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Mason POV

Nachdenklich saß ich auf der großen Couchgarnitur, die im Garten auf der Terrasse stand. Es war ein sonniger und warmer Tag. Keine einzige Wolke war am Himmel. Eigentlich war es also ein perfekter Tag, aber trotzdem konnte ich an nichts anderes denken als den gestrigen Amoklauf an unsere Schule.
Es ging mit dem Amoklauf in Victorville los. Ich konnte nicht mehr richtig schlafen, ich hab sehr viel über alles nachgedacht, zu viel. Ich hatte da so viel Glück, dass ich rechtzeitig gegangen bin, sonst wäre ich vielleicht schon dort gestorben. Und dann gestern. Plötzlich wurde das alles noch viel realer als es eh schon war. Bei uns an der Schule war ein, nein waren zwei Amokläufer. Das war alles so surreal und gleichzeitig so realistisch.
Ich wusste nicht, wie ich mit alldem umgehen sollte. So gut es ging, versuchte ich an andere Dinge zu denken, doch kam ich immer wieder auf den Amoklauf zurück.
Hätte Cole mich nicht aus meinem Klassenzimmer geholt, wäre ich wahrscheinlich komplett durchgedreht, wobei ich das eigentlich auch so bin. Ich hatte meine Emotionen absolut nicht mehr im Griff. Alles in mir wollte rennen, weg einfach nur weg von alldem.
Ich habe heute Nacht viel über alles nachgedacht, aber nicht nur über mich, sondern auch über all die anderen Leute, die da waren, die ganzen Polizisten und FBI-Agents.
Warum begeben sich diese Leute freiwillig in so eine Gefahr? Warum gehen meine Brüder jeden Tag zur Arbeit, wenn sie wissen, dass sie jeden Tag dabei getötet werden könnten? Und das FBI ist wahrscheinlich bei weitem noch nicht so schlimm wie das Leben als Soldat. Alle meine Brüder, zumindest die älteren, waren im Krieg. Was treibt Menschen dazu freiwillig in den Krieg zu gehen? Warum begeben sie sich freiwillig in so eine Lebensgefahr?
Ich habe mir nie wirklich Gedanken drüber gemacht. Meine Brüder wollten nie wirklich über den Krieg reden, und ich hab das akzeptiert. Alles, was ich über den Krieg wusste, kannte ich aus den Nachrichten oder aus den Filmen, aber Filme waren erfunden. Wie war es im Krieg, ist es so wie in den Nachrichten? Ich weiß, dass meine Brüder mal ein wenig mit Mila darüber geredet haben, aber wirklich ins Detail ist keiner von ihnen gegangen. Je mehr ich überall das nach dachte, desto mehr wollte ich es wissen. Was sind die guten und die schlechten Seiten als Soldat? Es kann doch nicht alles nur schlecht sein? Es gibt Leute, die ihr ganzes Leben lang dienen, einen Einsatz nach dem anderen machen. Was sind die positiven Seiten daran ständig in Lebensgefahr zu sein?
Nachdenklich starte ich auf meine dreckigen Fingernägel, als ich im Augenwinkel sah, wie Alex zu mir kam. Wir hatten gestern in der Schule schon einmal kurz das Thema angeschnitten. Wenn einer von meinen Brüdern ehrlich zu mir ist, und wirklich meine Fragen beantwortet, dann ist es Alex.
Er wollte gerade den Mund aufmachen als ich ihn fragte: „Wie ist es im Krieg? Wie war es in Afghanistan?" Etwas irritiert sah er mich an: „Wie kommst du jetzt darauf?" „Du bist der einzige, der mir die Wahrheit sagt. Also warum bist du damals nach Afghanistan gegangen? Wie ist es im Krieg zu leben? Ist es so wie es in den Nachrichten kommt, ist es schlimmer, ist es besser, wie ist es?", fragend richtete ich meinen Blick auf Alex. „Mason, das ist jetzt nicht der Zeitpunkt, an dem wir über so was reden sollten". „Es gibt keinen richtigen Zeitpunkt, um über so was zu reden. Ich will wissen, warum sich Menschen dafür entscheiden freiwillig in den Krieg zu gehen, während Tausende Menschen davor fliehen. Warum bist du nach Afghanistan gegangen und warum bist du kein zweites Mal gegangen? Warum begeben sich Menschen freiwillig in so eine Todesgefahr?"
