Kapitel 65 - der Tag danach

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Ich sitze zusammen gekauert in Steves Bett unter zwei Wolldecken, während aus dem Radio i want to know what love is ertönt. Es ist das erste mal, dass ich in Steves Wohnung bin und doch ist das einzige woran ich denken kann gestern Nacht. Die Bilder wollen einfach nicht aus meinem bescheuerten Kopf verschwinden. Steve ist nicht einmal da um mich abzulenken, er hat mir vorhin Frühstück- oder der Uhrzeit nachgehend- eher Mittagessen gemacht und ist anschließend zu Max ins Krankenhaus gefahren. Er hat mir natürlich angeboten mich mitzunehmen oder sogar bei mir zu bleiben, allerdings kann ich momentan weder ihren Anblick ertragen noch möchte ich Steve von irgendetwas abhalten. Lieber sitze ich hier, starre den unberührten Eier- Toast an und blase Trübsal. 

Außerdem muss ich dringend eine Ausrede für meine Eltern finden. Ich habe aufgehört die Tage zu zählen, an denen ich nicht Zuhause war und möchte mir gar nicht vorstellen, wie viele Vermissten Anzeigen von mir in der Zeitung stehen. Vermutlich versuche ich mein Verschwinden auf eine möglichst plausible Art und Weise mit den angeblichen Erdbeben zu verknüpfen, die eigentlich auf Vecnas beinahe Weltuntergang zurück zu führen sind.

Beinahe auch nur, weil Max es wie auch immer geschafft hat, von den Toten zurück zu kehren. Ihr Herz stand bereits still...aber sie hat's geschafft. Lucas hat mir per Funk grob mitgeteilt was passiert ist, hat mich über ihre Verletzungen und die bestehenden Chancen, ob sie wieder aufwacht aufgeklärt, bis Steve mir mit besorgtem Blick das Walky Talky weggenommen hat. Er will nicht, dass ich von allen möglichen Seiten überfordert werde, was wohl auch einer der Gründe ist aus denen er mich mit zu sich nach Hause geschleppt hat. Er wohnt alleine, was eine Riesen Erleichterung ist. Es tut gut, nur in Gedanken dem Radio zu folgen ohne tausend laute Stimmen um mich herum. 

In meinem Kopf habe ich mir ein paar Schritte vorgenommen, die ich unbedingt befolgen muss:

1. Morgen Max besuchen. (Es wird weh tun, doch ich möchte für sie da sein.)

2. Jeweils Lucas und Mike einen von Eddies Ringen überreichen. Man sagte mir letzterer würde bald zurück kehren, mit dem Superhelden Girl und ein paar anderen im Schlepptau.

3. Den letzten Ring an seinen Onkel weitergeben und mit ihm reden. Natürlich kann ich ihm nicht die ganze Wahrheit erzählen, doch ich möchte dass wenigstens er weiß, wie mutig Eddie gewesen ist. Wenn das restliche Hawkins ihn schon für einen Mörder hält, so soll doch wenigstens sein Onkel ihn in gebührender Erinnerung behalten.

4. Eine Beerdigung für Eddie abhalten.

Der letzte Punkt hat noch Zeit, doch ich weiß nicht ob ich ohne etwas derartiges jemals abschließen könnte. Seine Leiche ist noch auf der anderen Seite, aber das wird mich nicht an einem würdigen Abschiedsritual hindern.

Ich höre wie die Tür ins Schloss fällt und mit dem Luftzug erreicht mich ebenfalls der vertraute Duft von Sommer Regen. Einige Sekunden später steht Steve an die Wand gelehnt im kalten Zimmer und starrt mich an. "Du hast ja gar nichts von meinem Frühstück gegessen.", merkt er aufmunternden an, als er sich auf die Bettkante fallen lässt.

"Ich hatte keinen Appetit." Kurz überlege ich. "Wie wars im Krankenhaus?" Steve legt sich frustriert neben mich, sodass wir gemeinsam an die Decke starren.

"Es war...intensiv." Ich bin mir nicht sicher, ob es das perfekte Wort ist um die Situation zu beschreiben, doch man muss zugeben, dass Steve ohnehin nicht äußerst wortgewandt ist. "Aber Lucas war die gesamte Zeit bei ihr, hat ihr vorgelesen und mit den Ärzten gesprochen." Er beginnt zu schmunzeln. "Er liebt sie wirklich."

Liebe. Ich bin noch zu aufgewühlt um darüber nachzudenken. Gott sei Dank scheint Steve Verständnis dafür zu haben, ohne mir irgendwelchen Druck zu machen. "Und wie geht es Dustins Fuß?"

"Nunja...den Umständen entsprechend gut, sagen zumindest seine Ärzte." Er räuspert sich kurz, dreht dann seinen Kopf zu mir und streicht sanft eine Haarsträhne aus meinem Gesicht. Ich versinke regelrecht in seiner Berührung. "Übrigens, wir haben alle überlegt morgen in dieses Notfall-Zentrum in der Turnhalle zu gehen. Ein paar Klamotten spenden, Essen machen oder so. Willst du mitkommen?"

Ich zögere, ziemlich lange sogar. Die Vorstellung dort auf meine Adoptiveltern zu stoßen bereitet mir Bauchschmerzen, einerseits weil ihnen etwas zugestoßen sein könnte und andererseits- wobei dieser Aspekt deutlich überwiegt- weil ich Ihnen dann erklären müsste, wo ich die letzten Tage gesteckt habe. "Gegenfrage: hast du schon einen Plan was ich meinen Eltern vorlüge?"

"Wäre es eine Option zu sagen, du hast die drei Nächte bei mir verbracht?", fragt er so frech grinsend, dass ich der Versuchung ihn sanft gegen den Kopf zu schlagen, nicht widerstehen kann. -und möchte. 

"Nein du idiot, dass ist keine Option." Auch ich muss nun schmunzeln, während ich weiterhin nach einer Lösung suche. Wenigstens hält diese ewige Grübelei die wirklich schlimmen Gedanken fern. "Wer ist denn wir?"

"Eigentlich nur wir, Dustin und Robin."

Mit einem Mal schwinden meine Zweifel dahin. "Von mir aus, ich komm mit." Es wird gut tun die beiden wiederzusehen, sogar frische Luft wirkt vermutlich Wunder. Stumm rücke ich ein ganzes Stück näher an Steve, der schnell einen Arm um mich legt, als er bemerkt, dass Körperkontakt kein Problem zu sein scheint. "Ich vermisse ihn." Es ist nur ein wispern, doch verdeutlicht das, woran ich seit gestern ausschließlich denken muss. Das einzige, was mir momentan richtig wichtig erscheint.

Steve atmet tief ein, dann aus und zeichnet mit seinem Daumen Kreise auf meine eiskalte Haut. "Ich weiß, mein Engel. Ich weiß."


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⏰ Last updated: Sep 20, 2022 ⏰

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