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Ich war ziemlich froh als ich einige Minuten später neben Cole im Auto saß und wir auf dem Weg nach Hause waren. Tatsächlich musste ich weder meine Fingerabdrücke abgeben, noch Bilder machen lassen oder meine Aussage tätigen, denn Cole hatte alles geregelt, wofür ich ihm sehr dankbar war.
„Bist du wütend auf mich?", fragte ich unsicher an meinen Bruder gerichtet. Er hatte nicht sehr viel mit mir geredet seitdem wir von der Polizeistation weggefahren sind. „Nein, du hast alles richtig gemacht und ich bin stolz auf dich, dass du dich, als du festgenommen wurdest, so verhalten hast, wie ich es dir gesagt habe. Das alles war einfach eine unglückliche Verkettung von Ereignissen, allerdings hast du dich richtig verhalten und keine Straftat begangen. Das Einzige, was du dir bitte noch merken sollst, ist, dass du nie eine fremde Waffe in die Hand nimmst. Du weißt nie, was mit dieser Waffe davor passiert ist, und falls diese Waffe im blödesten Fall eine Tatwaffe sein sollte und deine Fingerabdrücke drauf sind, kann das ganze eine unglückliche Wendung für dich nehmen. Deshalb merke dir bitte und achte in Zukunft darauf, dass du keine fremden Waffen in die Hand nimmst, am besten nimmst du überhaupt keine in die Hand. Mal ganz davon abgesehen, hast du wirklich überhaupt nichts falsch gemacht und ich mache dir auch überhaupt keinen Vorwurf deswegen", antwortete Cole überraschend entspannt und ruhig. Erleichterung machte sich in mir breit. Ich hatte zwar schon gehofft, dass er nicht sauer auf mich sein würde, aber dass er es tatsächlich so gut verstand und überhaupt nicht wütend war, erleichterte mich dadurch ziemlich. „Allerdings hältst du dich von der Organisation und den ganzen Leuten fern bis das alles vollständig und richtig geklärt ist, okay?", Cole sah mich kurz ernst an bevor er seinen Blick wieder auf die Straße richtete. „Versprochen", gab ich schnell von mir. Er hatte ja auch recht und solange das nicht geklärt ist, würde ich mich auch von mir aus gerne davon fernhalten. In so was wollte ich nicht verwickelt werden, das ist einfach zu krass. Alleine die Vorstellung, dass dort heute wirklich ein Polizist gestorben ist und zwei verletzt wurden, finde ich ziemlich heftig. Von so was konnte ich gar nicht weit genug entfernt sein.
Kurze Zeit später kamen wir auch schon zu Hause an. Ich zog meine Schuhe aus und lief zu Jake, den ich im Garten sitzen sah. Im Vorbeigehen bemerkte ich Mason und Matt, die im Wohnzimmer auf der Couch saßen und ein Footballspiel an der PS 5 spielten. Als Jake mich sah, klappte er seinen Laptop zu und sah mich fragend an: „Und, was ist passiert?" Bevor ich antworten konnte, begann schon Cole zu erzählen, so dass ich mich einfach nur auf Jakes Schoß setzen konnte und das alles noch mal Revue passieren ließ.
Das Thema Waffen war schon recht groß hier bei uns. Ich weiß nicht, ob es nur mir so ging, ich hatte ja keine Erfahrungswerte von anderen in meinem Alter, aber für meinen Geschmack kam ich zu viel in Berührung damit. Aber das hängt bestimmt auch einfach damit zusammen, wie ich aufgewachsen bin, dadurch sind Waffen mir einfach fremder als anderen in meinem Alter. Meine Brüder hatten beide, beziehungsweise alle vier, ja schon deutlich mehr Erfahrungen damit.