Alex sah mich kurz nachdenklich an bevor er sagte: „Dadurch, dass Cole, Mike und Jake alle eine Zeit lang im Irak oder in Afghanistan waren, habe ich von ihnen natürlich sehr viel mitbekommen. Nach der Schule war es mir wichtig meine Grundausbildung bei den Marins abzuschließen. Es ist aber etwas anderes hier in Amerika, in einem sicheren Land zu trainieren, und Krieg zu spielen, als es dann letztendlich wirklich ist, wenn man dort ist.
Ich hatte die Möglichkeit nach meiner Grundausbildung direkt nach Afghanistan zu gehen, aber durch Cole und Mike gab es eben auch die Möglichkeit zum FBI zu gehen. Ich kannte die Geschichten von Cole und war zu dem Zeitpunkt, als ich mit der Grundausbildung fertig war nicht bereit dasselbe zu machen, also habe ich mich für das FBI entschieden. Und es war die richtige Entscheidung.
Allerdings war ich in manchen Sachen noch zu, ich sag mal, nicht ernst und Verantwortungsbewusst genug, was dann irgendwann dazu geführt hat, wie du weißt, dass ich meinen Job beim FBI verloren habe, völlig zurecht nebenbei.
Zu diesem Zeitpunkt habe ich beim FBI schon recht viel erlebt und gesehen, und durch meine Grundausbildung bei der Marines habe ich mich dann bereit gefühlt meinem Land zu dienen.
Der Krieg mit Afghanistan hat schon weit vor dem 11. September angefangen, aber danach wurde es um einiges intensiver. Bei dem Terroranschlag wurden so viele Menschen getötet, unschuldige Menschen. Es war ein Angriff auf uns, auf Amerika. Seitdem sind so viele Soldaten von uns, wie noch nie, in Afghanistan stationiert.
Nach meiner Zeit beim FBI fühlte ich mich bereit meinen Teil zu alldem beizutragen und da rüber zu gehen, um für mein Land zu kämpfen. Wir müssen für uns einstehen und wir müssen der Welt zeigen, dass niemand uns angreifen kann, ohne mit Konsequenzen zu rechnen. Es war die Zeit für mich, mich aktiv daran zu beteiligen und es war die richtige Entscheidung.
Ich wusste nicht wirklich, was auf mich zukommt, denn jeder Einsatz ist anders. Es kommt darauf an, wo du bist, welche Position du hast und wie die Lage dort ist.
Es ging alles ziemlich schnell. Innerhalb von wenigen Tagen befand ich mich schon in Afghanistan. Ich war direkt an der Front stationiert. Wir hatten ein kleines Camp dort mit US-Soldaten. Als ich dort ankam, waren wir ungefähr 120 Soldaten an dem Stützpunkt, mitten in der Wüste bei über 40 °C.
Und plötzlich wurde alles real. Dein Leben dreht sich einmal komplett. Du bist die ganze Zeit in deiner vollen Ausrüstung. Wir haben nicht mal zum Schlafen unsere schusssichere Weste ausgezogen. Die Waffe war dein ständiger Begleiter. Und dann bist du da und wartest auf deinen ersten Einsatz. Und ich musste lange warten. Ich verbrachte die ersten drei Wochen nur im Camp. Es war ein komisches Gefühl, wir wussten, dass die Taliban wussten, wo wir sind, also haben wir jederzeit mit einem Angriff gerechnet. Es ist am Anfang sehr ungewohnt 24/7 damit zu rechnen beschossen zu werden. Und wir reden hier nicht nur von Kugeln aus Gewähren, wir reden hier von Bomben und Raketen. Aber es ist nichts passiert, es waren langweilige lange drei Wochen bis wir dann schließlich unseren ersten Auftrag bekamen.
Es gab die Vermutung, dass die Taliban eine neue kleine Stadt eingenommen haben und somit weiter vorrückten. Unsere Aufgabe war es sie wieder zu verdrängen. Also bereiten wir uns zwei ganze Tage auf den Einsatz vor, bevor wir schließlich mit 80 Soldaten loszogen und eine Woche lang gegen die Taliban kämpften.
