XVIII

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Sara war schon weg und ich machte mich im Bad bettfertig. Da wir die Zeit etwas aus den Augen verloren hatten, war sie erst mitten in der Nacht gegangen und ich hatte noch etwas Netflix geschaut. Somit war es bereits kurz nach 0 Uhr und in wenigen Stunden musste ich wieder zur Schule. Wie toll.

Ich war gerade fertig und lief auf den Flur, als ich die Haustür zuschlagen hörte. Ein lautes, „Laila!", kam von unten.

Mein Vater! Automatisch schlug mein Herz schneller und ich verkrampfte mich.

„Wo bist du?! Schläfst du schon?", schrie er weiter.

Ich dachte nicht im Traum daran zu antworten, sondern verkroch mich in mein Zimmer. Das Fenster hatte ich wie immer zum Lüften offengelassen und erwischte mich dabei, wie ich mir wünschte Darryl wäre hier.

Doch er war nicht hier. Ich war allein. Mit meinem Vater.

Plötzlich vernahm ich seine schnellen Schritte auf der Treppe und drehte mich rasch zur Tür. Noch nie, außer an dem Abend als er mich einsperrte, hatte ich ihn so erlebt. Irgendwie war er verändert, seit er von den Aksharas wusste. Oder ich hatte ihn nie richtig gekannt. Wie auch? Er war ja nie da.

Auf einmal kam ein Windstoß von hinten und ich hörte ein dumpfes Aufkommen auf den Zimmerboden. Noch bevor ich mich umdrehen konnte, spürte ich seine Präsenz hinter mir und seinen Arm, der meinen streifte. Aus irgendeinem Grund atmete ich erleichtert aus, doch eigentlich sollte ich noch mehr verängstigt sein.

„Darryl", brachte ich fast tonlos heraus. Er hatte es dennoch gehört und sah mich von der Seite aus warm an. Dann ging er zur Tür und schloss sie zu, kurz bevor mein Vater oben ankam. „Was machst du hier?", fragte ich ihn.

Der Schwarzhaarige wandte sich mir zu und seine grünen Augen strahlten etwas aus, was ich von ihm gar nicht kannte. Unsicherheit und Unruhe. „Ich weiß selber nicht so genau. Irgendwie hatte ich ein ungutes Gefühl und dann hat dein Vater geschrien und-" 

Weiter kam er nicht, denn er wurde von dem lauten Schreien des Mannes vor der Tür unterbrochen. „Laila! Mach sofort die Tür auf!", brüllte er und rüttelte stark an der schützenden Tür, die uns voneinander trennte.

„Ich denke es wäre besser, wenn du wieder mit zu mir kommst", erklärte Darryl leise, damit er nicht gehört wurde.

Zögernd sah ich zu der wackelnden Tür. „Ich kann nicht. Das macht es doch nur noch schlimmer."

Darryl musterte mich kritisch. „Sehr viel schlimmer kanns ja nicht werden. Du kannst meinetwegen auch Sara anrufen und zu ihr gehen, aber ich werde dich nicht mit dem Irren allein lassen!", bestimmte er.

Mein Blick ging wieder zur Tür. „Laila, wenn du nicht sofort aufmachst, dann schwöre ich dir, werde ich..." Er sprach nicht weiter. Die Drohung wirkte aber trotzdem. Weswegen ich einen Schritt zur Tür machte.

Doch Darryl wusste das zu verhindern und packte mich am Arm. Mit dem anderen griff er nach meinem Rucksack, der neben dem Bett stand und reichte ihn mir. „Bitte Laila, komm mit mir! Er hat dir schon einmal wehgetan und ich kann das nicht nochmal sehen."

Mein Vater hatte mich nur eingesperrt, aber woher wusste er das? 

Misstrauisch sah ich ihn an und nahm den Rucksack an mich. „Darryl ich kann nicht einfach so weg! Morgen ist Schule. Ich kann es mir nicht leisten, einfach zu verschwinden!"

Fast schon traurig sah er mich an. „Gut. Ich kann dich nicht zwingen. Aber dann werde ich wohl hierbleiben müssen." Er drückte mir den Rucksack in die Hand und setzte sich demonstrativ aufs Bett.

Mein Vater hatte mittlerweile angefangen gegen die Tür zu treten und hin und wieder warf er sich dagegen, versuchte sie aufzubrechen. „Laila, ich wiederhole mich nicht noch einmal!"

Unruhig sah ich zu Darryl und dann zurück zur Tür. Und da hatte ich eine Entscheidung getroffen.

„Ich komme mit dir", meinte ich entschlossen. Mein Vater war nie für mich da und Darryl hatte in den wenigen Tagen mehr für mich getan als er in meinem ganzen Leben.

Fast schon überrascht, aber zutiefst erleichtert blickte er mich an. Ein kurzes Nicken seinerseits und er stand auf. Während ich alle möglichen Wertsachen in meinen Rucksack stopfte, ging er zum Fenster und sah hinunter. So, als wolle er überprüfen, ob ein Sprung aus der Höhe sicher wäre.

„Okay, ich bin fertig." Mit diesem Satz ging ich zu ihm.

Er sah mich nicht an. „Es ist nicht allzu hoch. Versuch einfach den Sprung etwas abzufedern und dich eine Weile an der Wand hinuntergleiten zu lassen", gab er mir noch den Ratschlag, ehe er selbst hinauskletterte.

Unsicher beobachtete ich seinen Sprung und versuchte mir seine Bewegungen und die Art seiner Landung einzuprägen. Anschließend kletterte auch ich über das Fenstersims und ließ schlussendlich los. Hinter mir das Geräusch der aufbrechenden Tür und das frustrierte Schreien meines Vaters. Die Landung klappte nur nicht so, wie ich gewollt hatte und so kam ich unsicher unten auf und wäre vermutlich hart auf den Boden geknallt, wenn Darryl nicht mit seinen Armen den Sturz abgefedert hätte.

„Danke", murmelte ich beschämt, ohne ihn anzusehen und rappelte mich wieder auf.

Der Grünäugige beobachte mich genau und sah dann hoch zu dem offenen Fenster, aus dem mein Vater zu uns nach unten blickte. „Laila, wenn du jetzt mit dem da mitgehst, brauchst du gar nicht erst wieder kommen!"

Mein Herz schmerzte als mir bewusst wurde, was ich hier tat. „Wir sollten gehen", kam es von Darryl.

Er packte mich sanft am Oberarm und zog mich hinter sich in den Wald.

Dabei versuchte ich meinen Vater zu ignorieren. Doch irgendwann konnte ich einen Schluchzer nicht mehr zurückhalten und spürte wie meine Augen feucht wurden. Was hatte er denn plötzlich?

Mein Vordermann hatte es vernommen, denn er hielt kurz inne. „Tut mir leid, Laila. Ich wollte nicht, dass..." Er verstummte und ging stattdessen weiter. Hatte meinen Arm noch immer gepackt.

Ich antwortete nichts darauf und war ihm dankbar, dass er mich nicht anstarrte, während ich stumm weinte.

Wir waren ungefähr zwei Minuten gelaufen, als sein Quad vor uns auftauchte. Wortlos setzte er sich rauf und wartet auf mich. Wie heute früh nahm ich den hinteren Platz ein und hielt mich fest. Doch er fuhr nicht los, sondern drehte sich um und nahm mich in den Arm. Die Tränen konnte ich nicht mehr zurückhalten und ich weinte mich an seiner Schulter aus, währenddessen er mir über den Rücken strich und mein Leid stumm teilte.

His Green EyesWhere stories live. Discover now