Frankreich - Das Amulett und Familienzeit

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Während des Essens hatte ich eine ältere Damen mir gegenüber sitzen, welche gelangweilt auf ihrem Teller herumstocherte. Während neben mir ein junges Fräulein an ihrem Gatten lehnte und ihn mit verträumten Augen ansah.
Plötzlich hörte ich eine andere Dame uns gegenüber wütend und nicht gerade leise sagen „Herr Gott noch mal, nimm die Finger von deinem Schwanz!" Mein Blick wanderte in ihre Richtung und ich sah, wie sich eine andere Frau gerade lüstern über die Lippen leckte, während sie diesen besagten Herren im Auge behielt.
„Wenn noch einmal jemand meine lose Zunge anspricht, nehme ich DIESE Frau als Referenz, mi amor!" flüsterte Alex erbost. Wo sie Recht hatte!
Auch unsere neuen Geschäftspartner saßen in unserer Nähe und prosteten uns noch zu.

Im Park konnten wir ein wenig entspannen und auch das Wetter war angenehm. Sogar unser Sohn war an diesem Nachmittag mit dabei.
„Nee, hoe schattig is de kleine! Hij lijkt op zijn vader!" rief Myrte freudig, als sie unseren Spross sah. Ja, Edward sah mir wirklich ähnlich, da gab es keine Zweifel. Es erfüllte mich mit Stolz, wenn ich das so offen sagen darf.
Eheleute de Gooijer hatten ebenfalls Kinder, diese waren aber daheim geblieben um über das Landgut zu wachen.
Alex war wieder einmal in ihre Gedanken versunken, aber ich konnte mir denken, dass sie sich über diese hier übliche Art der Erziehung aufregte. Für sie war es einfach ein Unding, Edward einfach "abzugeben" wie sie es nannte. Natürlich war sie seine Mutter, aber man war in diesem Jahrhundert nun einmal der Ansicht, dass die Kinder ihre Kindermädchen, später Gouvernanten und ähnliches für die Betreuung hatten. Ab und an sah man seinen Nachwuchs, unter anderem auch um ihm Gute Nacht sagen zu können.
Für meine Frau einfach nicht so leicht zu verstehen. Ihre Berichte aus ihrer Zeit hatte ich nicht vergessen!
Auch Mrs de Gooijer entging Alex' Gedanken nicht und sie hakte nach. „Ihr seid ganz anders, als die Frauen die ich kenne, Mistress Kenway. Ist Edward euer erstes Kind?"
Wir berichteten von unseren anderen Kindern, weil wir nichts zu verbergen hatten. Myrte erklärte sich aber noch einmal. „Ihr seid so aufmerksam was den Kleinen angeht, ihr achtet auf seine Schritte, was er tut und was er sagt. Das ist aber doch die Aufgabe des Kindermädchens. Es wundert mich nur, dass ihr den Mut habt, euch so eurem Sohn zu widmen. Eure Aufmerksamkeit sollte eurem Gatten und dessen Wohlergehen gewidmet sein!" Genau DAS war etwas, was für Alex völlig unverständlich schien.

„Mein Mann und ich haben eine gewisse Aufteilung und auch ich habe meine Verpflichtungen, deren ich mir durchaus bewusst bin. Darüber hinaus aber bin ich Mutter und stehe meinem Kind bei, egal was da komme. Auch wenn man uns Frauen diese Fähigkeit nicht zutraut, wir können viel mehr gleichzeitig bewältigen als die Herren der Schöpfung glauben!" Jetzt war es an meiner Frau ihren Standpunkt darzubringen. Auch wenn es etwas zickig klang in meinen Ohren.
„Ihr wisst was ihr wollt und setzt es durch. Haytham kann sich glücklich schätzen, eine solche Frau zu haben und so einen prächtigen Sohn!" erwiderte Myrte mit einem wohlwollenden Lächeln.
Es folgte natürlich noch die obligatorische Frage nach dem Alter unseres Sohnes. Im Gesicht der de Gooijers erschien ein völlig ungläubiger Blick, wie bei vielen Menschen, denen wir mitteilten, er wäre ungefähr 7 Monate alt.
„Wie ist das möglich? Man könnte meinen er ist schon über ein Jahr alt, so groß wie er ist und er läuft schon und... Die Luft in Virginia muss ihm sehr gut tun!" lachte die Niederländerin und sah Edward beim Spielen zu.