Es ist ein verdammt komisches Gefühl, wenn man das erste Mal zu einem richtigen Einsatz fährt. Man weiß nie, was auf einen zukommt. Auf dem Weg zur Stadt wurden wir bereits mit Raketen beschossen. Ein Fahrzeug, das ich etwa ein paar Meter vor mir befand, wurde in die Luft gesprengt. Das war der Punkt, an dem ich wusste, dass es jetzt kein zurück mehr gibt. Ich bin jetzt hier und ich muss das machen, was jeder von mir erwartet. Also schaltete ich meine ganzen Bedenken ab und bereitete mich auf das vor, was auf mich zu kam, wobei ich mir noch nicht mal ansatzweise vorstellen konnte, was das war.
Gleich am ersten Tag starben drei Soldaten. In meiner ganzen FBI-Zeit habe ich keinen einzigen Kollegen verloren, aber in Afghanistan habe ich in meinem ersten Tag in einem Gefecht drei Soldaten verloren. Da realisiert man erst was man da eigentlich macht. Aber man hat keine Zeit zum drüber nachdenken. Das einzige, was man macht, ist kämpfen.
Nach einer Woche haben wir elf Soldaten verloren, aber wir haben die Stadt zurückerobert. Neue Soldaten sind gekommen, um die Stadt zu besetzen, damit sie nicht von den Taliban zurückgewonnen werden konnte.
Die anderen Soldaten sind zurück ins Camp, wo wir uns von unseren gefallenen Kameraden verabschiedet haben, uns ein paar Tage ausruhen konnten, bevor wir zu einem anderen Camp geschickt wurden. Nach dieser Woche dachte ich, dass es nicht mehr schlimmer kommen kann. Man kann sich nicht vorstellen, wie es ist, eine Woche zu kämpfen. Man kann nachts nicht schlafen, weil ständig Bomben explodieren oder man hört, wie Raketen abgefeuert werden, an die Schüsse gewöhnt man sich, aber an den Rest nicht. Man hörte Schreie von getroffenen Soldaten und man bekommt mit, was die getöteten Soldaten hinterlassen. Bis auf zwei Soldaten hatten alle Familie und Kinder. Aber so was darfst du in diesem Moment nicht denken, du darfst dich von so was nicht ablenken lassen. Alles, was du machst, ist zu versuchen zu überleben, die Taliban zurückzudrängen und wieder heil aus alldem raus zu kommen. Ich bin mit alldem eigentlich sehr gut klargekommen.
In dieser Woche haben wir nur gegen Taliban gekämpft. Es gab keine Zivilisten in dieser Stadt, wir wussten, dass alles was sich vor uns bewegt, feindliche Kämpfer sind. Wir müssen uns nicht überlegen können, ob wir schießen oder nicht, ob das ein Kämpfer oder Zivilist ist. Wir wussten, dass alles, was ich für uns bewegt Feinde sind. Das macht es um einiges einfacher. Du weißt, dass du sie erschießen musst, weil sie dich sonst erschießen. Ich habe keine Ahnung, wie viele ich dort getroffen hab. Wir haben auf alles geschossen, was sich bewegt hat, wir haben Bomben geworfen und Raketen gefeuert. Doch dann kamen wir in das neue Camp. Unser Befehl hier war es die Stadt zu beschützen.
Es war eine Stadt mit Zivilisten. Die Menschen leben hier, sie haben ihre Häuser, ihre Familie, ihre Arbeit, einfach alles. Und unter ihnen befinden sich die Taliban.
Wir fuhren täglich durch die Stadt, um den Leuten zu zeigen, dass wir da sind und dass wir ihnen helfen. Die meisten Zivilisten dort wollen den Krieg nicht, aber sie haben keine Möglichkeit zu fliehen. Wir waren da, um diese Menschen zu schützen und die Taliban aus diesem Gebiet zu vertreiben. Diese Situation konntest du nicht mit den Kämpfen in der anderen Stadt vergleichen.
Hier fährst du mit deinem Auto durch belebte Straßen. Du weißt, dass du jederzeit beschossen werden kannst, du weiß nicht, was auf dich zukommt. Vielleicht fährst du an einem Auto vorbei, in dem eine Bombe liegt, vielleicht fährst du über eine Mine, vielleicht versucht ein Kind, das ganz harmlos aussieht, plötzlich dich zu erschießen. Du musst auf alles vorbereitet sein. Und du musst innerhalb von einem Bruchteil 1 Sekunde entscheiden, ob du jemanden erschießt oder nicht.
In Afghanistan gibt es viele Kindersoldaten. Also wenn du ein Kind vor dir siehst, dass seine Hände unter den Klamotten hat, musst du entscheiden, ob es seine Waffe oder eine Bombe versteckt, oder ob es einfach nur ein normales Kind ist. Willst du schießen, oder nicht?
Und solche Entscheidungen triffst du jede Sekunde. Und das war für mich das Schwerste an allem. Wenn du unter Beschuss stehst, weißt du ganz genau, was zu tun ist, aber in so einer Situation spielst du mit dem Leben der Menschen, vielleicht mit unschuldigen Menschen.
Du musst deinen Kameraden volles Vertrauen schenken. Sie haben dein Leben in der Hand und du ihres. Eine falsche Entscheidung und vielleicht werden alle sterben.
Du siehst eine verdächtige Frau, aber denkst, sie sei ungefährlich, dabei hat sie eine Bombe am Körper und kann euch alle umbringen. Du musst entscheiden, ob du schießen wirst oder nicht. Wirst du einer vielleicht unschuldigen Frau das Leben nehmen oder bringst du dich und deine Kameraden in Gefahr? Du musst die richtige Entscheidung treffen und darauf vertrauen, dass es deine Kameraden ebenfalls machen werden.
Und so verlief ein Tag nach dem anderen.
Wochenlang fuhren wir jeden Tag durch die Stadt, zeigten unsere Präsenz, gaben den Einheimischen Essen und Trinken und versuchten die richtigen Entscheidungen zu treffen.
In diesen Wochen wurden wir nur wenige Male beschossen, und wir haben keinen einzigen Kameraden verloren. Aber diese Zeit war um einiges härter als die eine Woche Gefecht in der Stadt davor.
Du weißt, dass die Gefahr überall lauern könnte, aber du weißt nicht, wo und diese Ungewissheit macht dich fertig. Aber trotzdem weißt du, dass du das richtige machst.
Du hilfst nicht nur deinem eigenen Land, du hilfst auch den unschuldigen Menschen, die dort leben und nicht die Möglichkeit haben zu flüchten. Du versuchst sie sozusagen vor ihren eigenen Leuten zu beschützen. Also dort bist du zwar ständig in Gefahr, aber du kannst so viel Gutes tun. Nicht nur für dein Land, auch für das andere.
Und genau das brauchen wir. Wir brauchen Soldaten, die bereit sind, in den Krieg zu ziehen und dafür zu kämpfen. Ohne unsere Soldaten würde es Amerika nicht geben so wie es ist.
Zwei Wochen bevor ich zurückgeflogen bin, wurden wir noch ein letztes Mal an einen neuen Stützpunkt gebracht. Es war eine neue Stadt, aber die gleiche Aufgabe. Wir sollten unsere Präsenz zeigen, den afghanischen Zivilisten dort helfen und versuchen den Frieden in der Stadt zu wahren.
Kurz nachdem wir in dem Camp angekommen sind, es waren zwei oder drei Tage danach, wurde unser Camp angegriffen. Und damit meine ich nicht von ein paar Taliban mit Waffen, auf uns wurden Bomben und Raketen geworfen. Wir haben sofort Unterstützung angefordert, allerdings war diese vier Stunden entfernt.
Die Taliban haben sich sehr gut auf diesen Angriff vorbereitet. Die vier Stunden, bis die Verstärkung kam, waren mit Abstand die härtesten Stunden in meinem ganzen Leben.
Es war einfach nur Chaos. Neben dir sind Bomben eingeschlagen, du hast deine Kameraden sterben sehen und wusstest selber nie, ob du nicht der nächste bist.
Wir wussten, dass wir nur die Stellung halten mussten, aber das war um einiges schwerer als gedacht. In diesen vier Stunden haben wir sieben von 62 Kameraden verloren. Es war verdammt hart.
In der ganzen Zeit, in der ich in Afghanistan war, musste ich Menschen erschießen, ich hab Granaten geworfen, ich musste auf Jugendliche zielen, die in eurem Alter oder jünger waren. Ich musste Entscheidungen treffen, ob jemand schuldig oder unschuldig ist, ob ich jemanden das Leben nehme oder nicht. Ich hab in der ganzen Zeit zwei Kugeln abbekommen, Kameraden verloren und wusste nicht, ob ich wieder lebend nach Hause komme.
Es war schwer, das alles zu sehen. Die Rauchschwaden der Raketen. Die zerbombten Häuser und die ganzen toten Menschen, die unbeabsichtigt getötet wurden. Tote Kinder, Menschen, denen Gliedmaßen fehlen.
Der Geruch von Blut, Massengräber, die wir gefunden haben, der Geruch von den Bomben und die ganzen Geräusche. Explosionen und Schreie.
Die Kameraden, die im Kampf gefallen sind, die tot auf dem Boden lagen, aber die Taliban sie trotzdem weiterhin durchlöchert haben, um die Körper größt möglich zu entstellen. Es gab so unendlich viel Leid. Ich werde das alles nie wieder vergessen.
Aber wir haben in dieser ganzen Zeit auch so vielen Menschen geholfen, und wir haben Amerika verteidigt. Wir dienen unserem Land und darauf können wir verdammt stolz sein. Und genau das ist der Grund, warum ich jederzeit wieder zurückgehen würde. Es gibt viel Schreckliches da drüben, aber es gibt so viele Gründe es zu machen.
Die Menschen dort können sich nicht verteidigen, sie haben keine Chance gegen die Taliban, aber wir können für sie einstehen und für uns. Ich will die Zeit nicht schön reden, zum Teil war es einfach nur scheiße, aber es hat einfach auch gute Seiten und diese sind verdammt wichtig.
Und das ist der Grund warum manche Soldaten in einen nach dem anderen Einsatz gehen. Es ist verdammt schwer, wenn du eine Familie hast, die du in diesen Monaten zurücklassen musst und nicht weißt, ob du wieder leben zurückkommen wirst. Aber trotzdem gehen sie immer und immer wieder zurück, weil sie für unser Land und für die Menschen dort drüben kämpfen. Mit der Zeit lernst du mit der Angst zu sterben und der ständigen Gefahr umzugehen, du gewöhnst dich nicht daran, aber das wird ein Stück zur Normalität.
Außerdem ist die Kameradschaft, die du da drüben erfährst mit den anderen Soldaten etwas ganz besonderes. Du hast unten deine eigene Familie, deine Kameraden sind deine Familie. Du vertraust ihnen dein Leben an und sie dir. Und es ist verdammt wichtig, dass es Soldaten gibt, die für all das kämpfen und ihre eigenen Wünsche und Bedürfnisse hinten anstellen, um unserem Land zu dienen."
Aufmerksam hatte ich Alex zugehört. Ich wusste nicht genau, wie ich das alles einordnen sollte, was er mir gerade erzählt hat. Es war das erste Mal, dass ich von einem meiner Brüder die wahre Geschichte über einen Kriegseinsatz hörte. „Warum bist du dann kein zweites Mal nach Afghanistan und stattdessen zurück zum FBI gegangen?", fragend sah ich meinen Bruder an.
Ich wusste nicht, was ich über das denken sollte, was er mir gerade erzählt hat. Solche Geschichten kennt man doch eigentlich nur aus Filmen, und Filme sind erfunden. Wirst du so was in echt so durchleben? Ich will das nicht wissen, dass gestern hat mir schon gereicht.
„Weißt du, ich hätte kein Problem für weitere Einsätze nach Afghanistan zu gehen, aber du musst es immer abwägen. Als ich zurückgekommen bin, habe ich mich lange mit Cole unterhalten und er hat mir die Chance gegeben zurück zum FBI zu kommen. Als ich nach Afghanistan gegangen bin, war das FBI keine Option mehr für mich, aber als ich zurückgekommen bin, hatte ich wieder beide Optionen.
Ich bin in beiden Jobs glücklich, als Soldat und als FBI-Agent. Ich werde immer die Möglichkeit haben, zurück in den Krieg zu gehen, wenn ich möchte, aber die Chance zurück zum FBI zu gehen war einmalig. Es gab für beide Jobs Argumente dagegen und welche dafür, allerdings schien es mir die richtige Entscheidung zu sein zurück zum FBI zu gehen, zumindest für den Moment und diese Entscheidung habe ich bis jetzt nicht bereut.
Aber ich bin ganz ehrlich, ich kann mir gut vorstellen wieder zurückzugehen und vielleicht mache ich das auch in ein paar Jahren. Ich werde abwarten und schauen wie sich alles entwickelt, das kommt dann immer auf die Situation drauf an.", antwortete Alex mir ehrlich.
„Wie ist es beim FBI? Ihr habt da doch bestimmt auch viel mit Kriminellen zu tun, mit Leuten, die ich umbringen wollen oder was weiß ich, wie unterscheiden sich diese Situationen von denen in Afghanistan?", ich richtete meinen Blick wieder auf meine Hände.
„Es ist anders beim FBI. In Afghanistan rechnest du die ganze Zeit mit einem Angriff. Du bist im Bett und schläfst, du bist auf dem Klo, du isst Abendessen, egal was du machst, du rechnest die ganze Zeit damit angegriffen zu werden. Du bist immer bereit, deine Waffe liegt immer bei dir. Beim FBI ist das anders. Ich würde sagen, dass es bei weitem nicht so gefährlich ist wie in Afghanistan. Wenn wir in einen Einsatz gehen, wissen wir meistens ungefähr, was auf uns zukommt, wir wissen, mit was wir rechnen müssen, oft kennen wir die Personen, auf die wir treffen werden. Wir wissen, wie wir mit ihnen umgehen müssen, all das hast du nicht im Krieg.
Klar musst du auch hier immer damit rechnen, dass auf dich geschossen wird aber zum Beispiel die Gefahr von einer Rakete oder einer Bombe getroffen zu werden, über eine Mine zu fahren oder solche Sachen sind hier viel geringer als in Afghanistan".
„Aber trotzdem ist es doch auch beim FBI gefährlich. Warum hast du dir da nicht einen ganz anderen Job ausgesucht, der nichts mit alldem zu tun hat?" unter brach ich meinen Bruder.
„Weil ich gerne beim FBI bin. Und du kannst das auch nicht wirklich mit Afghanistan vergleichen. Beim FBI geht es hauptsächlich um Entführungen, Geiselnahmen und Sachen in die Richtung. Du kannst dir das so vorstellen, dass bestimmte Vermisstenfälle irgendwann bei uns landen und dann sollen wir alles dran setzen, die vermisste Person zu finden, oder dass wir zu Geiselnahme gerufen werden, aber der Punkt ist, dass wir uns auf alles vorbereiten können und dass es hier eine ganz andere Situation ist Afghanistan.
Hier sind wir in Amerika, hier sind wir immer in der Überzahl, hier können wir die Umgebung und eigentlich fast alles andere beeinflussen. Wir müssen hier bei unseren Einsätzen auch bei weitem nicht mehr mit so viel Gegenwehr rechnen wie im Krieg.
Beim FBI musst du mit denken, Strategien entwickeln, und vieles in die Richtung. FBI ist viel Denkarbeit. Als Soldat führst du einfach nur Befehle aus. Und die Gefahr ist nicht so hoch wie du denkst.
Du musst immer daran denken, wie wir alle ausgebildet sind. Wenn du in der gleichen Situation wärst wie wir, wäre dein Risiko verletzt oder getötet zu werden, um einiges höher als bei uns, weil du einfach nicht weißt wie du in solchen Situationen reagieren musst."
„Aber wie kommst du mit alldem klar? Das alles, was du in Afghanistan erlebt hast oder was du beim Arbeiten täglich siehst, dass du Leute erschossen hast oder Leute versuchen dich umzubringen, warum ist dir das so egal?", Ich unterbrach erneut meinen Bruder. Es war so seltsam. Alex redete überall das als wäre es nichts, als wäre es das normalste auf der Welt.
„Es ist nie leicht auf andere Menschen zu schießen, aber ich mache das nicht, weil es mir Spaß macht, sondern weil ich es muss. Wenn ich es nicht mache, passiert oft etwas weitaus Schlimmeres. Du musst immer daran denken, dass es nie was Persönliches ist. Ich erschieße die Menschen nicht, weil ich sie kenne und nicht mag oder sonst irgendwas, sondern ich erschieße sie, weil es keine andere Möglichkeit gibt. Und genauso denken die Menschen, die auf mich schießen, denn im Krieg war ich der Feind, aber hier bin ich derjenige, der sie in den Knast bringen will und damit wahrscheinlich ihr Leben kaputt machen wird.
Sie schießen auf mich, weil sie versuchen ihr normales Leben zu retten. Damit muss man in dem Beruf klarkommen, wenn es nicht so ist, hat man den falschen Beruf gewählt. Und ansonsten überwiegen die positiven Momente die negativen. Es wird nie leicht, zum Beispiel tote Kinder, oder Jugendliche, in eurem Alter zu sehen.
Das Schwerste an meinem Beruf ist weiterhin normal mit dir, deinen Brüdern und Mila umzugehen. 80 % von dem, was wir in unserer Abteilung bearbeiten, sind Vermisstenfälle, viele von denen sind Jugendliche. Es ist schwer, wenn man sieht, wie gefährlich die Welt sein kann und euch trotzdem noch in Ruhe rauszulassen. Aber es wäre unfair euch alles zu verbieten nur, weil wir die schlechten Seiten hier in Los Angeles sehen.", beendete Alex seinen Satz.
So hatte ich noch nie über das alles nachgedacht, eigentlich habe ich noch nie wirklich über das nachgedacht.
„Mason, du musst deinen eigenen Weg finden mit alldem klarzukommen. Nur weil ich das kann, heißt das nicht, dass du das auch kannst oder können musst. Versuche dir bewusst zu machen, dass es nicht persönlich gegen dich ging. Du warst einfach zur falschen Zeit am falschen Ort. Ein Amoklauf ist immer scheiße, egal wie viele Tote oder Verletzte es gibt."
„Warum kann ich das nicht einfach abhaken, so wie du? Du warst im Krieg und es hat dir nichts ausgemacht, dass auf dich geschossen wurde und wird, du schießt auf Menschen, du siehst tote Menschen, da ist das ganze Leid dahinter, aber trotzdem macht es dir alles nichts aus, warum kann ich das nicht einfach abhaken?", mit einer Mischung aus leichter Verzweiflung und Wut schnitt ich Alex das Wort ab.
„Es stimmt nicht, dass mir das nichts ausmacht, es ist nie leicht jemandem das Leben zu nehmen, aber ich habe keine andere Wahl. Ich bin, was das angeht, einfach auch das andere Extrem. Mir macht das wahrscheinlich sogar etwas zu wenig aus und es sollte mich mehr mitnehmen, aber ich kann das einfach alles sehr gut trennen. Das ist mein Beruf und ich mache, was ich machen muss.
Hör auf, dich mit mir zu vergleichen. Mit 16 Jahren hätte ich wahrscheinlich auch nicht anders als du auf einen Amoklauf reagiert. Es ist ganz normal, wie es dir geht, ich würde mir mehr Sorgen machen, wenn es nicht so wäre. Du musst das alles jetzt in Ruhe verarbeiten...", Alex redete weiter, aber ich hörte ihm nicht mehr zu.
Ich fand es unfair, dass andere Sachen erleben, die viel schlimmer sind als so ein „Fast-Amoklauf", aber es so viel besser wegstecken als ich. Warum kann ich das nicht einfach abhaken? Warum nimmt mich das alles so mit? Ich habe da keinen Bock drauf. Je mehr ich überall das nachdachte, um so wütender wurde ich - das ist einfach nur ungerecht. Und je wütender ich wurde, desto mehr kreisten meine Gedanken um dieses, nicht ganz so harmlose, weiße Pulver. Ich will einfach nur Koksen. Das lässt mich für einen Moment alles vergessen und ich fühle mich endlich wieder gut. Auch wenn es vieles schlechter macht, macht es einfach auch verdammt vieles besser...

Big Brothers 5Where stories live. Discover now