200. Dumme Menschen

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Der Mann ging gemächlich die Straßen der Stadt entlang. Seit einer knappen Woche war er nun schon hier und wartete noch immer auf die passende Gelegenheit. Seinen wohlverdienten Ruhestand hatte er sich schon lange aus dem Kopf geschlagen. Unter seiner Sonnenbrille rieb er sich die Augen. Es wäre wohl klüger, die Nächte nicht mit Grübeleien, sondern mit Schlaf zu verbringen. An einem kleinen Stand blieb er stehen und holte sich einen Kaffee. Er brauchte endlich einen Plan, denn scheinbar wollte ihm der Zufall einfach nicht zu Hilfe kommen, so, wie er gehofft hatte. Bevor er es das erste Mal selbst mitbekommen hatte, hätte er es nie für möglich gehalten, dass viele von der Marine wirklich korrupt und absolute Verbrecher waren. Wie viel doch in all den Jahren an ihm vorbeigegangen war. Oder hatte er wissentlich einfach nur seine Augen vor der Wahrheit verschlossen? Die Antwort würde er wohl im Nachhinein nicht mehr finden.

Gerade bog er um eine Straßenecke und blieb nachdenklich stehen. Einige Soldaten diskutierten mit einer Blondine und hielten sie grob fest. Sie trug ein hellblaues Sommerkleid und einen großen Strohhut, was eindeutig ein passendes Outfit für diese Insel und die Jahreszeit war. Sollte er sich dort einmischen? Er beschloss, abzuwarten und die Szene erstmal zu beobachten. "Dir fehlt es eindeutig an Respekt.", kam es von einem der Männer. "Respekt vor was? Vor solchen Clowns wie euch? Sicherlich nicht!", blaffte sie. Ein Anderer griff ihr in die Haare und riss ihren Kopf nach hinten, wobei der Hut zu Boden fiel. Man konnte ihr ansehen, dass sie wütend war. "Na los. Schlag schon zu.", zischte sie, "Vor Kindern macht ihr ja auch keinen Halt." "Der Bengel hat geklaut und das muss bestraft werden.", sagte ein Brünetter ernst. "Ihr beutet die Menschen hier ohne jegliche Rücksicht aus. Was soll ein kleiner Junge denn anderes tun, außer zu stehlen, wenn er Hunger leidet?" Ihre Stimme war scharf und ihre Körpersprache vermittelte ganz klar, dass sie keinerlei Angst vor den Soldaten hatte. Der Mann strich sich nachdenklich über sein Kopftuch.

"Du bist verhaftet.", sagte einer der Uniformierten ernst und die Frau lachte schallend auf. "Wovon träumt ihr Witzfiguren denn eigentlich Nachts?", fragte sie amüsiert. Überrascht hob er seine Sonnenbrille an, als er ihren Hals sah. Der Anflug eines Grinsens legte sich auf seine Lippen. "Die werden ja immer dümmer.", murmelte er. Das Schiff war ihm im Hafen gar nicht aufgefallen an dem Morgen. Vielleicht waren sie auch später angekommen oder hatten außerhalb der Stadt geankert. Ihr Auftauchen hier könnte ihm natürlich hilfreich sein, aber wollte er sich ernsthaft dazu herab lassen? Freibeuter waren allesamt Verbrecher und sich selbst schon immer am nächsten. Leicht legte er die Stirn in Falten, schien sie doch irgendwie anders zu sein. Immerhin hatte sie wohl einen Jungen verteidigt und sollte nun deswegen festgenommen werden.

"Wenn die Herren mich dann entschuldigen würden.", kam es plötzlich von der Blondine. Zugegeben sehr elegant, wand sie sich aus dem Griff heraus und sprang zur Seite. In der nächsten Sekunde fielen lila Blüten vom Himmel und die Soldaten kippten um. Nachdenklich runzelte zog er die Brauen zusammen. Wo waren die denn jetzt her gekommen? Er ging in Gedanken die Steckbriefe der Mannschaft durch und da fiel es ihm ein. Diese Ann konnte sowas doch mit Sicherheit. Suchend sah er sich nach der Frau von eben um, doch konnte er sie nicht entdecken. Er zuckte mit den Schultern und vergrub die Hände in den Taschen seiner dunklen Hose. Geistesabwesend blickte er auf seine schwarzen Stiefel, als er losging.

Einige Stunden später saß der Mann in einer Bar. Noch immer hatte er keine Lösung für sein Problem gefunden. "Guten Abend der Herr.", setzte sich jemand neben ihn auf einen der Hocker. Eher desinteressiert drehte er den Kopf und erkannte die Blondine wieder. "Guten Abend.", lächelte er freundlich, was sie erwiderte. "Darf ich dich einladen?", fragte er frei heraus. "Gerne.", nickte sie leicht. Also bestellte er Whiskey auf Eis. Immerhin war sie ja Piratin, auch wenn er nur das Crew Zeichen, welches sie auf der Haut trug, kannte. Ihr Kleidungsstil passte in seinen Augen ebenfalls nicht zu einer Verbrecherin. "Schaust du eigentlich immer zu, wenn wehrlose Frauen verhaftet werden?", kam es von ihr. Überrascht hob er seine Sonnenbrille an. "Erstaunt?", legte sie den Kopf etwas schräg. "Ich hätte nicht gedacht, dass du mich bemerkt hast, so beschäftigt wie du warst.", gab er ehrlich zu. "Darf ich dich etwas fragen?", wollte er interessiert wissen. "Nur raus damit.", wanderten ihre Mundwinkel nach oben. "Wieso hast du einem Jungen geholfen? War es ein Befehl deines Kapitäns?", sah er sie gespannt an, denn das interessierte ihn wirklich. "Meinst du ernsthaft, dass ich jemanden brauche, der mir sagt, was richtig ist?", stellte sie die Gegenfrage. "Die meisten Menschen brauchen das.", schwenkte er nachdenklich die goldene Flüssigkeit umher. "Dumme Menschen, ja. Solche, die nicht zwischen Recht und Unrecht unterscheiden können. Jene, die das Denken lange Anderen überlassen haben.", zuckte sie die Achseln. Der Mann strich sich über sein Kinn und konnte nicht abstreiten, dass diese Worte wahr waren und er es nicht besser hätte formulieren können. "Meinst du, deine Kapitäne würden mir helfen?", stellte er dann die Frage, die ihm unter den Nägeln brannte. Zusammen mit den White Flame Piraten wäre die Angelegenheit ein Kinderspiel.

Flamme der Freiheit Teil 2 🗸Unde poveștirile trăiesc. Descoperă acum