Alle waren im Krieg, drei trugen täglich Waffen bei ihrer Arbeit und Jake versorgte bestimmt auch genügend Schutzverletzungen im Krankenhaus. In letzter Zeit wurde mir das Thema Waffen immer präsenter. „Werden viele Menschen hier in Los Angeles erschossen oder angeschossen?", fragte ich an meine Brüder gerichtet. Ehrlich gesagt, hatte ich keine Ahnung, wie ausgeprägt die Waffengewalt hier bei uns war. Natürlich wusste ich, dass es bei den ganzen Gangvierteln, wie Compton oder Watts, viele Menschen starben oder verletzt wurden, aber wie sieht es im Rest von Los Angeles aus? „Das kann man so pauschal nicht sagen, das ändert sich ziemlich oft. Aber es werden jeden Tag Menschen verletzt, es sterben jeden Tag Menschen hier in Los Angeles durch Waffengewalt, das ist leider die traurige Wahrheit. Aber du brauchst dir deswegen eigentlich nicht so viele Gedanken machen. Wenn du mal hochrechnest, wie viele Menschen es hier gibt und wie viele Menschen davon sterben oder verletzt werden, ist der Prozentsatz nicht allzu hoch, also die Chance, dass du verletzt oder getötet wirst. Das ganze hängt natürlich auch davon ab, wo du dich bewegst. Hier in Beverly Hills ist es eigentlich am sichersten, und ansonsten da, wo du deine Freizeit verbringst, ist die Gefahr auch nicht allzu hoch, sonst würden wir dich da auch nicht hin lassen. Also so wie du lebst, bist du eigentlich mit am sichersten hier in Los Angeles", antwortete Cole sofort. Es ist doch schon verrückt, dass jeden Tag alleine in Los Angeles Menschen sterben müssen. Hätten wir keine Waffen, würden so unfassbar viele Menschen länger leben. Ich konnte immer weniger die positiven Seiten einer Waffe nachvollziehen. „Wie ist es, wenn man angeschossen wird, in den ganzen Filmen kommt es immer so rüber als würde es entweder kaum weh tun, beziehungsweise als würde man es gar nicht richtig spüren, oder dass man gefühlt stirbt vor Schmerzen", stellte ich direkt die nächste Frage. „Das ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich und kommt auch immer darauf an mit was für einer Waffe, aus welcher Entfernung und wo du getroffen wurdest. Viele Menschen sind nach einer Schussverletzung voller Adrenalin, was dein Schmerzlevel extrem sinken lässt, weshalb sie zwar Schmerzen haben, es aber gut aushalten können. Allerdings kommt es natürlich auch immer darauf an, wo du verletzt wirst, wenn es nur eine Fleischwunde ist, ist es meistens nicht ganz so schmerzhaft als wenn es zum Beispiel ein Bauchdurchschuss ist. Das kann man wirklich nicht pauschal sagen und kommt immer auf die Situation drauf an", antwortete Jake, „Allerdings hast du doch selber auch schon mal geschossen und weißt, was für eine Wucht dahinter steckt und kannst dir dann sicherlich auch vorstellen, dass wenn dich so was trifft, das dies immer mit Schmerzen verbunden ist".
„Sterben viele, nachdem sie angeschossen wurden?", nachdenklich starte ich auf meine Handgelenke, die noch immer einen leichten roten Striemen von den Handschellen hatten. „Die meisten überleben, aber natürlich gibt es auch immer welche, die es nicht überleben. Aber inzwischen mit dem heutigen Stand der Medizin kann man eigentlich recht vielen Menschen helfen, auch wenn sie schwerer verletzt sind", sanft strich Jake mir über den Rücken.
Das Thema war zwar schon ziemlich interessant, aber auch angsteinflößend. Es gibt nun mal immer die Chance hier, dass du irgendwann Opfer von Waffengewalt wirst. Ich kann mir einfach überhaupt nicht vorstellen, wie schlimm das sein muss. Du wirst angeschossen, hast Schmerzen, musst ins Krankenhaus, wirst dann operiert und alles was noch dazu kommt. Mein persönlicher Albtraum, ich kann nur hoffen und beten, dass mir das nie passieren wird.
„ Ich würde wirklich sehr gerne mit dir in naher Zeit auf den Schießplatz gehen, damit du mal ein bisschen Übung bekommst, was das ganze Waffenthema angeht. Ich weiß, dass du dich dabei nicht wohl fühlst und das eigentlich nicht willst, aber du bist jetzt heute schon wieder damit in Kontakt gekommen und es wäre wirklich besser, wenn du weißt, wie du sicher und verantwortungsbewusst mit einer Waffe umgehst. Das kann in manchen Situationen leben retten", richtete Cole sich ziemlich ernst an mich.
„Aber ich habe heute doch gar nicht geschossen, sondern habe sie doch nur gehalten", antwortete ich schnell. Ehrlich gesagt war mir wirklich nicht wohl bei dem Gedanken wieder aktiv mit einer Waffe zu schießen.
„Genau, du hast die Waffe nur gehalten, und du hast mir gesagt, du hättest die Waffe nur am Lauf gehalten. So ein Maschinengewehr ist lang, wenn du die Waffe am Lauf hältst, schaut das schwere Teil meistens nach unten d.h. der Lauf zeigt direkt auf deinen Kopf. Und so darfst du eine Waffe nie halten. Wenn sich da aus Versehen ein Schuss löst, kannst du dich selber damit verletzen oder im schlimmsten Fall umbringen. Genau deswegen will ich dir zeigen, wie du eine Waffe richtig hältst und wie du schießt, damit du im Fall der Fälle weißt, was du tun musst und wie. Es ist überhaupt nicht schlimm, dass du das nicht kannst du nicht weiß, woher sollst du das auch wissen, aber wenn du selbst beim Halten der Waffe Fehler machst, dann wirst du auch definitiv beim Schießen Fehler machen, weil es dir einfach nie jemand richtig gezeigt hat, und das will ich verhindern. Kannst du das verstehen?", Cole sah mich immer noch ziemlich ernst an. Ehrlich gesagt, hatte ich nicht darüber nachgedacht, wie ich die Waffe halten soll, ich hab sie einfach nur genommen. Cole hatte recht, das war wirklich nicht sehr schlau von mir.
„Können wir das nicht wann anders machen?", versuchte ich mich noch ein letztes Mal raus zureden. „Wir müssen es nicht heute und auch nicht morgen machen, aber wir werden es zusammen üben", antwortete mein Bruder bestimmt...

Big Brothers 5Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt