XXV

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• L U K E •

Missmutig sah ich durch die überfüllten Gänge. Menschen hier, Menschen da. Ich hatte es jetzt schon satt. Das frühe Aufstehen machte mir zwar keine großen Probleme, wie zum Beispiel Ben, aber die engen Räume der Schule, in denen sich Schüler nur so sammelten, waren nichts für mich. Ich kannte es nicht und war über meine Anmeldung dementsprechend auch nicht sehr froh.

„Luke, entspann dich mal!", forderte Ben mich auf und schloss seinen Spint.

Knurrend wandte ich nur meinen Blick ab und ignorierte ihn. Mit Schulen oder allgemein öffentlichen Einrichtungen würde ich mich wohl nie anfreunden.

Seit dem kleinen Unfall am See waren jetzt einige Tage vergangen. Darryl und ich mussten uns erstmal schonen und dementsprechend war heute mein erster Tag an dem Gymnasium, welches Ben und unsere neuen Freunde besuchten.

Der Start mit Darryl war mehr als holprig und dennoch verdankte ich ihnen mein Leben. Und sie waren Clanmenschen. Sie gaben mir ein Gefühl von Zuhause. Sie ließen mich nicht so komisch oder anders fühlen. Es fühlte sich einfach gut mit ihnen an. Das war auch der Grund weswegen ich Ben ruhiger dazu gestimmt hatte, was die Waldmenschen anging. Sein Gespräch mit David war nicht sonderlich gut ausgegangen und als er gereizt zu mir zurückkam, musste ich ihn erstmal beruhigen. Dies war beinahe unmöglich, doch dann weihte ich ihn in alles ein. In Alles. Und schon war er verständnisvoller.

Das Ganze führte dann letztlich dazu, dass wir Nummern austauschten und beschlossen, gemeinsam gegen die Mantelträger vorzugehen. Wie auch immer. Laila wollte ihren Vater, den ich nicht kannte, um Rat fragen und ich versuchte mich an alles zu erinnern, was ich bei meinem Stamm gelernt hatte.

„Da seid ihr ja endlich!", hörte ich Ben neben mir rufen und sah den Gang entlang.

Laila und David kamen auf uns zu. Im Schlepptau ein mir fremdes Mädchen mit braunen Haaren und wachen Augen.

„Alles wieder gut?", fragte Laila an mich gewandt und ignorierte Ben eiskalt, was mich die Augenbrauen hochziehen ließ. Ich hatte bereits mitbekommen, dass die beiden keine schöne Vergangenheit hatten.

Ich nickte. „Ja, noch ein bisschen kurzatmig, aber sonst alles gut."

„Schön." Ihre blauen Augen wanderten mit einem Lächeln zu dem Mädchen neben ihr und freundschaftlich legte sie einen Arm um sie. „Das ist übrigens Sara. Sie ist zwar kein großer Freund von uns Waldmenschen, will uns aber unterstützen."

Kurz nickte ich ihr zu. „Ich bin Luke."

„Ich weiß", entgegnete sie abschätzend und sah schließlich zu Ben. „Ich versteh aber immer noch nicht, warum ihr ihn eingeweiht habt!"

David zuckte mit den Schultern. „War der Situation geschuldet."

„Ey", murmelte Ben und verzog etwas das Gesicht. „Ich hätte es irgendwann sowieso erfahren, immerhin verhaltet ihr euch echt merkwürdig und ich hab die Aktion mit dem Messer nicht vergessen."

David wollte etwas erwidern, was einen möglichen Streit wohl anspornen würde, doch Laila meinte schließlich etwas zu motiviert, „Wir sollten langsam mal zum Unterricht." Mit einem Lächeln sah sie zu mir. „Bereit für deinen ersten Schultag?"

„Hm."

Ich war alles andere als bereit! Nach einer kleinen, aber peinlichen Vorstellungsrunde hatte ich mich neben Ben gesetzt und überfordert zur Tafel nach vorn geblickt. Der Chemielehrer hatte offenbar kein Verständnis dafür, dass ich neu war und schrieb Formeln in solch einer Geschwindigkeit an die Tafel, dass ich irgendwann anzweifelte, ob ich das selbe sah wie die anderen im Raum.

Ob Ben es verstand, wusste ich nicht so recht. Er sprach nur mit seinen Freunden über irgendeine vergangene Party und bis auf einen Streit um das beste Bier bekam ich auch davon nichts mit.