Der restliche Nachmittag und auch das Abendessen verliefen ohne besondere Vorkommnisse, wofür ich sehr dankbar war.
Als sich meine Frau dann später im Bett an mich schmiegte, schlief sie innerhalb von Sekunden ein. Aber dieser ruhige Atem ließ auch mich in die Traumwelt abtauchen.


~~~ Erkundung und Familienzeit ~~~


Meine Gattin ist Mutter! Natürlich wusste ich das, jedoch war sie ein recht seltenes Exemplar, welches einfach ihren Kopf durchsetzte, wenn es um unseren Sohn ging. In einer der nächsten Nächte demonstrierte sie es mir dann erneut, als sie leise aufstand, verschwand und kurz darauf mit Edward auf dem Arm wieder ins Zimmer schlich.
Natürlich hatte ich es bemerkt, aber als ich ihre eiskalten Füße an meinem Schienbein zu spüren bekam, war ich vollends wach.
Wie kann man im Sommer so kalt wie ein Eisblock sein? Meine Frage wurde in ihrer so typischen Art beantwortet.
„Stell dich nicht so an, ich musste dich auf der Jackdaw auch schon als Eisblock ertragen. Ich werde es wieder gut machen und dich beizeiten wärmen, wie es sich für eine gute Ehefrau gehört." Hörte ich da etwa einen leicht lüsternen Unterton heraus? Wenn sie das vorhätte, dann hätte sie unseren Sohn besser nicht mit in unser Bett holen sollen. Aber es gäbe ja auch noch andere Räumlichkeiten, merkte ich an, weil wir hier wirklich ausreichend Platz hatten.
„Ist das eine Drohung, Master Kenway?" Jesus, ich hätte sie auf der Stelle nehmen können bei diesem Kuss der darauf folgte. Natürlich riss ich mich zusammen und schloss einfach meine Familie in die Arme.

Wir hatten noch ein wenig Gelegenheit uns Versailles näher anzusehen und ich muss sagen, es war mehr als eindrucksvoll.
Alex erzählte mir hier und da, wie es in späteren Jahren einmal aussehen würde. Leider hatte sie aber auch nur Bilder gesehen und war nie selber hier gewesen. Was sie vor allem zu bemängeln hatte war, dass die Gerüste an der Außenfassade die reinsten Todesfallen sein konnten. In ihrer Zeit gäbe es auch hierfür entsprechende Vorschriften, damit die Arbeiter geschützt waren bei Unfällen. Wieder einmal überlegte ich mir, wie viele Gesetze, Vorschriften und Bestimmungen es später geben wird. Und das nur, weil die Technologien fortschritten und mit ihnen die Gefahren, wie es aussah. War das nun gut? Wir mussten uns weiterentwickeln und weiter forschen, damit wir in dieser Welt auch weiter existieren konnten.

Meine Gedanken wurden jäh unterbrochen, als unser Sohn einen Brunnen mit Wasser bemerkte und uns kundtat, dass er dort gerne hin wollte.
Meine Frau hatte dieses mal mit Wechselsachen vorgesorgt und so ließen wir ihn planschen. Aber nicht nur er wurde klatschnass, auch ich wurde nicht verschont. Alex zog ihn neu an, während er genüsslich auf einem Keks den sie noch vom Frühstück übrig hatte kaute.
Anschließend machten wir uns langsam wieder zurück zum Schloss, weil das Mittagessen anstand.
Unser Sohn lief in unserer Mitte, während wir ihn an den Händen hielten. Plötzlich zerrte er daran herum. „Gaga lein..." hörte ich etwas säuerlich von ihm. Also ließen wir ihn einfach los und er stiefelte über den Rasen.
Ich muss sagen, er hatte ein ordentliches Tempo drauf, dafür dass er noch gar nicht so standfest war! Also machte ich mich auf, ihm hinterher zu eilen, was Edward als Spieleinladung verstand. Ich machte mir einen Spaß daraus ihn ein wenig zu jagen. Wenn ich ihn erwischte, hob ich ihn hoch über den Kopf und ließ ihn fliegen! Sein freudiges „Papa" war mir Lob genug
Ich erklärte ihm, dass ich mich schon darauf freuen würde, wenn ich ihm das Klettern an Gebäuden beibringen konnte. Natürlich würde ich ihm auch den Sprung lehren. „Deine Mutter hat einen kleinen Helfer an ihrer Hand, welcher sie hat faul werden lassen. Sie klettert nicht mehr." sagte ich mit einem Grinsen in Richtung meiner Frau.
„Glaub deinem Vater kein Wort, Edward! Ich weiß sehr wohl, wie man sich an einer Fassade schnell nach oben bewegen kann." Alex streckte mir frech dabei die Zunge heraus, was natürlich unser Nachwuchs unbedingt nachmachen musste. Ja, wir sollten uns dringend selber lernen zu beherrschen.

Das Tagebuch des Haytham E. Kenway - Part 4Where stories live. Discover now