnippen öffnete er die Glaskugel und die Sterne kamen hervor. ,,Wie... Aber es ist doch Tag?", fragte ich verwundert. ,,Das ist eine Nachbildung der Sterne. Sie dient der Forschung.", erklärte Felipe.

,,Siehst du den hellen Stern da vorne? Spica, der hellste Stern der Jungfrau. Heimat deiner Freundin." Ich musterte den kleinen Stern. Ich wusste, wie mein Sternbild aussah, doch darauf, sich die der anderen zu merken, hatte ich bisher keinen Wert gelegt. ,,Er leuchtet hell in einem der größten Sternbilder des Himmels. Groß wie auch die Zielstrebigkeit der Jungfrauen, die Neugier und die Gründlichkeit bei der Erledigung ihrer Aufgaben und Pflichten.

Deine Freundin ist deswegen hergekommen, sobald eine Aufgabe in ihren Weg kommt, möchte sie diese erledigen, sonst kann sie nicht ruhen. Sie ist leidenschaftlich, zwar nicht so sehr wie der Skorpion, aber doch sehr gefühlvoll. Manchmal aber auch verklemmt.

Ich bin sicher, ihre Leidenschaft zeichnet auch einen Teil ihrer Kraft aus. Und genau damit muss Zelia irgendetwas angestellt haben, ebenso wie mit der Kraft, die sie bereits kennt. Fiona meinte, Mila könne Informationen über ihr Gegenüber erfahren, indem sie ihm einen Wangenkuss gebe. Was aber, wenn diese Informationen nur die Spitze des Eisberges sind?" Ich drehte mich zu ihm und sah ihn an.

Er hatte Recht. Diese Kraft klang tatsächlich etwas oberflächlich. ,,Sag mal, wieso machst du dir diesbezüglich solche Gedanken?", fragte ich. ,,Klar, diese Kraft war Schuld an dem 13. Sternzeichen, aber ist dir Mila irgendwie war Wert oder so?"

Er drehte sich ebenfalls zu mir. ,,Mila als Person nicht wirklich, ich hab sie nur als kleines Mädchen mal gesehen. Dafür bemerke ich aber die Besorgnis, die ihr Mädchen ausgestrahlt habt. Und bei dir war es Besorgnis, sowie etwas viel Wut. Dich beschäftigte diese Sache sehr, daher habe ich die Forschungen begonnen, die ich dir gerade erzählt habe."

Ich wurde rot. Er hatte sich gemerkt, wie sehr mich das beschäftigt hatte? Wann das denn? Er hat mich doch nur ganz kurz gesehen, als er Fiona verabschiedet hatte?

Ich sah herunter. ,,Ich... mag es nicht manipuliert zu werden. Ich lasse es nur leider zu oft bei mir selber zu. Aber Mila wollte ich davor schützen, doch als ich gesehen habe, wie Zelia die Macht über sie hatte, merkte ich, dass ich nichts ausrichten konnte. Manipulation macht mir Angst."

Er nickte verstehend. Ich hatte allerdings doch das Gefühl, dass irgendwas Faules im Steinbockschloss in der Luft lag.

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Der letzte SonnenstrahlWhere stories live. Discover now