Frankreich - Ankunft in Versailles

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Etwas erleichterter konnten wir uns jetzt für das anstehende Mittagessen umziehen lassen. Zu meinem Erstaunen gab es anscheinend eine sich fast stündlich ändernde Kleiderordnung. Es war vorgeschrieben was zum Frühstück, für die vormittäglichen Aktivitäten, zum Mittagessen und so weiter, getragen werden sollte. Die Damen würden sich im Laufe des Tages hin „steigern" um beim Dinner am Abend entsprechend noble Kleider zu tragen.
Ich hingegen hatte es etwas weniger aufwendig, würde mich aber auch diverse Male umziehen lassen müssen. Jedoch konnte ich auf meine Garderobe als solche zurückgreifen.

Als wir den Speisesaal betraten blieb mir der Mund offen stehen! Der Tisch schien sich unter all den Gerichten und Getränken förmlich zu biegen!
Aber ein Blick auf die bereits versammelten anderen Gäste zeigte mir, dass man sicher gehen wollte, dass auch alle satt wurden. Wenn ich aber die Mengen sah, ging mir durch den Kopf, dass davon ein ganzes Heer zwei Wochen gespeist werden könnte.
Kopfschütteln nahmen wir Platz, weil auch meiner Gattin ähnliche Gedanken durch den Kopf gingen.
Während des Essens hatte ich eine rege Unterhaltung mit einem weiteren Briten, welcher neben mir saß.
Er kam aus York, wo er auch geboren war und lebte mit seiner Familie dort. Man hatte ihn hierher eingeladen, da er ein hervorragender Maler und Künstler ist. Sein Name ist Lewis Clive Perkins.
„Master Kenway, meine bescheidenen Werke haben Königin Maria wie es den Anschein hat beeindruckt. Man bat mich jetzt auch ein Portrait des königlichen Paares anzufertigen." erklärte er mir voller Stolz, zurecht wie ich sagen muss.
„Das ist eine fantastische Möglichkeit, Mr Perkins! Ich wünsche euch gutes Gelingen." im Hinterkopf machte ich mir eine Notiz für unser eigenes Familienportrait, welches Alex ja ebenso schon erwähnt hatte.

Nach dem Essen war es, wie so oft üblich, dass die Damen sich mit den Kindern, welche keinen Mittagsschlaf machten, zurückzogen um sich ungestört austauschen zu können.
Ich hingegen folgte meinem neuen Bekannten und wir schlossen uns einer Gruppe Herren an, welche sich in einem der Freizeitsäle bereits eingefunden hatte.
Die üblichen Gesprächen begannen, man stellte sich vor und so begann der Nachmittag recht entspannt.
Ein paar der Berater des Königs waren ebenfalls anwesend, welche sich in die Unterhaltungen einbrachten und interessante Neuigkeiten bezüglich des Handels, der französischen Armee oder auch einfach nur der Gefangenen erzählten.
„Es wird immer schlimmer mit dem Fußvolk. Sie spielen sich auf, als seien sie die wahren Herrscher dieses Landes." hörte ich einen Herren mit großem Spott in der Stimme sagen.
„Demnächst müssen wir sie noch hier beherbergen!" lachte ein anderer abwertend.
Also hielt man hier nichts von den normalen Bürgern. Von Alex wusste ich, dass auch hier in Frankreich beizeiten ein anderer Wind wehen würde. Noch war es aber nicht soweit.
„Master Kenway, ihr seht aus, als stimmtet ihr dem nicht zu? Habt ihr in der neuen Welt also andere Erfahrungen mit dem einfachen Volk gemacht?" stichelte ein Mann mittleren Alters und schäbig aussehender Perücke nebst Kleidung.
„Die habe ich tatsächlich, Monsieur Pollac! Das einfache Volk, wie ihr es nennt, sind die Kolonisten die für den Aufbau eben dieser neuen Welt verantwortlich sind. Wir sollten sie deshalb unterstützen und nicht klein halten." erklärte ich mich etwas zornig.
„Sagt ein Plantagenbesitzer, welcher seine Felder von Sklaven bewirtschaften lässt, die er aus Frankreich gekauft hat!" pöbelte mich jetzt ein weiterer Gast an.

Langsam wurde ich ungehalten, weil dieses Klischee, wie es mir auch meine Gattin schon erklärte, hier in den Köpfen der Menschen steckte. Alle Pflanzer hatten ihre Aufseher, welche die Sklaven hart bestraften, schlugen und hungern ließen! Dass es auch Ausnahmen gab, war hier gerade in Frankreich am Hofe König Ludwigs wohl noch niemandem in den Sinn gekommen!
„Zu eurer Information, ich beschäftige nur Auswanderer und Menschen, die sich ihren Lebensunterhalt ehrlich erarbeiten wollen. Ich verabscheue Sklaverei zutiefst. Da sind sich meine Frau und ich immer einig gewesen." fuhr ich die umstehenden Männer an.
„Ist das so? Ihr erlaubt eurer Gattin mitzubestimmen, was auf eurem Anwesen und mit den Arbeitern zu passieren hat? Wo kämen wir denn da hin? Lächerlich!" kopfschüttelnd sah mich ein kleiner pausbäckiger Alter an und nahm einen großen Schluck des Cognacs aus seinem Glas.
„Vielleicht versteht ihr diese Art der Eheführung nicht, Messieurs! Ihr solltet euch etwas mehr belesen und lernen. Denn wenn meine Gattin zufrieden ist, hat das auch Auswirkung auf unser Zusammenleben!" sprach ich mit einer wissend hochgezogenen Augenbraue. Ich wusste, sie würden auf diese doch recht zweideutige Art eher anspringen und es nachvollziehen können, dass wir recht gleichberechtigt waren.
„Hört! Hört! Ihr scheint demnach eine Ehefrau zu haben, welche euch in ihr Bett lässt, sobald sie etwas Zuspruch bekommen hat?" lachte der Herr neben mir und klopfte mir auf die Schulter. „Vielleicht sollte ich dieses Konzept auch einmal testen. So langsam gehen mir die Waschfrauen und Zimmermädchen zum Vergnügen aus." Jetzt war die Runde bei DEM Thema, welches alle Männer irgendwann immer hatten.
Somit war wenigstens nicht meine persönliche Meinung mehr das Thema und ich seufzte zufrieden.

Das Tagebuch des Haytham E. Kenway - Part 4Où les histoires vivent. Découvrez maintenant