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Mit gemischten Gefühlen sah ich aus dem Fenster. Den Weg bin ich auch letztes Jahr mit Kathy zu der Party lang gefahren, die in einem Haus etwa 10 Minuten von hier stattfand. Das Haus von Chapter ist ebenfalls nicht weit von hier entfernt. Es ist ein komisches Gefühl, wieder so nah an all dem dran zu sein. Es war schwer zu beschreiben, aber es war kein schlechtes Gefühl, nur sehr seltsam. Auf der einen Seite erinnert es mich an das, was passiert ist und was für komische Menschen bei uns in der Welt leben, aber auf der anderen Seite war ich auch froh, dass ich aus all dem so gut herausgekommen bin. „Es ist seltsam wieder hier zu sein, oder", fragte Mike ohne seinen Blick von der Straße abzuwenden. „Ja, schon ein wenig", antwortete ich. „Erinnerst du dich noch an alles, was passiert ist" wollte mein großer Bruder wissen. Etwas nervös begann ich an meinen Fingern herumzuspielen. Es war noch immer nicht so leicht darüber zu reden, allerdings wurde es schon viel besser. „Nicht alles. Ich weiß noch alles von der Party, aber ab dem Zeitpunkt, an dem ich in seinem Auto war, habe ich nicht mehr so viele Bilder im Kopf. Es ist eher die Angst, an die ich mich erinnere, aber ich kann dir nicht mehr genau sagen, wie zum Beispiel die Hütte aussah. Nachdem ihr da ward, erinnere ich mich an kaum etwas. Aber Dr. Wendy meinte, dass das ganz normal ist, weil ich mich in dem Auto und in der Hütte auf viele anderen Sachen konzentriert habe und meine Umgebung zwar schon irgendwie wahrgenommen habe, in diesem Moment aber andere Erinnerungen, wie die Angst viel stärker waren und deshalb das in Erinnerung geblieben ist" gab ich die Worte meiner Therapeuten wider. „Das stimmt auch. Meistens erinnern sich die Menschen nach so einem Erlebnis nicht mehr an alles, was ja auch ein großer Vorteil sein kann". „Du hast doch viel mit Entführungen und so zu tun, oder", fragend sah ich meinen Bruder an. „Na ja, wir haben früher viele Vermisstenfälle bearbeitet, aber inzwischen hab ich ein kleines Team, die das alles machen und mich eigentlich nur noch einbeziehen, wenn es besonders schwere Fälle sind", antwortete Mike. „Was sind besonders schwere Fälle? Wenn jemand mehrere Menschen auf einmal vermisst, also entführt werden", neugierig sah ich zu meinem Bruder. „Du schaust du viel TV", antwortete er grinsend, „Vermisstenfälle sind nicht immer gleich Entführungen. Über 90 Prozent der Vermisstenfälle sind Kinder, die weggelaufen oder Eltern, die abgehauen sind. Manchmal tauchen manche Menschen auch einfach nur unter, um möglicherweise den Gesetzten oder bestimmten Personen aus dem Weg zu gehen. Die restlichen 10 Prozent sind dann echte Entführungen, bei denen aber zu 6-7 Prozent ein Elternteil das Kind entführt, zum Beispiel bei einem Sorgerechtsstreit. Und die 3-4 Prozent sind dann vermissten Fälle, bei denen die vermisste Person wirklich von einer fremden Person entführt wurde, aber das kommt wirklich sehr selten vor. Es ist nicht so wie im Film, dass hier Tag täglich Menschen entführt werden. Es gibt im Großraum Los Angeles im Durchschnitt etwa 5-6 Vermisstenfälle in 6 Monaten, also schwere Fälle, bei denen ein Fremder involviert ist und auch keine guten Absichten mit der Entführen-Person hat. In 8 von 10 Fällen finden wird die entführte Person auch lebend und innerhalb von 36 Stunden gefunden und", erzählte Mike, aber ich unterbrach ihn „und was ist mit den Personen, die ihr nicht findet". „Das ist unterschiedlich. Wir finden nicht jeden Entführer, manche machen das alles sehr geschickt und wissen, wie sie Menschen verschwinden lassen können und manche überleben die Entführung leider nicht, aber das kommt sehr selten vor". „Ihr habt aber gesagt, dass Chapter schon Menschen vor mit entführt hat und sie gestorben sind", antwortete ich. „Das war auch ein absoluter Ausnahmefall. Chapter hat sich sehr schlau angestellt bei den Entführungen. Es ist wirklich sehr schwer jemanden, der das alles so schlau und geschickt angestellt hat wie er zu finden. Leute wie ihn, die das alles auch mehrmals wiederholen, gibt es aber zum Glück auch nicht sehr oft, Serientäter, was Entführungen angeht, sind sehr selten" erklärte mein Bruder. „Also war es nur Glück, dass ich wegrennen konnte", fragte ich leise. Es war gruslig, wenn ich daran dachte, dass er das alles auch mit mir vorhatte. „Es war Glück, dass du wegrennen konntest, aber wir hätten dich auch so gefunden. Dadurch, dass es sehr schnell aufgefallen ist, dass du fehlst, wurde auch sehr schnell nach dir gesucht. Das Haus von Chapter war relativ nah an der Party, also wäre es nur eine Frage der Zeit gewesen, bis es jemand entdeckt hätte. Trotzdem war es natürlich sehr gut, dass du entkommen konntest". Ja, da hatte ich wohl echt Glück, nicht nur, dass ich da herausgekommen bin, auch dass es mir inzwischen wieder gut geht. Kurz nach meiner Entführung hätte ich nicht gedacht, dass ich einmal wieder so gut mit meinem Leben klarkomme wie gerade...

Big Brothers 5Where stories live. Discover now