Welt der Ruinen

By RainerSalt

12.5K 1.3K 5.7K

Ein paar Freunde auf ihren Weg durch die Ruinen der Zukunft. Leonie stapft auf einem Schulausflug dur... More

Der Reiher
Regenwandern und ein Anruf
Sauerampfer und trockenes Laub
Ein grausiger Fund, und ein heranziehender Abend
Lagerfeuer, und ein Fauchen in der Nacht
Rehe und Ruinen
Hunger und Gejaule
Eine Bibliothek und eine schöne Nacht
Jäger und Sammler
Ein Hase und Pläne
Rosmarin, und ein Spiegelbild
Ein Kampf und Träume der Finsternis
Ein Rhythmus der Schmerzen, und Bilder
Lauge, und eine seit langem überfällige Reinigung
Schnitt
Bogenschiessen, und eine sich abzeichnende Routine
Winter, und eine Jagd im Schnee
Blut im Schnee und ein Morgen mit Aussicht
Noch ein Kampf, und etwas am Horizont
Eine Diskussion und ein Versprechen
Tauwetter, und At the End of All Things
Erkenntnisse und ein Kanu
Hangover und eine Entscheidung
Ein Lächeln und ein Fuchs
Pferde, und ein Blick ins Wasser
Regen, und ein Blick durch das Gebüsch
Menschen, und Beton im Fels
Späherin und Diebin in der Nacht
Ballspieler, und eine Jogginggruppe
Ein Gespräch und ein Schluchzen
Entführung, und was nun?
Geiselnehmerin und Geisel
Fragen, und ein Arschloch
Die Wiki, und Amazimu
Eine erzählte und einige verschwiegene Geschichten
Umzug, und ein Geburtstagsfest
Eine Überraschung und Feldarbeit
Kartoffeln und Worte
Abendgedanken und Morgenregen
Ein Seitental und wohin es führt
Kopfüber, und eine Gittertüre
Eine Zelle und ein Lichtschimmer
Ein Geräusch, und Nacht im Bunker
Schüsse und schwarzes Blut
Wasser kochen, und ein Besucher
Ein Kessel, eine Flasche und ein Messer
Eine Villa und der grosse See
Wasser unter ihnen, und von oben
Leere Zimmer und eine Lampe
Eine Geschichte und ein Geplapper
Brot und Honig
Ein Hase und gerüstetes Gemüse
Eine Armbrust und zuviele Fragen
Ein Blick zurück, und ein Schluck Schnaps
Rauch und eine Nachricht
Richter und Scharfrichter
Die Glut und Kälte des Zorns
Vater und Tochter
Die Fütterung von Sven, und ein Epilog
* Wichtige Bemerkungen und ein Dankeschön *
Anna

Der Beginn einer Expedition, und eine Burg auf dem Wasser

255 25 155
By RainerSalt

Rund einen Monat später paddelt Leonie mit Jenna und Silvan über den See, in ihrem Boot, dem sie zwischenzeitlich den Namen Titanic gegeben haben. Sie sind unterwegs in das Tal, in welchem Leonie an jenem Wintermorgen Rauch hat aufsteigen sehen.

Je mehr sie über jenen Morgen nachdenkt, an welchem die Welt so kalt im Licht der aufgehenden Sonne glühte, desto unwirklicher kommt ihr die Erinnerung vor. Das Gold des Schnees, das Leuchten der Berge. Und der Bär. 

Eine Lagerfeuergeschichte – aber die Wirklichkeit? Wir werden sehen.

Silvan sitzt, wie üblich, zuvorderst im Boot, Jenna in der Mitte, Leonie ganz hinten. Der Platz zwischen ihnen ist mit Vorräten und Ausrüstung vollgesopft.

Klaus und Rosie sind im Haus am See zurückgeblieben, da im Boot nur drei Leute Platz finden.

Das Wasser glitzert im Sonnenlicht. Der Tag wäre herrlich, Leonies Stimmung ist es aber nicht. Sie schüttelt den Kopf. Eigentlich müsste sie sich freuen – endlich sind sie auf der Expedition, wie sie es sich schon lange gewünscht hat. Aber heute Morgen, beim Abschied von Rosie und Klaus, sahen die zwei aus, wie ein altes, glückliches Ehepaar. Und Silvan und Jenna können das Turteln und Gurren nicht lassen.

Immerhin könnte sie ja vielleicht Patentante werden, wenn die beiden Weibchen mal werfen.

Na toll!

Aber es fühlt sich gut an, in der sanften Wärme der Frühlingssonne über das Wasser zu paddeln. Als Silvan und Jenna schliesslich ihr Geschwätz einstellen, geniesst sie die Stille. Und hier draussen gibt es nichts, das sie angreifen, beissen oder kratzen würde, bis auf ein paar Mücken.


Gegen Abend hat sich Leonies Stimmung deutlich verbessert. Die drei fahren über den See, am Ufer entlang, in friedvoller Routine. Das einzige Geräusch ist das leise Klatschen des Wassers, wenn sie ihre Paddel eintauchen.

Leonie betrachtet Jennas Rücken vor ihr. Die Bluse, die sie trägt, war früher einmal weiss. Aber weiss ist eine schlechte Farbe für jemanden, der in der Wildnis lebt, wenn das einzige Waschmittel Klaus' Lauge ist. Rosie hat die Bluse deshalb zu färben versucht, mit blauen Blütenblättern. Das Resultat ist, zu Jennas grossem Bedauern, ein unregelmässiges Braun. Aber Jenna sieht immer noch unanständig gut darin aus, denkt Leonie, während sie ihr langes Haar betrachtet, das sich wie ein blonder Wasserfall über das Gewebe ergiesst.

Gesättigt von all dem Blond wandern Leonies Augen zum Land zu ihrer Linken. Schräg vor ihnen steht eine Burg im Wasser, nahe am Ufer. "Schaut mal", sagt sie, und weist mit ihrem Paddel in die Richtung.

"Wow! Das wäre doch eine angemessene Bleibe für die Nacht", meint Silvan.

"Au ja!" bestätigt Jenna, in ihrer besten Weibchenstimme.

Wie die meisten dieser wirklich alten Gebäude ist die Burg ziemlich gut erhalten. Nur ein Teil der Holzdächer ist in sich zusammengefallen.

Die Burg steht auf einer Insel oder einem Fels, an der nächsten Stelle wenige Meter vom Land entfernt. Von einer Brücke, welche die Burg früher einmal mit dem Land verbunden hat, sind nur noch die steinernen Pfosten übrig, welche wie vergessene I-Striche pedantisch im Wasser stehen.

Mit dem Kanu können sie direkt an der Insel anlegen. Von der Anlegestelle führen Stufen im Fels zu einem Nebeneingang. Die Türe, welche diesen verschliesst, ist erstaunlicherweise noch intakt, doch das morsche, graue Holz gibt nach, als Silvan fest dagegen drückt.

Zu dritt durchschreiten sie die Hallen der Anlage. Einige der Holzmöbel und ein paar Vitrinen sind noch erhalten, das meiste ist jedoch zerfallen. Alles ist mit einer Staubschicht bedeckt.

Auf der Suche nach einer Bleibe betritt Leonie einen Korridor und erblickt den Torso eines Menschen, der auf dem Boden liegt. Ihr Herz bleibt kurz stehen, bis sie realisiert, dass es sich lediglich um eine umgefallene Ritterrüstung handelt. 

"Hey, schaut euch das an", ruft sie.

Als Silvan die Rüstung sieht lacht er. Er versucht sie anzuziehen, aber sie ist im viel zu klein und die alten Lederbändel, welche das Metall zusammehalten, sind spröde und brechen bei der geringsten Bewegung.

Jenna und Leonie lachen.

Es ist gut, nicht alleine zu sein.


In einem Flügel der Burg finden sie Zimmer mit intakten Fensterscheiben, die einen wunderbaren Blick auf den See im Abendrot bieten. Seine Wellen funkeln orange, und am gegenüberliegenden Ufer leuchten die noch schneebedeckten Flanken der Berge. 

In einem der Räume befindet sich ein grosser Kamin. Sie beschliessen, die Nacht hier zu verbringen.

Leonie fährt mit der Hand über den rauen, gesprungenen Verputz der alten Wände und fragt sich, welche Geister hier wohl noch wohnen.


Ihren Schlafsack rollt Leonie im Zimmer mit dem Kamin aus, während Silvan und Jenna ihr Quartier in einem angrenzenden Raum aufschlagen. Ja, die können sich gegenseitig warm halten, denkt Leonie, während sie sich an die Glut des Feuers ankuscheln muss.

So läuft's.

Leonie hat im Kamin ein Feuer entfacht. Sie verbrennt einige Holzreste von nicht identifizierbaren Möbelstücken. Jahrhunderte alte Möbelstücke, denkt Leonie. Früher wären solche Antiquitäten unbezahlbar gewesen, deren Verbrennung eine unverzeihliche Sünde. Aber heute ist ja alles alt, und die Gilde der Historiker und Archäologen ist ausgestorben. Sie zuckt mit den Schultern und legt ein geschnörkeltes Tischbein in die Flammen. Wahrscheinlich ist es das letzte seiner Art.

Silvan und Jenna sitzen neben ihr und zusammen essen sie Vorräte, welche sie von zuhause mitgebracht haben. Sie nagt an etwas Hartem, welches Rosie als Brot bezeichnet.

"Morgen können wir vielleicht noch ein bis zwei Kilometer mit dem Boot fahren, dann müssen wir zu Fuss weiter." Silvan ist – ganz in seiner Rolle als fürsorgliches Männchen – vor Sonnenuntergang noch auf einen der Türme gestiegen und hat ihren weiteren Weg ausgekundschaftet.

"Hast du irgendetwas gesehen", fragt Leonie, obwohl sie weiss, dass Silvan allfällig interessante Beobachtungen schon längst berichtet hätte.

Silvan schüttelt den Kopf. "Nein, aber die Sicht war nicht sonderlich gut."

"Ich hab eine Überraschung für euch", schaltet sich Jenna ein und wühlt in ihrem Rucksack. Sie zieht eine kleine Flasche hervor. "Gebt eure Tassen her. Klaus hat mir etwas mitgegeben."

"Teufelswasser!" ruft Silvan. Das ist Klaus' neuste Erfindung. Klaus hat eine Destillieranlage in Betrieb genommen und darin irgend eine unheilige fermentierte Brühe verarbeitet. Leonie will gar nicht wissen, was das war. Jedenfalls kam am anderen Ende des Geräts eine glasklare, entflammbare Flüssigkeit raus, die jedem anständigen Menschen das Wasser in die Augen treibt.

Jenna giesst in jede der Tassen etwas Teufelswasser. Leonie trinkt vorsichtig und fühlt, wie das üble Zeugs sich seinen Weg in ihren Magen brennt. Nach einigen Schlucken entspannt sie sich.


Später seht Leonie neben dem Kamin, die beiden anderen schauen ihr zu. Sie ist erstaunt, dass sie noch stehen kann.

"Hört zu!" sagt sie. Dann beginnt sie zu singen.

Well, I've got thick skin and an elastic heart,
But your blade—it might be too sharp
I'm like a rubber band until you pull too hard,
Yeah, I may snap and I move fast
But you won't see me fall apart
'Cause I've got an elastic heart
I've got an elastic heart

I've got an elastic heart

Sie ist erstaunt, dass sie den Text dieses Lieds noch kennt, ein Lied, das vor Jahrhunderten das letzte Mal gesungen wurde. Aber Alkohol hilft in solchen Dingen – manchmal.

Silvan und Jenna blicken sie mit offenen Mündern an. Dann brechen sie in Applaus aus.

"Besser als das Original", sagt Silvan und lacht. Jenna stimmt ein.

Erschöpft setzt sich Leonie wieder hin und nimmt noch einen Schluck Teufelswasser.

"Oh Mann, bin ich müde", sagt Jenna und legt ihren Kopf an die Silvans Schulter.

"OK, gehen wir schlafen", antwortet Silvan und streicht mit der Hand durch ihr Elfenhaar. Etwas unsicher erhebt er sich und hilft Jenna hoch. Sein Blick fixiert Leonie, während er nach Gleichgewicht sucht. "Oh edle Leonie. Ihr seid der beste Barde an unserem Hof. Oder ... Bardin? Troubadeuse? Jedenfalls ...seid gedankt. Wir Hoheiten ziehen uns jetzt in unser ... Schlafgemach zurück. Ihr seid für heute Abend entlassen ... bis morgen. Dann dürft ihr ... unser Frühstück servieren."

Er dreht sich um, etwas zu schnell, und Jenna kann knapp verhindern, dass er das Gleichgewicht verliert und auf den Boden klatscht. Er torkelt aus dem Raum, während sie zögert zurückblickt.

"Jenna ... kommst du?", lallt er von nebenan.

Jennas Augen sind auf Leonie gerichtet. Sie öffnet ihren Mund.

Leonie rülpst und starrt sie in betrunkener Trägheit an.

"Jenna?" Das Wort tönt wie der klagende Schrei eines Welpen, der nach seiner Mutter ruft.

Jenna schliessst ihren Mund, drückt die Lippen zusammen und hebt die Augenbrauen. Dann winkt sie kurz mit der Hand und verlässt das Zimmer.  

Der Alkohol tanzt wie ein Dschinn auf Leonies Synapsen. Die Abschiedsworte von Silvan hallen in ihrem Kopf nach. Ihr seid für heute Abend entlassen ... bis morgen. Dann dürft ihr ... unser Frühstück servieren. Sie dringen nur nach und nach in die noch funktionierenden Teile ihres Hirns vor. Aber dort beginnen sie sich im Kreise zu drehen, bis Leonie ihre Dunkelheit erkennt, und dann legen sie sich als finsterer Schleier über ihr Gemüt.


Die Sonne geht gerade auf, als Leonie die Burg verlässt. Die Nacht war kurz. Geschlafen hat sie kaum. Ihr Kopf fühlt sich an, als ob jemand mit jedem Herzschlag einen Hammer dagegen knallt.

Bevor sie gegangen ist, hat sie noch einen Blick ins Schlafgemach der Hoheiten geworfen. Silvan hat geschnarcht, von Jenna war nur ein Haarbüschel sichtbar.

Sie lädt einen Drittel der Vorräte und ihren Rucksack in das Boot, dann bindet sie es los und setzt sich rein. Schnell hat sie das Wasser überquert und befestigt das Boot, von der Burg aus gut sichtbar, an einem Baum am Ufer. Silvan wird ein Bad imSee sicher gut tun. Sie sieht sich um, dann marschiert sie die Böschung hoch.

Die Hoheiten werden sich ihr Frühstück selbst machen müssen.

Continue Reading

You'll Also Like

474K 22.2K 40
"Du kannst versuchen es zu leugnen, dich zu widersetzen und mich von dir fern zu halten. Ich werde aber nicht aufgeben, Ella.", knurrte er leise und...
260K 14.6K 32
Die siebzehnjährige Marie hatte sich so sehr auf die Kursfahrt mit ihrem Englisch-Leistungskurs gefreut, der sie dieses Jahr in die USA führen würde...
2M 42.4K 41
❗️„Attention! Das Buch ist mein erstes Werk. Kann Grammatik- sowie Logikfehler enthalten! (Geschrieben als ich 14 Jahre war.)"❗️ Sophie ist 19 Jahre...
6.4M 188K 60
Ein böses Spiel ohne Regeln mit dem Bruder meiner besten Freundin *** Wenn man die Namen Rina und Mason in einem Satz hört, weiß man sofort, dass das...