Am Ende der Stunde klatschte mein Kopf auf den harten Holztisch und ich wünschte mir nichts sehnlicher als nach Hause zu können. Die anderen hatten den Raum bereits verlassen, nur Laila und Sara packten vorne noch zusammen und ich hatte keine Lust aufzustehen.

„Tja, willkommen in der Schule, Luke", lachte Ben hämisch und schlug mir auf die Schulter.

Mürrisch drehte ich meinen Kopf in seine Richtung. „Bemitleide lieber dich selbst. Ich fang erst jetzt damit an. Du hast die Scheiße schon einige Jahre länger machen müssen als ich."

„Oho, der Kleine ist wohl doch nicht auf den Mund gefallen", meinte David von weiter vorn.

Ben warf ihn sofort mit einem Kuli ab. „Schnauze."

„Mister Anom, hüten sie ihre Zunge!", fauchte eine schneidende Stimme und augenblicklich wurde es etwas kälter im Raum. Angespannt drehte ich mich zur Tür des Zimmers und sah in unfassbar dunkle Augen, die uns musterten als wären wir Feinde. Der noch recht junge Mann hatte ebenso dunkle Haare und spätestens als ich die vernarbten Unterarme sah, musste ich schlucken.

„Was wollen sie hier, wir haben erst morgen wieder mit ihnen?", fragte David und der Unterton in seiner Stimme hatte etwas Provozierendes.

Der Lehrer verzog seine Mundwinkel zu einem unscheinbaren Grinsen. „Wollte mir nur mal meinen neuen Schüler ansehen", erklärte er und schon lagen seine Augen auf mir. Unter diesem scannenden Blick schrumpfte ich etwas zusammen und biss mir auf die Unterlippe. Mit dem stimmte doch etwas nicht! Plötzlich lachte er. „Passt ja gut zu euch, von welchem Clan kommst du denn, du Made?"

Nicht nur ich riss meine Augen auf. Auch Ben neben mir fiel beinahe von seinem Stuhl.

„Was ist eigentlich ihr Problem, Herr Laslo?!", knurrte David, der aufgesprungen war und den dunkelhaarigen Lehrer damit kräftig amüsierte.

„Mein Problem? Ihr seid mein Problem."

„Nein, das denke ich nicht", fing Laila mit nachdenklicher Stimme an und sah den Mann mit zusammengekniffenen Augen an. „So verachtend, wie sie über uns Waldmenschen sprechen, können sie unmöglich bedingungslos auf der Seite dieser Übeltäter stehen."

Laslo lachte leicht, aber ich bemerkte das Zucken in seinen Augen. „Wir sind nicht so wie ihr", beharrte er. „Wobei ich zugeben muss, es ist schon beeindruckend wie viel Einsatz und Zeit ihr an den Tag legt, um eine Organisation aufzuhalten, welche ihr unmöglich aufhalten könnt." Verachtung blitzte in seinen Augen auf, ehe er sich noch einmal an mich wandte. „Willkommen an unserer Schule, lange wirst du es hier wohl nicht aushalten, aber viel Spaß beim Abmühen." Damit verließ er das Zimmer und gestresst stieß ich die Luft aus. Wer gehörte hier denn noch alles zu irgendeiner Organisation oder ähnlichem?

„Ihr wollt mir jetzt nicht ernsthaft sagen, dass-"

„Doch", unterbrach David Ben. „Er gehört zu denen, die Luke beinahe ertränkt hätten."

Ben schüttelte fassungslos den Kopf. „Scheiße." Seine Hand schlug einmal kurz auf den Tisch. „Wie ist der bitte Lehrer geworden?!"

„Frag mich was Leichteres."

„Die Frage ist wohl eher, warum ist er Lehrer geworden?", meinte Sara und augenblicklich sahen wir sie alle an. „Was? Ich mein, wenn der einer krassen Sekte oder so angehört, hat er das doch gar nicht nötig."

Aufgeregt stand David auf. „Das mag jetzt vielleicht verrückt klingen, aber was wäre, wenn wir Laslo auf unsere Seite ziehen?"

„Und wie, du Schlaumeier?"

David zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Aber so zufrieden scheint er ja nicht zu sein und ein Versuch wäre es wert. Was meinst du, Laila?"

„Ich glaube, dass wir dringend mit meinem Vater sprechen sollten."

His Green EyesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt