XXXI

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Eine Weile blieben wir einfach stehen, umarmten uns und genossen die gegenseitige Nähe. Er roch wieder so wunderbar gut und mit geschlossenen Augen prägte ich mir seinen Duft ein. Er wirkte einfach so vertraut, gab mir das Gefühl von Sicherheit. Ließ mich geborgen fühlen.

„Wann machen wir eigentlich los?", durchbrach ich leise die Stille.

Darryl löste sich leicht von mir und sah mich verwirrt an. „Was meinst du?"

„Na, ihr wolltet doch bei meinem Vater einbrechen", erklärte ich.

Der Schwarzhaarige seufzte. „Erst in ein paar Stunden, wenn es dunkel ist."

„Okay." 

Ich hoffte, dass mein Vater um diese Zeit schon schlafen würde, denn er blieb ziemlich lang auf. Das wusste auch Darryl. Was genau sie dort eigentlich wollten, war mir ein Rätsel. Sie hatten doch sein Tagebuch. Was wollten sie noch? Naja, das würde ich ja heute Nacht erfahren.

Die anderen kamen auch mit der Zeit wieder und wir beschlossen, die Zettel und Fotos wieder ins Buch zu stecken und auf die Ergebnisse des heutigen Einbruchs zu warten. Dort würden wir hoffentlich mehr finden. Nur den Brief behielt ich bei mir.

***

Die Nacht war schneller da als gedacht und so saß ich nun mit Darryl und Molotov im Auto. Wie sie in das verschlossene Arbeitszimmer kommen wollten, ohne meinen Vater zu wecken wusste ich nicht.

Molotov hatte jedenfalls einige Werkzeuge eingepackt und machte ein großes Geheimnis draus, woher er diese hatte. „Und du bekommst das hin?", fragte Darryl an den Fahrer gewandt.

„Jaha! Wie oft noch?!", bejahte Angesprochener genervt.

Darryl zuckte mit den Schultern. „Will nur sichergehen. Hab kein Bock auf böse Überraschungen." So ging das schon die ganze Zeit und langsam nervte es auch mich.

In einiger Entfernung parkte Molotov und wir stiegen aus. Auch wenn Darryl dachte ich wüsste es nicht, so hatte ich vorhin gesehen, wie er zwei Waffen eingesteckt hatte. Eigentlich sollte es mich beunruhigen, doch das tat es nicht. Ich konnte ihm vertrauen und war mir sicher, dass er sie nur zum Selbstschutz nutzen würde und nicht für seine Rache.

Da das Licht im Haus aus war, nahmen wir an, dass mein Vater bereits schlief. Immerhin war es kurz vor Mitternacht. Also verließen wir unser Versteck und schlichen zur Haustür. Ich hatte noch meinen Schlüssel und konnte somit aufsperren, das war auch viel leiser und unauffälliger als ein Fenster einzuschlagen.

Leise betraten wir den Flur und sahen uns um. Allerdings konnte ich nicht viel erkennen, da wir kein Licht anmachen konnten. Einzig und allein Darryls Handytaschenlampe sorgte für Licht.

„Also, Laila, wo?", fragte Molotov und ich nahm Darryls Hand, um das Licht zu meinen Gunsten schwingen zu können. Kurz sah ich mich um und führte sie dann zum Arbeitszimmer. Die Tür war wie erwartet abgeschlossen.

Darryl nickte Molotov zu. „Ich hoffe, du weißt was zu tun ist?"

Statt einer Antwort wurde er nur gereizt angeknurrt und Molotov machte sich ans Schloss ran. Seine kleinen Werkzeuge kannte ich weder beim Namen, noch hatte ich je eins davon gesehen, aber es sah so aus, als hätte er Ahnung davon.

„Geht das nicht etwas schneller?", wollte Darryl wissen, der uns damit ganz schön die Ruhe nahm.

Gestresst stieß der Orangehaarige die Luft aus. „Jetzt chill mal!"

Ich beobachtete die Szene nur schmunzelnd und sah immer wieder in den Flur, da ich befürchtete mein Vater könnte doch etwas merken. Doch alles blieb still. Also wandte ich mich wieder den Beiden zu. Zugegeben, ich war auch neugierig auf den Inhalt des Zimmers.

„Ich hab's!", riss mich Molotov aus meinen Gedanken. Sofort ging mein Blick zur Tür, die von ihm leicht aufgestoßen wurde. Auch bei Darryl konnte ich Erleichterung erkennen, weil wir endlich rein konnten. Drinnen schloss der Schwarzhaarige die Tür und wir knipsten das dunkle Licht an.

„Okay, wir haben nicht viel Zeit, also beeilt euch", wies uns Darryl an und wir begannen die Schränke und Regale zu durchwühlen. 

Hier sah es nicht viel anders aus als letztes Mal. Überall Blätterstapel und die Regale waren so voll mit Büchern, dass ich Angst hatte, sie würden zusammenkrachen. Molotov hatte für das Chaos jedenfalls eine bessere Idee und steckte einfach alles was interessant aussah in seinen Rucksack zu den Werkzeugen. Darryl hielt das für eine gute Idee und überreichte seine Sachen auch an Molotov.

Obwohl ich eine ziemliche Neugierde hatte, wusste ich nicht einmal wonach wir genau suchten. Ich für meinen Teil suchte nach der anderen Hälfte des Briefes. Doch ich fand sie nicht. Vielleicht hatte mein Vater sie auch gar nicht, sonst hätte er ihn ja wieder zusammengeklebt, oder?

„Ey, schaut mal!", machte Molotov auf sich aufmerksam und mein Blick ging sofort zu ihm.

Er hatte mal wieder ein Foto in der Hand und sah traurig zu Darryl. Dieser kam zu ihm und nahm es ihm aus der Hand. 

„Malcom", murmelte dieser und auch ich warf einen Blick drauf.

Der Mann auf dem Bild hatte lange, blonde Haare, die zu einem Zopf gebunden waren und braune Augen. Zudem trug er recht altmodische Kleidung, die blutrot gefärbt war und er schien ziemlich mitgenommen. Es bestand kein Zweifel, dass er verletzt war.

„Was ist damals passiert?", fragte ich vorsichtig und war mir nicht sicher, ob ich eine Antwort wollte. Das Thema war nach wie vor ein Risiko.

Darryl und Molotov sahen sich an und schienen miteinander über ihre Blicke zu diskutieren, wobei ich mich etwas ausgeschlossen fühlte. 

„Na schön", seufzte Darryl.

Sein Blick galt nun wieder mir. „Also, Malcom und deine Eltern hatten für kurze Zeit Frieden, da sie gemeinsam gegen den feindlichen Clan ankämpfen wollten. Sie haben Informationen ausgetauscht und sich gut verstanden, aber nie zu hundert Prozent vertraut."

„Und als Annabella dann getötet wurde und dein Vater Darryl die Schuld gab, war es vorbei mit dem Frieden", ergänzte Molotov.

Ich hörte ihnen aufmerksam zu. „Und was hat dann mein Vater mit Malcoms Tod zu tun?"

„Er war sauer auf Darryl und wollte sich rächen. Dein Vater wusste viel über unseren Clan und hatte somit leichtes Spiel. Er wollte Darryl töten lassen", erklärte mir Molotov, der nun wieder zu seinem Bruder sah.

Scharf zog ich die Luft ein. Mein eigener Vater wollte jemanden töten lassen?! 

„Nur hat das nicht geklappt. Malcom und ich waren an dem Tag zusammen im Wald unterwegs und statt mich, hat es ihn erwischt", fuhr der Schwarzhaarige fort.

Auf einmal blitzten Bilder vor meinem geistigen Auge auf. Ich erinnerte mich an den Traum mit dem Jungen und dem blonden Mann, der in dessen Armen gestorben war. Jetzt wusste ich endlich wer sie waren.

„Von ihm hast du auch die Kette. Deswegen stand sein Name drauf", murmelte ich.

Beide sahen mich überrascht an. „Woher weißt du das?"

„Ich hab von seinem Tod geträumt. Ich hab dich gesehen, wie du um ihn getrauert hast", erklärte ich und sah Darryl mitleidig an.

„Krass", kam es nur von Molotov. „Aber wir sollten vielleicht wieder zurück. Wir können morgen in Ruhe die Blätter und Bücher anschauen und den Rest hab ich abfotografiert."

Wir nickten und verließen das Zimmer. Natürlich versuchten wir alles im alten Zustand zu verlassen, doch das war nicht ganz möglich. Also öffnete ich die Haustür und wir liefen wieder zurück zum Auto. Ich war einfach nur froh, dass das geklappt hatte.

Entgegen meiner Erwartung war ich überhaupt nicht müde und war dementsprechend auch froh, als Darryl mich im Lager zu sich rief.

His Green EyesWhere stories live. Discover now