Kapitel 62 - Rettung

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"Was hat er vor?!", Dustin schreit mich panisch an, während ich versuche mich zu beruhigen. Das einzige was ich zu Stande bringe ist erbärmlich mein Gesicht in meinen Händen zu vergraben, während Verzweiflung sich in mir breit macht. "(Y/N), rede mit mir!"

"Er...", ich stottere. "Er will die Fledermäuse weiter ablenken. Allein..." Dustin schlägt gereizt mit seiner flachen Hand an die Wand neben ihm, während er unverständliche Flüche schreit. Und dann tut er etwas, woran ich nie gedacht hätte. Dustin greift sich ohne zu zögern einen nahegelegenen Stuhl, nimmt ein paar Schritte Anlauf und springt erst an die Lehne, dann nach oben, sodass er seine Finger in die Decke krallen kann. Schnell stehe ich auf, drücke ihn an seinen Füßen weiter hinauf, woraufhin er mit Leichtigkeit zurück auf die andere Seite fällt. Doch anstatt dass er aufsteht um die Matratze für mich zu holen, durchzuckt ein schmerzerfüllter Schrei die Stille. "Dustin, was ist los? Ist alles in Ordnung?!"

Nein, natürlich nicht. Beschissene Frage. Verkrampft hält er sich sein Fußgelenk und ich kann erkennen, wie er seinen Kiefer leidend zusammenpresst.

Ich greife mir den umgefallenen Stuhl, stelle ihn dort auf, wo Dustin es getan hat, nehme ein, zwei Meter Abstand, als alle Zweifel aus meinen Gedanken schwinden. "Ach Fuck it!" Ich springe auf das Möbelstück und versuche daraus so viel Schwung wie möglich mitzunehmen, was tatsächlich funktioniert. Meine rechte Hand findet irgendwie halt, sodass ich es mit den wenigen Muskeln, die mir vergönnt sind, trotzdem schaffe mich hochzuziehen, direkt ins Upside Down. Nur ein paar Zentimeter neben Dustin mache ich Bekanntschaft mit dem harten Flur, aber wenigstens scheine ich nicht so ungünstig aufgekommen zu sein wie Dustin. Das einzige was etwas brennt sind die Wunden an meinem Bauch, jedoch nicht viel stärker wie sonst auch. 

Als sich die Welt um mich herum nicht mehr dreht, wende ich mich an Dustin, besser gesagt an sein Fußgelenk. Es ist gebrochen, das sieht man sofort. Auch wenn ich ihn stützen oder gar tragen würde, so werden wir niemals schnell genug bei Eddie sein können... der einzige Weg sind die Fahrräder, welche hoffentlich noch da sind, wo wir sie hinterlassen haben.

"(Y/N)...", Dustin reißt mich aus meinen angsterfüllten Gedanken.

"Ja?"

"Lauf los, Okay? Hol diesen Wahnsinnigen zurück, auf dich hört er...", seine Stimme bricht zum Ende des Satzes, doch das lässt mich nicht zögern. Ich nicke ihm entschlossen zu und stürme aus dem Wohnwagen auf die dreckige kalte Landstraße. Ich sehe mich kurz um, doch natürlich ist Eddie schon weg, auf und davon. Doch der winzige Schwarm Fledermäuse am Horizont verrät mir wenigstens den richtigen Weg. Ich greife mir eines der nahegelegenen Fahrräder und trample um mein Leben, der Gips macht es mir schwer vernünftig zu lenken. Als hätte ich ohnehin nicht genug Probleme beim Fahrrad fahren... 

Minuten später macht sich das auch deutlich: auf dem Gehweg liegt eine überdimensionale Wurzel, welche ich trotzdem übersehen habe und mein Bike fällt samt mir in den Dreck. Ohne meine verschmutzen Klamotten oder abgeschürften Hände zu betrachten ziehe ich es wieder hoch, steige erneut auf den Sattel, aber es fährt nicht. 

Panisch schaue ich das Fahrzeug an und meine Adern gefrieren. Die Kette ist rausgesprungen und ich habe nicht annähernd das mechanische Fachwissen um das in Ordnung zu bringen. "Verdammte Scheiße!" Die Biester sind noch eine ganze Meile entfernt- wenigstens- also nehme ich fluchend die Beine in die Hand und renne dem Schicksal entgegen. Mit jedem einzelnen Schritt wächst mein Nervosität, die Angst, dass Eddie durch seine ehrenwerten Taten etwas zugestoßen ist. Der Wind peitscht mir ins Gesicht, meine Muskeln werden taub. Ich bewege mich wie von selbst, denn das einzige was ich spüre- mehr denn je- ist das panische pochen meines Herzens. Meinen Blick kann ich ebenfalls nicht abwenden, doch plötzlich geschieht etwas unerwartetes, was mich tatsächlich einen Moment lang inne halten lässt.

Noch bin ich zu weit entfernt, um viele Details zu erkennen, doch verschwommen nehme ich war, wie nach einander die Fledermäuse einfach zu Boden fallen, wehr- und regungslos, als hätte jegliches Leben sie verlassen. Das bedeutet...Sie haben es geschafft. Nancy, Robin und Steve: ihnen ist es gelungen Vecna in die Flucht zu schlagen. Der Plan hat funktioniert und zwar nur dank Eddie, dank seinem törichten Mut.

Als mir das bewusst wird, macht sich nur noch mehr Unbehagen in mir breit. Denn mir stellt sich die unumgängliche Frage, weshalb Eddie sich nicht bemerkbar macht. Keine Freudenschreie, nicht einmal Schmerzensschreie oder eine Siluette in der Ferne. Die letzten 100 oder 200 Meter sprinte ich, so schnell wie noch nie zuvor, doch im Gegensatz zu meinem Körper bleibt mein Herz stehen, als ich endlich ankomme. Zwischen Hunderten Besiegter, kreischenden Fledermäuse liegt Eddie auf der Erde, sein Körper von Wunden übersäht.

Ich bin zu spät.

Stranger Things | Das wird unser Jahr | Eddie x Reader x SteveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt